TE Vfgh Erkenntnis 2002/2/26 B107/01

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Veröffentlicht am 26.02.2002
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Aufhebung des Bescheides im Anlaßfall nach Aufhebung einer Wortfolge in §6 Abs1 BundesvergabeG 1997 idF BGBl I 80/1999 mit E v 26.02.02, G351/01 ua, wegen Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit insgesamt € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid des Bundesvergabeamtes (BVA), mit dem ein Nachprüfungsantrag des Beschwerdeführers "gemäß §§6 Abs1 iVm 113 Abs3 BVergG mangels Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes zurückgewiesen" wird. Dem Nachprüfungsverfahren liegt ein Vergabeverfahren des Abwasserverbandes Karnische Region zugrunde, mit dem im offenen Verfahren die Baumeisterarbeiten betreffend die Kanalverlegung "ABA Gitschtal, Bauabschnitt BA 07 Weißbriach und Randgebiete" öffentlich ausgeschrieben wurden. Begründet wird die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags damit, daß die Gesamtherstellungskosten für das gegenständliche Bauvorhaben den Schwellenwert des §6 Abs1 BVergG 1997 idF BGBl. I 80/1999 in der Höhe von 5 Millionen € nicht erreichen würden und der in Rede stehende Bauabschnitt mangels funktionalen und technischen Zusammenhangs mit den anderen Bauabschnitten auch nicht als einzelnes Baulos (§6 Abs2 BVergG) eines größeren Bauvorhabens angesehen werden könne.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gerügt und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt.

2. Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

Der auftraggebende Abwasserverband hat eine als Gegenschrift bezeichnete Äußerung erstattet, in der er den Beschwerdebehauptungen entgegentrat und beantragte, der Beschwerde "keine Folge zu geben und den Beschwerdeführer in den Kostenersatz zu verfällen".

3. Unter anderem aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. November 2001 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit mehrerer Wortfolgen des BVergG - unter anderem der Wortfolge "dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 5 Millionen Euro beträgt" in §6 Abs1 BVergG 1997 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I 80/1999 - ein.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G351-355/01, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Wortfolge des §6 Abs1 BVergG mit Fristsetzung 31. August 2002 als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

Die Entscheidung des BVA, mit der es sich für unzuständig erklärte, über den vom Beschwerdeführer gestellten Nachprüfungsantrag zu befinden, gründet sich auf die mit dem genannten Erkenntnis aufgehobene Wortfolge in §6 Abs1 BVergG.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann verletzt, wenn diese ihre gesetzliche Zuständigkeit nicht in Anspruch nimmt. Da die als verfassungswidrig qualifizierte Wortfolge in §6 Abs1 BVergG gemäß Art140 Abs7 B-VG im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden ist und deshalb einer meritorischen Entscheidung des BVA nicht mehr im Wege steht, verletzt der angefochtene Zurückweisungsbescheid das Recht des Beschwerdeführers auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-, sowie eine Eingabegebühr in der Höhe von € 181,68 enthalten.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B107.2001

Dokumentnummer

JFT_09979774_01B00107_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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