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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §24;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. Dezember 2005, Zl. UVS-FSG/18/8839/2005/3, betreffend Entziehung einer ausländischen Lenkberechtigung und Lenkverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Entziehung der in der Tschechischen Republik erteilten Lenkberechtigung verfügt wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2005 entzog die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 des Führerscheingesetzes (FSG) unter Bezugnahme auf § 30 Abs. 3 und § 25 Abs. 3 FSG die in der Tschechischen Republik am 29. August 2005 für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung, und zwar ab Zustellung des Bescheides bis 2. Juli 2006 (Spruchpunkt 1.). Unter einem wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen für den oben angeführten Zeitraum verboten (Spruchpunkt 2.). Unter einem wurde überdies einer eventuellen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend wurde ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei bereits mit Bescheid vom 7. Juni 2005 die österreichische Lenkberechtigung für die Dauer von 14 Monaten bis einschließlich 2. Juli 2006 entzogen worden, weil er am 2. Mai 2005 um 21.15 Uhr an einer näher bezeichneten Stelle im
19. Wiener Gemeindebezirk einen nach dem Kennzeichen näher bezeichneten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe und an einem Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden beteiligt gewesen sei. Erst mit Schreiben vom 26. September 2005 sei dem Verkehrsamt Wien mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer überdies im Besitz einer tschechischen Lenkberechtigung sei. Aus dem Festgestellten lasse sich eine negative Prognose nach § 7 FSG für das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführer im Straßenverkehr ableiten, weshalb bei ihm die Verkehrszuverlässigkeit nicht vorliege.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (UVS) mit Bescheid vom 22. Dezember 2005 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid bestätigt. Nach ausführlicher Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte der UVS aus, da der Beschwerdeführer in Graz geboren worden sei, österreichischer Staatsangehöriger sei und seinen Hauptwohnsitz in Österreich habe, sei die erstinstanzliche Behörde verpflichtet gewesen, nach § 30 Abs. 3 FSG vorzugehen und den Beschwerdeführer aufzufordern, seinen tschechischen Führerschein abzugeben. Die "Frage der möglichen Alkoholisierung" des Beschwerdeführers sei für das gegenständliche Verfahren "nicht erheblich". Die erstinstanzliche Entscheidung sei frei von Irrtum und sei daher spruchgemäß zu bestätigen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. § 30 FSG lautet (auszugsweise):
"Folgen des Entziehungsverfahrens für Besitzer ausländischer Lenkberechtigungen
§ 30. (1) Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen kann das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten, falls nicht gemäß Abs. 2 vorzugehen ist. Hat der betroffene Lenker keinen Wohnsitz in Österreich, ist seiner Wohnsitzbehörde auf Anfrage von der Behörde, die das Verfahren durchgeführt hat, Auskunft über die Maßnahme der Aberkennung zu erteilen.
...
(3) Betrifft das Verfahren gemäß Abs. 1 den Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, der seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat, so hat die Behörde eine Entziehung auszusprechen und den Führerschein des Betroffenen einzuziehen und der Ausstellungsbehörde zurückzustellen. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung und Ausfolgung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs. 3 zu stellen, oder, falls die Entziehungsdauer mehr als 18 Monate war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung."
2. Die Beschwerde ist teilweise begründet.
2.1. Aus § 30 Abs. 1 in Verbindung mit § 30 Abs. 3 FSG folgt, dass sich die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 24 (bzw. § 26) FSG grundsätzlich nur auf die Besitzer einer in Österreich erteilten Lenkberechtigung bezieht. Betrifft jedoch das Verfahren gemäß § 30 Abs. 1 FSG den Besitzer einer in einem anderen EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, der seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat, so hat gemäß § 30 Abs. 3 FSG auch diesfalls, obwohl es sich um eine ausländische Lenkberechtigung handelt, die Behörde eine Entziehung der Lenkberechtigung - bei Vorliegen der hiefür erforderlichen Voraussetzungen - auszusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 2005, Zl. 2004/11/0111).
Die belangte Behörde hat bereits aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer österreichischer Staatsangehöriger sei und seinen Hauptwohnsitz in Österreich habe, gefolgert, dass nach § 30 Abs. 3 FSG vorzugehen gewesen sei. Damit hat die belangte Behörde jedoch die Rechtslage verkannt. § 30 Abs. 3 erster Satz FSG ermächtigt nämlich nur dann zur Entziehung einer ausländischen, in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, wenn der Besitzer seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat. Dass der Betreffende seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, ist hiefür zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung. Es muss vielmehr ein Wohnsitzwechsel vorliegen (vgl. in diesem Sinne auch die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über den Führerschein, 714 BlgNR 20.GP, 45).
Ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung hat die belangte Behörde Ermittlungen und darauf basierende begründete Feststellungen zu einem Wohnsitzwechsel des Beschwerdeführers nach Österreich unterlassen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf zwei im Verwaltungsakt (Aktenseiten 32 und 81) erliegende Ausdrucke aus dem Zentralen Melderegister, in denen von einem durchgehenden Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers seit Juli 2000 in Österreich die Rede ist, mithin auch für den Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Lenkberechtigung (nach den von der belangten Behörde übernommenen Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde am 29. August 2005). Sollte der Beschwerdeführer aber seinen Hauptwohnsitz nicht nach Österreich verlegt haben, weil er seinen Hauptwohnsitz in Österreich gar nicht aufgegeben hatte, so lägen nicht die Voraussetzungen für eine Entziehung einer ausländischen Lenkberechtigung nach § 30 Abs. 3 FSG vor, sondern allenfalls diejenigen für ein Lenkverbot nach § 30 Abs. 1 FSG. Auch letzteres käme freilich nur in Frage, "wenn Gründe für die Entziehung der Lenkberechtigung" vorliegen, was von der Behörde entsprechend zu begründen wäre. Der angefochtene Bescheid ist auch in dieser Hinsicht ungenügend, weil er keinerlei Feststellungen enthält, aus denen rechtlich folgte, dass im Falle des Beschwerdeführers aufgrund Vorliegens einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG und ihrer Wertung Verkehrsunzuverlässigkeit vorläge oder aber die speziellen Voraussetzungen des § 26 FSG erfüllt wären.
Der angefochtene Bescheid ist daher, soweit mit ihm Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde, mit einem auf unrichtiger Rechtsansicht beruhenden Verfahrensmangel behaftet, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
2.2. Durch die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers wurde auch auf das mit Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochene Lenkverbot gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG bestätigt. In dem vom Beschwerdeführer ausschließlich geltend gemachten Recht, Fahrzeuge außerhalb Österreichs lenken zu dürfen, wurde dieser jedoch durch das von der belangten Behörde bestätigte Lenkverbot nicht verletzt. Die Beschwerde war demnach insofern gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, insbesondere § 50, VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. April 2006
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006110022.X00Im RIS seit
16.06.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008