TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/21 2005/02/0172

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Veröffentlicht am 21.04.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §52;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1b;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des EH in Graz, vertreten durch Reif und Partner, Rechtsanwälte OEG in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/VIII, gegen die Spruchpunkte 1.) und 4.) des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 9. Mai 2005, Zl. UVS 30.6-18,19/2005-9, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 1.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen, somit insoweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt 4.) richtet, wird sie als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Mai 2005 wurde der Beschwerdeführer - soweit verfahrensgegenständlich - schuldig erkannt, er habe am 8. März 2003 um 04.00 Uhr in G als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges

1.) das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt,

4.) das durch ein Organ der Straßenaufsicht deutlich sichtbar gegebene Zeichen (deutliches Hin- und Herbewegen eines beleuchteten Rotlicht-Anhaltestabes) im Sinne einer Aufforderung zum Anhalten zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle nicht beachtet, weil die Fahrt ohne anzuhalten fortgesetzt worden sei.

Er habe dadurch Übertretungen gemäß 1.) § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO und 2.) § 97 Abs. 5 StVO begangen. Es wurden Geldstrafen in der Höhe von zu 1.) EUR 581,--, zu 4.) EUR 75,-- (im Nichteinbringungsfall jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde als Sachverhalt fest, bei einer gegen den Beschwerdeführer von zwei Polizeibeamten um 02.15 Uhr geführten Amtshandlung habe RI R beim Beschwerdeführer starke Alkoholisierungssymptome feststellen können. So habe der Beschwerdeführer beim Gehen geschwankt, aus dem Mund stark nach alkoholischen Getränken gerochen, sei unsicher in seinen Bewegungen gewesen und habe Probleme gehabt, sich klar und deutlich zu artikulieren. GI D habe wahrgenommen, dass der Beschwerdeführer aggressiv gewesen sei, stark geschwankt, sich beim Sprechen sehr schwer getan und aus dem Mund stark nach Alkohol gerochen habe. GI D sei seit 32 Jahren im Dienst und habe angegeben, einen Alkoholisierten eindeutig erkennen zu können. Auf Grund seiner Erfahrung schätze er den Alkoholisierungsgrad des Beschwerdeführers "zwischen 1,6 und 1,8 Promille" ein.

Gegen 04.00 Uhr sei der Beschwerdeführer in das tatgegenständliche Kraftfahrzeug eingestiegen. GI D sei auf Fußstreife gewesen und habe ein reversierendes Kraftfahrzeug und bei dessen Zurückfahren ein typisches Schleifgeräusch wahrgenommen, das von einem Kontakt mit einer Werbetafel gestammt habe. Er habe sich dem Fahrzeug "relativ rasch" genähert und den Rotlicht ausstrahlenden Anhaltestab auf und ab bewegt. Aus einer Entfernung von ca. 5 m habe direkter Blickkontakt mit dem Lenker - dem Beschwerdeführer - bestanden. Der Lenker habe den Anhaltestab mit Sicherheit sehen müssen, trotzdem Gas gegeben und sei davongefahren. Um ca. 05.00 Uhr habe GI D das gegenständliche Kraftfahrzeug in der Tiefgarage am Wohnort des Beschwerdeführers auf eventuelle Schäden überprüft und an der Wohnungstür des Beschwerdeführers geläutet, es sei aber nicht geöffnet worden.

Die beiden Meldungsleger hätten auf Grund eindeutiger Alkoholisierungsmerkmale ("starker Geruch nach Alkohol aus dem Mund, Schwanken beim Gehen, unsicherere Bewegungen, hat sich beim Sprechen sehr schwer getan - Probleme klar und deutlich zu artikulieren") um 02.15 Uhr eine "starke Alkoholisierung" des Beschwerdeführers festgestellt. Es sei "davon auszugehen, dass" der Beschwerdeführer "zum Zeitpunkt des Lenkens um 04.00 Uhr des 8. März 2003 sich noch immer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden" habe. Auch das "sonstige Verhalten" des Beschwerdeführers "(Urinieren auf einem öffentlichen Platz, Nichtbeachten eines deutlichen Anhaltezeichens, Überhören eines lauten Schiebegeräusches der Werbetafel), welches offensichtlich im Gegensatz zu seinem sonstigen Verhalten" stehe, sei "auf die Alkoholisierung zurückzuführen". Er habe damit die ihm unter Spruchpunkt 1.) zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen. Der Beschwerdeführer habe die durch deutlich sichtbare Zeichen erfolgte Aufforderung zum Anhalten durch GI D missachtet und damit auch die zu Spruchpunkt 4.) angelastete Verwaltungsübertretung begangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu Spruchpunkt 1.)

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die mittels Schätzung zweier Polizeibeamter festgestellte Beeinträchtigung durch Alkohol.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1983, Zl. 82/03/0259) können Alkoholisierungssymptome wie die oben beschriebenen im Allgemeinen als Merkmale einer Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO gelten, sie lassen aber ohne Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen keinen sicheren Schluss in diese Richtung zu.

Die belangte Behörde hätte daher im vorliegenden Fall vor Fällung ihres Bescheides die gutachtliche Äußerung eines medizinischen Sachverständigen einholen müssen, ob die Wahrnehmungen der beiden Meldungsleger mit Sicherheit auf eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO zur Tatzeit 04.00 Uhr schließen lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1986, Zl. 86/03/0156).

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 1.) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Zu Spruchpunkt 4.)

Der Beschwerdeführer wendet sich im Wesentlichen gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Ihm ist entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.

Geht man aber von dem von der belangten Behörde festgestellten direkten Blickkontakt zwischen Beschwerdeführer und GI D auf eine Distanz von nur 5 m aus, dann ist auch der Schluss der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass der Beschwerdeführer die von GI D mit einem rot beleuchteten Anhaltestab durch Auf- und Abbewegen des Armes gegebene Aufforderung zum Anhalten wahrnehmen und sich als geprüfter Fahrzeuglenker der Bedeutung des Zeichens im Klaren gewesen sein musste.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 4.) richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. April 2006

Schlagworte

Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkoholisierungssymptome Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Mundgeruch Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Sachverständiger Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt Verfahrensbestimmungen Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005020172.X00

Im RIS seit

24.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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