TE Vfgh Erkenntnis 2002/2/26 B57/01

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Veröffentlicht am 26.02.2002
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
EMRK Art6 Abs3 litd
EMRK Art7
DSt 1990 §1
DSt 1990 §3
DSt 1990 §36
RL-BA 1977 §2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Verfolgung von Ansprüchen mit unangemessener Härte - "Kostenschinderei"; vertretbare Nichtanwendung des Absehens von der Verfolgung wegen geringfügigen Verschuldens; keine Verletzung des Rechts auf Befragung von Belastungszeugen und des Unmittelbarkeitsgrundsatzes; ausreichende Präzisierung des strafbaren Verhaltens

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Innsbruck. Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer (in der Folge: Disziplinarrat) vom 28. April 1999, Z D 13/98, DV 23/98 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, daß er auf Grund dreier rechtskräftiger Zahlungsbefehle gegen die drei beklagten Parteien K/B OEG, A K und C B ohne Notwendigkeit insgesamt neun Exekutionsanträge einbrachte und dadurch die Ansprüche seiner Mandantschaft mit unangemessener Härte verfolgte. Über den Beschwerdeführer wurde deswegen eine Geldbuße in Höhe von S 5.000,-

sowie die Verpflichtung zum Ersatz der Verfahrenskosten verhängt.

2. Gegen dieses Erkenntnis erhoben sowohl der Beschwerdeführer als auch der Kammeranwalt Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (in der Folge: OBDK). Mit ihrem nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ergangenen Berufungserkenntnis vom 16. Oktober 2000 gab die OBDK der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge, bestätigte den Schuldspruch und erhöhte die verhängte Geldbuße - in Stattgebung der Strafberufung des Kammeranwalts - auf S 10.000,-.

3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG), auf Unversehrtheit des Eigentums, sowie im Recht gemäß Art7 EMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4. Mit Beschluß der OBDK vom 19. Jänner 2001 wurde der Text im Kopf dieses Erkenntnisses gemäß §270 Abs3 StPO iVm. §77 Abs3 DSt 1990 dahingehend berichtigt, daß das Datum des angefochtenen Erkenntnisses des Disziplinarrates "28. April 1999" anstatt "18. April 1999" zu lauten habe.

5. Die OBDK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdeausführungen entgegentrat und die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Die Beschwerde enthält folgende Ausführungen zum Anfechtungsgegenstand:

"(D)as angefochtene Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (stellt) ein 'Nichterkenntnis' dar. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde einer Berufung des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 18.04.1999 nicht Folge gegeben (1. Seite des angefochtenen Erkenntnisses). Ein Erkenntnis des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 18.04.1999 ist nicht existent. Somit müsste von der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter noch immer über die Berufung gegen das Erkenntnis vom 28.04.1999 entschieden werden"

Im Verwaltungsakt liegt das Original des Erkenntnisses der OBDK, auf dem das angefochtene Erkenntnis mit "Erkenntnis des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 28. April 1999, GZ D 13/98, DV 23/98" angegeben ist. Die in der an den Beschwerdeführer ergangenen Ausfertigung enthaltene Datumsangabe "18. April 1999" wurde nach Erhebung der vorliegenden Beschwerde von der OBDK mit dem - unangefochten gebliebenen - Beschluß vom 19. Jänner 2001 auf "28. April 1999" berichtigt. Jedenfalls unter diesen Umständen hat der Verfassungsgerichtshof seiner Überprüfung das Erkenntnis in der berichtigten Fassung zugrunde zu legen. Der Berichtigungsbescheid bildet mit dem von ihm berichtigten Erkenntnis eine Einheit (vgl. zB VfSlg. 5379/1966, 7689/1975, 8854/1980, 12314/1990, 13856/1994, 14955/1997). Da die Beschwerdefrist gewahrt ist und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, erweist sich die vorliegende Beschwerde gegen das als Bescheid zu wertende (berichtigte) Erkenntnis der OBDK als zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Die OBDK hat ihr Erkenntnis auf folgende, vom Erkenntnis des Disziplinarrates übernommene Feststellungen gestützt:

"Am 5. Februar 1997 brachte der (Beschwerdeführer) beim Landesgericht Innsbruck eine Klage gegen die Fa. K/B OEG zur Hereinbringung eines Betrages von 102.790,80 S s.A. ein. Mit dieser Klage wurden drei Rechnungsbeträge geltend gemacht; sie wurde vom Landesgericht Innsbruck gemäß §§49, 50 und 55 JN wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen. Von der Möglichkeit, die Überweisung der Rechtssache an das Bezirksgericht Innsbruck zu beantragen, machte der Disziplinarbeschuldigte nicht Gebrauch. Er zog die Klage zurück und brachte in der Folge zur Hereinbringung jedes einzelnen Rechnungsbetrages eine gesonderte Klage - somit drei Mahnklagen - ein, die sich jeweils gegen die K/B OEG als erstbeklagte, C B als zweitbeklagte und A K als drittbeklagte Partei richteten. Auf der Basis dieser Mahnklagen erließ das Bezirksgericht Innsbruck am 20. Februar 1997 neun Zahlungsbefehle. Hinsichtlich der OEG und C B wurde die Vollstreckbarkeitsbestätigung jeweils am 20. März 1997 erteilt, hinsichtlich A K erst am 3. April 1997.

Auf Grund der vollstreckbaren sechs Zahlungsbefehle betreffend K/B OEG und C B, die beim Disziplinarbeschuldigten am 24. März 1997 einlangten, brachte dieser sechs Exekutionsanträge ein.

Am 7. April 1997 wurden dem Disziplinarbeschuldigten die drei Zahlungsbefehle betreffend den Drittbeklagten A K zugestellt, worauf er drei weitere Exekutionsanträge beim Bezirksgericht Innsbruck einbrachte.

Zur Hereinbringung von drei Forderungen, die sämtliche die selben Schuldner betrafen und zugleich geltend gemacht wurden, brachte der Disziplinarbeschuldigte somit drei Mahnklagen und neun Exekutionsanträge ein.

Im Exekutionsverfahren entstand dadurch, daß zur Durchsetzung der sechs Zahlungsbefehle gegen die OEG und C B nicht ein, sondern sechs Exekutionsanträge gestellt wurden, eine Kostenmehrbelastung für die Schuldner in Höhe von 8.943,90 S. Selbst wenn die jeweils drei Zahlungsbefehle gegen die OEG und gegen C B in zwei getrennten Exekutionsanträgen zusammengefaßt worden wären, hätten die dafür aufzuwendenden Kosten verglichen mit den Kosten von sechs Exekutionsanträgen, 4.403,36 S weniger betragen.

Wäre gegen A K auf Grund der vollstreckbaren Zahlungsbefehle vom 7. April 1997 ein Exekutionsantrag und nicht drei Anträge gestellt worden, hätten der verpflichteten Partei Kosten von 2.201,68 S erspart werden können.

Durch die Vorgangsweise des Disziplinarbeschuldigten wurden ferner vermeidbare Intervenionskosten in der Höhe von 1.440,48 S bewirkt."

2.2. Aus rechtlicher Sicht folgt die OBDK der Beurteilung des Disziplinarrates, wonach die Vorgangsweise des Beschwerdeführers ungeachtet der Bestimmung des §9 Abs1 RAO gegen die Bestimmung des §2 RL-BA 1977 verstoßen habe und einen Verstoß gegen die Berufspflichten darstelle. Exzessive Betreibungsmaßnahmen und unnötige Kostenverursachung seien aber auch geeignet, Ehre und Ansehen des Standes zu gefährden. Gerade derartige Maßnahmen führten in weiten Bevölkerungskreisen zur Ansicht, die Rechtsanwaltschaft sei primär daran interessiert, möglichst hohe Prozeß- und Exekutionskosten zu verursachen, um sich selbst auf Kosten der Prozeßgegner oder - im Falle der Uneinbringlichkeit - auf Kosten der Mandanten zu bereichern. Dem Bild des Rechtsanwaltes als "Kostenschinder" sei aus standespolitischen Überlegungen energisch entgegenzuwirken.

2.3. Der Beschwerdeführer behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums beziehungsweise auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein faires Verfahren verletzt zu sein, weil die belangte Behörde keinen Gebrauch von §3 DSt 1990 gemacht habe. Für einen unbescholtenen Disziplinarbeschuldigten bestehe "ein Recht auf die Anwendung des §3 DSt 1990, da die Willensbildung über das Absehen von der Strafe eine dem Ermessen entzogene Entscheidung darstell(e)". Weiters habe die belangte Behörde §36 DSt 1990 denkunmöglich angewendet, weil sie - entgegen dem darin normierten Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens - seine Verteidigungsrechte grob verletzt habe, weil die von ihm beantragten Zeugen nicht geladen und einvernommen wurden.

§2, zweiter Satz und letzer Satz RL-BA 1977 lauten:

" ... (Der Rechtsanwalt) darf nur solche Mittel anwenden, die mit dem Gesetz, Anstand und Sitte vereinbar sind. Er darf weder Ansprüche mit unangemessener Härte verfolgen noch sachlich nicht gerechtfertigte Druckmittel ankündigen oder anwenden."

§3 DSt 1990 lautet:

"Ein Disziplinarvergehen ist vom Disziplinarrat nicht zu verfolgen, wenn das Verschulden des Rechtsanwalts geringfügig ist und sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat."

2.4. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Daß der angefochtene Bescheid auf einer rechtswidrigen generellen Norm beruht, wurde in der Beschwerde nicht behauptet und ist im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof auch sonst nicht hervorgekommen.

Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde die anzuwendenden Vorschriften in denkunmöglicher Weise ausgelegt hat. Insbesondere ist der Ansicht des Beschwerdeführers, wonach §3 DSt 1990 denkunmöglich nicht angewendet worden sei, entgegenzutreten, zumal er zwar seine "bisherige Unbescholtenheit", nicht aber das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des §3 DSt 1990 (geringes Verschulden und keine oder nur unbedeutende Folgen) behauptet hat. Allein aufgrund des - in einem aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklichen Ermittlungsverfahren festgestellten - Verhaltens des Beschwerdeführers und der bei den Verpflichteten im Exekutionsverfahren eingetretenen Auswirkungen, hält es der Verfassungsgerichtshof jedenfalls für vertretbar, daß §3 DSt 1990 nicht zur Anwendung kam.

Es kann auch nicht gefunden werden, daß die belangte Behörde bei der Auslegung des §1 DSt 1990 iVm. §2 RL-BA 1977 willkürlich vorgegangen sei. Das von den Disziplinarbehörden in einem unbedenklichen Ermittlungsverfahren festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß er in drei Fällen gleichzeitig jeweils drei Exekutionsanträge aufgrund von drei Exekutionstiteln gegen ein und dieselbe Partei einbrachte, wodurch die Kosten bei der verpflichteten Partei höher ausfielen, als wenn die - zeitgleich ergangenen (!) - Exekutionstitel jeweils einem einzigen (zusammenfassenden) Exekutionsantrag zugrunde gelegt worden wären. Es ist zumindest nicht als denkunmöglich anzusehen, wenn die belangte Behörde dieses Verhalten unter den Tatbestand des §2 RL-BA 1977 subsumiert.

2.5. Der Beschwerdeführer behauptet eine denkunmögliche Anwendung des §36 DSt 1990 und damit einhergehend eine Verletzung von Art6 EMRK - insbesondere des Rechts auf Befragung von Entlastungszeugen (Art6 Abs3 litd EMRK). Er begründet dies damit, daß vom Disziplinarrat und von der OBDK zwei zu seiner Entlastung angebotene Zeugen nicht einvernommen wurden. Er habe in der mündlichen Disziplinarverhandlung vor dem Disziplinarrat die Einvernahme der Zeugen R. H. und MMag. Sch. zum Beweis dafür beantragt, daß die von ihm gewählte Vorgangsweise über ausdrücklichen Wunsch seines Mandanten gewählt wurde.

Eine Verletzung im Recht auf Benennung und Befragung von Entlastungszeugen (Art6 Abs3 litd EMRK ) sei auch darin gelegen, daß die OBDK von der Einvernahme der genannten Zeugen Abstand genommen habe, obwohl diese auch dazu gedient haben könnten, daß sich die belangte Behörde "ein Bild davon machen (hätte können), mit welchen Schwierigkeiten - wie zB. drohende Insolvenzgefahr, zahllose Zahlungsversprechungen und Adressenänderungen - seine Mandantschaft bereits vor Klagseinbringung zu kämpfen hatte".

Nach Art6 Abs3 litd EMRK hat jeder Angeklagte das Recht, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Die Bestimmung dient der Sicherstellung der Waffengleichheit im Strafverfahren, sie räumt einem Angeklagten jedoch kein grenzenloses Recht ein, Entlastungszeugen zu benennen und zu befragen (vgl. EGMR Urteil Engel ua. vom 30.4.1976, Serie A 22, Rn. 91; EuGRZ 1976, 221).

Was den ersten - im Disziplinarverfahren vom Beschwerdeführer explizit als Beweisthema genannten - Aspekt betrifft, daß das inkriminerte Verhalten des Beschwerdeführers auf einen ausdrücklichen Auftrag seines Klienten zurückgegangen sei, ist die OBDK in vertretbarer Weise davon ausgegangen, daß dieser Umstand keine Relevanz für die Frage des Vorliegens des Disziplinarvergehens besitze, weil "ein disziplinäres Fehlverhalten durch einen diesbezüglichen Klientenauftrag nicht berührt" werde. Auch soweit der Umstand, daß sich die belangte Behörde mit Hilfe des beantragten Beweismittels "ein Bild davon machen (hätte können), mit welchen Schwierigkeiten - wie zB. drohende Insolvenzgefahr, zahllose Zahlungsversprechungen und Adressenänderungen - seine Mandantschaft bereits vor Klagseinbringung zu kämpfen hatte" zur Behauptung einer Verletzung des Art6 Abs3 litd EMRK herangezogen wird, ist der Beschwerdeführer auf die im angefochtenen Bescheid enthaltene - vertretbare - Begründung der belangten Behörde hinzuweisen, daß "sich der Schuldspruch lediglich auf die inkriminierte Betreibung der angeführten Exekutionsverfahren zum Nachteil der verpflichteten Parteien bezieht, weshalb die vorprozessuale Vorgangsweise, der Erfolg der gesetzten Exekutionsmaßnahmen und das Fehlen jeglicher Kostenbelastung für die Mandantschaft (des Beschwerdeführers) ersichtlich entscheidungsspezifischer Relevanz entbehren".

Der belangten Behörde, die damit in unbedenklicher Weise ihr Ermessen zur Beurteilung der Entscheidungsrelevanz der beantragten Beweisaufnahme geübt (und begründet) hat, ist insofern im Lichte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken (Art6 Abs3 litd EMRK), aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten (vgl. EGMR 6.9.1995, Fall Stadler, Z23194/94, EGMR 27.11.1996, Fall Lods, Z31199/96).

Die Behörde hat daher auch keine Willkür durch denkunmögliche Außerachtlassung des in §36 DSt 19790 normierten Unmittelbarkeitsgrundsatzes geübt. Insgesamt wurde der Beschwerdeführer somit nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Ob aber §§3 und 36 DSt 1990 sowie §2 RL-BA 1977 iVm. §1 DSt 1990 in jeder Hinsicht richtig angewendet wurden, ist eine Frage der Anwendung des einfachen Gesetzes, für deren Beurteilung dem Verfassungsgerichtshof keine Zuständigkeit zukommt, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 8309/1978, 9454/1982, 9456/1982, 10565/1985, 10659/1985, 12697/1991, 12915/1991).

2.6. Zur Behauptung, der Beschwerdeführer sei in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art7 EMRK verletzt worden:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (grundlegend VfSlg. 11776/1988 zur Vorgängerbestimmung des geltenden §1 DSt 1990) muß einer Verurteilung nach §1 DSt 1990 verfassungskonform im Sinne des Art7 EMRK zugrunde liegen, daß sie wegen einer Verletzung von Berufspflichten oder wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes erfolgt, die sich aus gesetzlichen Regelungen oder aus verfestigten Standesauffassungen - wozu allenfalls Richtlinien oder die bisherige (Standes-)Judikatur Bedeutung besitzen - ergeben, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung beruht der angefochtene Bescheid sehr wohl auf einer in diesem Sinne hinreichend konkretisierten generellen Norm. Die Bestimmung des §2 zweiter Satz RL-BA 1977, die vorsieht, daß der Rechtsanwalt "weder Ansprüche mit unangemessener Härte verfolgen noch sachlich nicht gerechtfertigte Druckmittel ankündigen oder anwenden" darf, stellt nämlich eine Präzisierung der in §1 DSt 1990 allgemein gehaltenen Begriffe der Berufspflichten und von "Ehre und Ansehen des Standes" dar (vgl. zum Verbot der "Kostenreißerei" allgemein schon VfSlg. 13606/1993). Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf diese Verordnungsbestimmung gestützt.

Der Verfassungsgerichtshof ist auch der Auffassung, daß sich die von der Behörde gewählte Auslegung des §2 RL-BA 1977 iVm. §1 DSt 1990 im Rahmen dessen hält, was bei vernünftiger Interpretation dieser Bestimmungen für den Beschwerdeführer erkennbar sein mußte, nämlich daß er sich durch sein Verhalten dem Risiko einer Bestrafung aussetzt (vgl. VfGH 12.6.2001, B114/99; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar2, Rz 4 zu Art7 EMRK mit Nachweisen auf die Rechtsprechung des EGMR; Thienel in Korinek/Holoubek, Kommentar zum Bundesverfassungsrecht, Rz 17 zu Art7 EMRK).

Der Beschwerdeführer wurde somit nicht in seinem Recht gemäß Art7 EMRK verletzt.

2.7. Auch die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums hat nicht stattgefunden.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10370/1985, 11470/1987).

Daß dies nicht der Fall ist, wurde bereits oben ausgeführt.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

4. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

5. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheidberichtigung, Rechtsanwälte Disziplinarrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B57.2001

Dokumentnummer

JFT_09979774_01B00057_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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