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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Aufhebung des Bescheides im Anlaßfall nach Aufhebung des §5 Abs1 lita Tir VergabeG 1998 mit E v 26.02.02, G350/01, wegen Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge Verweigerung einer Sachentscheidung zu Unrecht.Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft richtete mit Eingabe vom 6. Juli 2001 an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol (im folgenden: UVS) einen Antrag auf Nichtigerklärung einer Auftraggeberentscheidung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend ein von einer Tiroler Gemeinde im offenen Verfahren ausgeschriebenes Bauvorhaben, nämlich die Errichtung einer zweigeschoßigen Tiefgarage.
2. Mit Bescheid vom 12. Juli 2001 wies der UVS diesen Antrag - gestützt auf §5 des Tiroler Vergabegesetzes (Tir. VergG) 1998, LGBl. 17, idF LGBl. 76/1999, iVm §6 Abs1 des Bundesvergabegesetzes (BVergG) 1997 - zurück, weil der antragsgegenständliche Bauauftrag den in §6 Abs1 BVergG 1997 festgelegten Schwellenwert von € 5 Mio bei weitem nicht erreiche und der UVS daher mangels Erreichen dieses Schwellenwertes sachlich zur Behandlung des gestellten Nachprüfungsantrages unzuständig sei. (Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde im Hinblick darauf keiner gesonderten Erledigung zugeführt, daß der UVS seine Entscheidung über die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags innerhalb der für die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vorgesehenen Entscheidungsfrist von einer Woche getroffen habe.)
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK insbesondere wegen Anwendung eines für verfassungswidrig erachteten Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und, ohne auf das Beschwerdevorbringen einzugehen, die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. November 2001 von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §5 Abs1 lita Tir. VergG 1998 idF LGBl. 76/1999 ein, durch den - in Form der Verweisung auf das 1. Hauptstück des 1. Teiles (§§1-10) des BVergG 1997 idF BGBl. I 120/1999 - die gesetzliche Regelung des Vergabeverfahrens und des vergabespezifischen Rechtsschutzes für die Vergabe von u.a. Bauaufträgen auf Aufträge beschränkt wird, deren geschätztes Auftragsvolumen diesen Betrag übersteigt, ein.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G350/01, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
III. Die Beschwerde ist begründet:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann verletzt, wenn diese in gesetzwidriger Weise ihre gesetzliche Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 13.280/1992 und VfGH 30.11.2000, B4773/96).
Der vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfte Bescheid des UVS, mit dem er sich für unzuständig erklärte, über den von der beschwerdeführenden Gesellschaft gestellten Nachprüfungsantrag zu befinden, gründet sich auf die mit dem unter Pkt. II. genannten Erkenntnis aufgehobene Bestimmung des §5 Abs1 lita Tir. VergG.
Da diese Bestimmung gemäß Art140 Abs7 B-VG im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden ist, sohin u.a. die Vergabe von Bauaufträgen durch öffentliche Aufftraggeber (darunter die Gemeinden in Tirol) unabhängig von der Höhe des (geschätzten) Auftragswertes unter den sachlichen Geltungsbereich des Tir. VergG 1998 fällt und damit der Nachprüfung durch den UVS unterliegt und da es sich im vorliegenden Fall unzweifelhaft um einen Bauauftrag im Sinne des §1 Tir. VergG handelt, hat dieser der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des der beschwerdeführenden Gesellschaft verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- und eine Eingabegebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 181,68 enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1128.2001Dokumentnummer
JFT_09979774_01B01128_00