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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §17 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des RA in G, geboren 1975, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Juli 2005, Zl. 250.081/0-XIV/39/04, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. (Zurückweisung der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. April 2004) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,41 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 19. April 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 als unzulässig zurück, erklärte, dass für die Prüfung des Asylantrages nach dem "Dubliner Übereinkommen" Dänemark zuständig sei und wies den Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Dänemark aus. Das Bundesasylamt verfügte die eigenhändige Zustellung dieses Bescheides an der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren bekannt gegebenen Adresse A. Gasse 32/18 in 8020 Graz, wo gemäß den am Rückschein festgehaltenen Vermerken des Postzustellers am
25. und am 26. April 2004 je ein erfolgloser Zustellversuch vorgenommen wurde. Am Rückschein ist dazu weiter angekreuzt, dass die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches und die Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt worden seien und dass die Sendung beim Postamt 8020 Graz mit Beginn der Abholfrist 26. April 2004 hinterlegt worden sei.
Eine Abholung des hinterlegten Bescheides unterblieb; er wurde seitens des Postamtes mit dem Vermerk "ZURÜCK NICHT BEHOBEN" an das Bundesasylamt rückübermittelt, wo er am 24. Mai 2004 einlangte. In der Folge (Postaufgabe 1. Juni 2004) erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid vom 19. April 2004. Zugleich stellte er den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung zu bewilligen, was er damit begründete, dass er an der zuvor genannten Anschrift nie eine "Verständigung" bzw. nie einen "entsprechenden Hinterlegungszettel" bekommen habe; "der Postkasten zu Top Nr. 18" sei zerstört und es hätten daher jederzeit entsprechende Postsendungen und "Hinterlegungszettel" aus diesem Postkasten herausgenommen werden können. Es sei ihm (Beschwerdeführer) daher unmöglich gewesen, von der Hinterlegung bzw. Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes Kenntnis zu erlangen, erst am 18. Mai 2004 habe er zufällig erfahren, dass ein Bescheid erlassen worden sein solle.
Das Bundesasylamt führte zum Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers Ermittlungen durch, in deren Rahmen seitens der Zustellbasis 8020 Graz mit Schreiben vom 23. Juli 2004 bekannt gegeben wurde, dass das gegenständliche Hausbrieffach schon seit ca. sechs Monaten "beschädigt bzw. aufgerissen" sei. Das Bundesasylamt wies hierauf den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ab.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den letztgenannten Wiedereinsetzungsbescheid erhobene Berufung ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wies sie die Berufung vom 1. Juni 2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. April 2004 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück (Spruchpunkt II.). Sie stellte - auf das Wesentliche zusammengefasst - fest, dass der "Postkasten" an der (damaligen) Adresse des Beschwerdeführers A. Gasse 32/18 zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 19. April 2004 beschädigt gewesen sei. Dieser Zustand habe bereits seit Beginn des Jahres 2004 bestanden, weshalb es dem Beschwerdeführer durchaus zumutbar gewesen wäre, "dieses Problem einer Lösung zuzuführen". Dies habe der Beschwerdeführer jedoch unterlassen, obwohl er spätestens nach seiner erstinstanzlichen Einvernahme mit Poststücken seitens der Asylbehörden hätte rechnen müssen. Indem er sich somit wissentlich dem Risiko ausgesetzt habe, diese Poststücke nicht zu erhalten, habe der Beschwerdeführer die erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen, weshalb sein Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist einen minderen Grad des Versehens übersteige. Die beantragte Wiedereinsetzung sei daher nicht zu bewilligen gewesen, was die Zurückweisung der verspätet eingebrachten Berufung gegen den Bescheid vom 19. April 2004 zur Folge haben müsse.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Dem Bescheid der belangten Behörde liegt unausgesprochen zugrunde, dass die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches und die Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 19. April 2004 - wie am diesbezüglichen Rückschein festgehalten - an der seinerzeitigen Adresse des Beschwerdeführers A. Gasse 32/18 in 8020 Graz in das Hausbrieffach eingelegt worden seien. Im Hinblick darauf, dass dieses Hausbrieffach massiv beschädigt ("aufgerissen") war, vermochte das ausgehend von den Überlegungen im hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2004, Zl. 2003/01/0362, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, keine rechtswirksame Zustellung zu bewirken. Ergänzend sei angemerkt, dass es nicht der von der belangten Behörde vermissten "Problemlösung" durch den Beschwerdeführer bedurft hätte. Vielmehr wäre es Aufgabe des Zustellers gewesen, in Entsprechung der Anordnung des § 17 Abs. 2 ZustG die gegenständliche Hinterlegungsanzeige - weil ihr Einlegen in das Hausbrieffach nicht möglich war - an der Eingangstüre anzubringen (bezüglich der Ankündigung des zweiten Zustellversuchs siehe die korrespondierende Bestimmung des § 21 Abs. 2 ZustG).
War die Hinterlegung des Bescheides vom 19. April 2004 nicht rechtswirksam, so durfte die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung nicht als verspätet zurückweisen. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als darin die Zurückweisung der Berufung als verspätet ausgesprochen wurde (Spruchpunkt II.), gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Eine Wiedereinsetzung kommt nach dem Gesagten - mangels Versäumung einer Frist - nicht in Frage. Durch den die Wiedereinsetzung betreffenden Spruchpunkt wurde der Beschwerdeführer daher nicht in seinen Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde in diesem Punkt (Spruchpunkt I.) gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war (vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0303).
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 20. April 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005010662.X00Im RIS seit
26.05.2006