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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des I in S, vertreten durch Dr. Anton Ullmann, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 4. Jänner 2006, Zl. P829827/5-PersC/2005, betreffend Übergenuss nach dem Heeresgebührengesetz 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem hg. Erkenntnis vom 29. September 2005, Zl. 2003/11/0164, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 13. Februar 2003, mit dem der Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß § 55 Heeresgebührengesetz 2001 (HGG 2001) zur Zahlung eines zu Unrecht bezogenen Geldbetrages (Übergenuss) in Höhe von EUR 18.590,20 verpflichtet worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Beantwortung der Frage, ob der genannte Betrag zu Unrecht empfangen wurde, davon abhängt, ob der Beschwerdeführer am 10. Jänner 2002 rechtswirksam wegen Dienstunfähigkeit vom Wehrdienst entlassen wurde, was im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 Wehrgesetz 2001 (WG 2001) die Zustimmung des Beschwerdeführers erforderte.
Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 4. Jänner 2006 wurde dem Beschwerdeführer neuerlich im Instanzenzug gemäß § 55 HGG 2001 vorgeschrieben, den zu Unrecht bezogenen Betrag von EUR 18.590,20 zu ersetzen. In der Begründung dieses Bescheides gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass ein Fall des § 30 Abs. 3 WG 2001 nicht vorliege, weil die Ursache der Gesundheitsschädigung, die die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers bewirkt habe, nicht in den der Wehrdienstleistung eigentümlichen Verhältnissen im Sinne des § 30 Abs. 4 WG 2001 gelegen sei. Die Sanitätsanstalt beim Militärkommando Salzburg habe am 8. Jänner 2002 auf Grund eines Bandscheibenvorfalls des Beschwerdeführers dessen Entlassung aus dem Präsenzdienst empfohlen. Der Truppenarzt habe anschließend im militärärztlichen Gutachten vom 10. Jänner 2002 als Bezeichnung der die Dienstunfähigkeit verursachenden Gesundheitsschädigung die Diagnose "Bandscheibenschaden lumbal mit Radikulopathie" angegeben. Da der Beschwerdeführer schon kurz nach Antritt seines Grundwehrdienstes über "häufige Rückenschmerzen" geklagt habe, sei nach Ansicht der belangten Behörde von einer "Vorschädigung" auszugehen, sodass sich die Wirksamkeit der vorzeitigen Entlassung aus dem Wehrdienst nicht nach § 30 Abs. 3 WG 2001, sondern nach § 30 Abs. 1 leg. cit. bestimme. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, dass die den Bandscheibenvorfall "auslösende Belastung gering und keineswegs typisch für den militärischen Dienstbetrieb sein musste", was die Annahme rechtfertige, es wäre auch bei jeder anderen Berufsausübung zum gegebenen Zeitpunkt zu einem Bandscheibenvorfall gekommen.
Ausgehend davon, dass die vorzeitige Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Wehrdienst gemäß § 30 Abs. 1 WG 2001 am 10. Jänner 2002 rechtswirksam geworden sei, meinte die belangte Behörde mit Bezug auf die weiteren Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 HGG 2001, der Beschwerdeführer habe beim Bezug des zu ersetzenden Geldbetrages nicht im guten Glauben gehandelt. Schließlich wies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf hin, dass die Gewährung des Parteiengehörs habe unterbleiben können, weil u. a. das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid "volle Berücksichtigung fand".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerde, dass er mit Wirksamkeit vom 10. Jänner 2002 vorzeitig aus dem Wehrdienst entlassen worden sei. Diese Ansicht ist aus folgenden Gründen zutreffend:
Mit dem mit der Beschwerde vorgelegten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. Oktober 2003 hat die Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten die Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers "gemäß § 2 Heeresversorgungsgesetz ... als Dienstbeschädigung anerkannt". Begründet wurde dieser Bescheid damit, dass die Ursache der Bandscheibenschädigung des Beschwerdeführers zwar nicht beim Bundesheer zu suchen sei, dass aber die Tätigkeit beim Bundesheer eindeutig der Anlass für die Beschwerdesymptomatik gewesen sei. An diesen rechtskräftigen Bescheid der Bundesberufungskommission war die belangte Behörde bei der Beurteilung der Vorfrage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 3 WG 2001 erfüllt sind, gebunden, weil die Wirksamkeit einer vorzeitigen Entlassung aus dem Wehrdienst wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 30 Abs. 3 Z 2 WG 2001 von derselben Frage abhängig ist wie die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung gemäß § 2 Abs. 1 Heeresversorgungsgesetz, nämlich ob die Gesundheitsschädigung in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Wehrdienstleistung steht.
Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, die erstmalige Vorlage des Bescheides vom 20. Oktober 2003 mit der Beschwerde verstoße gegen das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, so ist ihr - abgesehen davon, dass ihr der genannte Bescheid nach seiner Zustellverfügung zugestellt wurde - entgegen zu halten, dass sie dem Beschwerdeführer, worauf sie im angefochtenen Bescheid selbst hinwies, kein Parteiengehör gewährt hat.
Gemäß § 30 Abs. 3 Wehrgesetz 2001 wäre die vorzeitige Entlassung wegen Dienstunfähigkeit im vorliegenden Fall daher nur mit der Zustimmung des Beschwerdeführers wirksam geworden. Das Vorliegen dieser Zustimmung wird im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt und vom Beschwerdeführer bestritten.
Die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei am 10. Jänner 2002 rechtswirksam aus dem Wehrdienst entlassen worden, erweist sich daher als verfehlt. Schon deshalb stellen die vom Beschwerdeführer nach diesem Zeitpunkt bezogenen Geldleistungen im genannten Ausmaß keinen Übergenuss im Sinne des § 55 Abs. 1 HGG 2001 dar. Bei diesem Ergebnis bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der in der Beschwerde bekämpften Ansicht, der Beschwerdeführer habe die Geldleistungen im genannten Umfang nicht im guten Glauben im Sinne der letztgenannten Gesetzesbestimmung bezogen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. April 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006110033.X00Im RIS seit
21.06.2006