TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/25 2003/21/0032

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Veröffentlicht am 25.04.2006
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 66, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. September 2002, Zl. Fr 1931/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 des bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Beim Beschwerdeführer seien am 5. März 2002 anlässlich einer Grenzkontrolle Arbeitskleidung und Bargeld von EUR 2.500,-- vorgefunden worden. Er habe zugegeben, zuletzt am 13. Jänner 2002 in das Bundesgebiet eingereist und seit einem dreiviertel Jahr bei Peter H in Wien als Elektriker beschäftigt gewesen zu sein. Für ihn liege keine Beschäftigungsbewilligung vor und es sei ihm keine Arbeitserlaubnis und kein Befreiungsschein ausgestellt worden. Der Berufungsbehauptung, dass es zwischen einem Unternehmen des Beschwerdeführers in Polen und dem in Wien ansässigen Unternehmen des Peter H geschäftliche Verbindungen geben würde und der Beschwerdeführer lediglich "zur Erfassung von Problemstellungen bzw. zur Sicherstellung des Datentransportes in Österreich persönlich anwesend" gewesen wäre, sei entgegenzuhalten, dass Peter H telefonisch vor Zeugen ausgesagt habe, dass der Beschwerdeführer und dessen Sohn bei ihm seit ca. einem dreiviertel Jahr als Elektriker bzw. Hilfsarbeiter beschäftigt wären und ein monatliches Entgelt von S 30.000,-- bzw. S 15.000,-- erhalten würden. Die Berufungsausführungen seien somit als reine Schutzbehauptungen anzusehen. Peter H sei mit Schreiben vom 7. August 2002 eingeladen worden, zu den Berufungsbehauptungen eine Stellungnahme abzugeben; eine solche sei jedoch nicht eingebracht worden. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung nehme die belangte Behörde daher als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer ohne den wegen der Beschäftigungsaufnahme erforderlichen Sichtvermerk eingereist und in Österreich ca. ein dreiviertel Jahr einer Beschäftigung ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung nachgegangen sei und sich auf Grund der Arbeitsaufnahme unerlaubt in Österreich aufgehalten habe. An der Verhinderung von "Schwarzarbeit" bestehe ein großes öffentliches Interesse; dies rechtfertige die in § 36 Abs. 1 FrG normierte Annahme. Der Beachtung der für die Einreise nach Österreich bestehenden Vorschriften komme im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu.

Der Beschwerdeführer habe keine "wesentlichen Nahebeziehungen zu in Österreich lebenden Familienangehörigen" und es bestehe kein "allfälliges wesentliches Privat- und Familienleben im Sinne des § 37 leg. cit. in Österreich". Es lägen keine ausreichenden Umstände vor, die allenfalls für ein Absehen von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen würden.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes von fünf Jahren erscheine notwendig, um den Beschwerdeführer in dieser Zeit vom österreichischen Arbeitsmarkt fernzuhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Gegen die Schlüssigkeit der behördlichen Feststellungen führt die Beschwerde ins Treffen, dass zwei Widersprüche vorlägen. Es sei ein Gedächtnisprotokoll des Peter H vom 8. März 2002 über sein Telefonat mit der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vorgelegt worden; demnach habe Peter H mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer für ihn seit Mai 2001 arbeite und er von ihm "(bisher) insgesamt S 30.000,--" erhalten habe. Dem entgegen habe die erstinstanzliche Behörde in einem Aktenvermerk festgehalten, dass der Beschwerdeführer nach Aussage des Peter H ein "monatliches Entgelt von S 30.000,--" bezogen habe. Dieser vom Beschwerdeführer behauptete Widerspruch ist durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Dem (nach der Aktenlage erst mit der Beschwerde vorgelegten) Gedächtnisprotokoll nach wurde Peter H nämlich gefragt: "Was hat er da von Ihnen bekommen?" Die Antwort hat gelautet "ca. ATS 30000" ohne irgendeine Zeitangabe. Auch bei Unterstellung der Richtigkeit dieser Variante lässt diese Aussage nicht als einzig möglichen Schluss zu, dass der Beschwerdeführer insgesamt nur S 30.000,-- erhalten habe; die erstinstanzliche Behörde durfte diese Angabe durchaus dahin verstehen, dass es sich um ein monatliches Entgelt handelte, zumal auch die protokollierte Aussage des Beschwerdeführers dahin lautet.

Auch der zweite in der Beschwerde aufgezeigte Widerspruch liegt nicht vor. Demnach habe sich der Beschwerdeführer laut seinen am 6. März 2002 protokollierten Angaben seit 13. Jänner 2002 im Bundesgebiet aufgehalten; dem entgegen habe die belangte Behörde festgestellt, der Beschwerdeführer sei seit einem dreiviertel Jahr bei Peter H als Elektriker beschäftigt gewesen.

Auch hier entfernt sich die Beschwerde vom Akteninhalt: Die Aussage des Beschwerdeführers lautet nämlich dahin, dass er "letztmalig am 13. Jänner 2002" eingereist sei. Da kein Grund für die Annahme besteht, dass sich der Beschwerdeführer für eine Tätigkeit über ein dreiviertel Jahr ständig in Österreich aufhalten hätte müssen, ist seine Aussage über eine letztmalige Einreise am 13. Jänner 2002 mit einer von ihm und Peter H ausdrücklich zugestandenen Beschäftigung über insgesamt ein dreiviertel Jahr durchaus in Einklang zu bringen.

Weiters verweist die Beschwerde inhaltlich auf das Berufungsvorbringen. Demnach habe der Beschwerdeführer "das Magisterium einer elektrischen Fakultät im Bereich Elektrotechnik im Fachgebiet Industrieautomatik mit gutem Ergebnis abgeschlossen und führt seitdem in Polen einen Betrieb, der sich auch mit Entwicklung, Installation und Betrieb von Datenverarbeitungssystemen, Datenübertragung und Kommunikationstechnik befasst (Netzwerktypologie, Ausführungen von EDV-Netzwerken, Sicherheitsmanagement von Datennetzen etc. etc.)…

Im Rahmen der Ausführung dieser Unternehmensaufträge war es einerseits zur Erfassung der Problemstellung, andererseits auch zur Sicherstellung des Datentransportes notwendig, dass (Beschwerdeführer) mehrmals in Österreich persönlich anwesend war." Mit diesem Hinweis verknüpft die Beschwerde den Vorwurf, die belangte Behörde habe diese Behauptungen nicht einer Würdigung unterzogen.

Abgesehen davon, dass sowohl Berufung als auch Beschwerde eine Erklärung schuldig bleiben, warum für diese hochqualifizierte Tätigkeit die vorgefundene Arbeitskleidung erforderlich gewesen wäre, durfte die belangte Behörde ihren Feststellungen die eindeutige Aussage des Beschwerdeführers selbst zu Grunde legen, die von einer Beschäftigung als Elektriker über ein dreiviertel Jahr bei Peter H zu einem monatlichen Gehalt spricht. Soweit die Beschwerde der Behörde vorwirft, sie hätte Peter H zu diesem Vorbringen nicht befragt, ist sie auf das von ihr selbst vorgelegte, von Peter H verfasste Gedächtnisprotokoll über ein Telefonat mit der Behörde zu verweisen, demzufolge der Beschwerdeführer seit Mai (2001) für den Beschwerdeführer "arbeitet" und eine Änderung der Maßnahme angeregt wurde, weil Peter H "die Arbeitskraft" des Beschwerdeführers benötige. Auch wenn somit die von der belangten Behörde genannte schriftliche Aufforderung an Peter H zur Stellungnahme nicht aktenkundig ist, hegt der Gerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit der behördlichen Feststellungen.

Der Begriff des Arbeitsverhältnisses im Sinn des § 2 Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG ist mit dem des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertragsrecht ident und erfordert die Verrichtung von Arbeitsleistungen gegen ein von der Arbeitszeit abhängiges Entgelt in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Beschäftigten von einem Arbeitgeber mittels Weisungsgebundenheit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0197, mwN). Aus den zitierten Feststellungen durfte die belangte Behörde die Ausübung einer Beschäftigung, die nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausgeübt werden dürfen, ableiten. Dies kann durchaus eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG darstellen, auch wenn ein "Betreten" des Fremden im Sinn des § 36 Abs. 2 Z 8 FrG nicht angenommen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2004, Zlen. 2001/21/0197, 0198). Wegen des großen öffentlichen Interesses an der Unterbindung von "Schwarzarbeit" (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 2002, Zl. 2002/21/0058) und wegen des hohen Stellenwerts, der den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt (vgl. dazu das bereits zitierte Erkenntnis vom 23. November 2004), hegt der Gerichtshof keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass die Prognose nach § 36 Abs. 1 FrG zu Lasten des Beschwerdeführers zu treffen sei. Daran vermag ein im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides damals absehbarer Beitritt der Republik Polen zu den Europäischen Gemeinschaften nichts zu ändern, zumal Österreich für eine Übergangsfrist von maximal sieben Jahren - also über die Dauer des Aufenthaltsverbotes hinaus - noch keine vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit für polnische Staatsangehörige verwirklicht hat (vgl. Windisch-Graetz in Mayer (Hrsg), EU- und EG-Vertrag, Art. 39 EGV Rz. 30). Dieses Aufenthaltsverbot ist durch den nachfolgenden Beitritt Polens auch nicht gegenstandslos geworden.

Ein relevanter, mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wurde nicht behauptet und ist auch nicht aktenkundig, weshalb eine Beurteilung nach § 37 FrG unterbleiben konnte. Weiters zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zur Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch zu machen.

Letztlich wendet sich die Beschwerde gegen die Dauer des Aufenthaltsverbotes. Gemäß § 39 Abs. 2 FrG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Es ist kein Grund für die Annahme ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes früher als nach fünf Jahren weggefallen sein werden.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Ein Fall des § 125 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG liegt nicht vor; diese Bestimmung zielt im Gegensatz zu § 65 Abs. 1 FPG (Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes) auf die Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 25. April 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003210032.X00

Im RIS seit

24.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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