TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/25 2004/06/0195

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Veröffentlicht am 25.04.2006
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §31 Abs3;
BauG Vlbg 1972 §52;
BauG Vlbg 2001 §40 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der HS, 2. des CC, 3. der AH, 4. des GNund 5. des AE, alle in L, alle vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 21. November 2003, Zl. BHBL-I-4102.13-2003/0003, betreffend baupolizeilichen Auftrag gemäß § 40 Abs. 3 Vbg. BauG (mitbeteiligte Partei: Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern je zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. November 1982 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Schischule L zur Errichtung eines Schischulbüros auf dem Grundstück 122/2, KG L., die Baubewilligung "nach Maßgabe des festgestellten Sachverhaltes für die Dauer von entsprechenden privatrechtlichen Übereinkommen über die Grundinanspruchnahme". In der Begründung dieses Bescheides ist ausgeführt, dass das Baugrundstück im Eigentum des G.S. (der verstorbene Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer im Eigentum an dem verfahrensgegenständlichen Grundstück) stehe, der bis auf Widerruf gegen die erfolgte Errichtung dieses Gebäudes keinen Einwand erhebe.

Mit Schreiben vom 21. November 2001 teilte die Schischule L der mitbeteiligten Gemeinde schriftlich mit, dass das Mietverhältnis zwischen den Beschwerdeführern als Grundbesitzern und der Schischule mit 31. Oktober 2001 beendet worden sei und somit das bisher als Schischulbüro genutzte Gebäude auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück nicht mehr als solches verwendet werde.

Mit an die "Erbengemeinschaft S." gerichtetem Schreiben vom 3. Oktober 2002 teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern mit, dass eine Baubewilligung für das gegenständliche Gebäude nicht mehr vorliege, da diese Bewilligung mit Bescheid des Bürgermeisters vom 26. November 1982 zeitlich befristet worden sei und ihre Gültigkeit ebenfalls für die Dauer von entsprechenden Bestandsverträgen festgesetzt worden sei. Es sei daher gemäß § 40 Abs. 3 Baugesetz 2001 (BauG) die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes zu verfügen, wozu den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen einem Monat eingeräumt werde.

Für die angesprochene Erbengemeinschaft nach G.S. teilte hierauf der Zweitbeschwerdeführer mit Schreiben vom 30. Oktober 2002 mit, dass die Hütte für den kommenden Winter an eine Alpinschule vermietet worden sei. Damit sei der Tatbestand einer privatrechtlichen Vereinbarung als Grundlage für den weiteren Bestand der Hütte gegeben.

Mit Bescheid vom 29. Jänner 2003 trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern gemäß § 40 Abs. 3 BauG die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Entfernen der auf dem Grundstück Nr. 122/2, GB L., befindlichen Schischulhütte einschließlich der Fundierung (Betonsockel) binnen drei Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides auf. In diesem Bescheid ist zwar im Betreff und in der Begründung von der Erbengemeinschaft nach G.S. die Rede, in der Zustellverfügung sind diesbezüglich aber nur die Beschwerdeführer angeführt.

Diese Entscheidung wurde insbesondere damit begründet, dass die Baubewilligung für die Schischulhütte auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück für die Dauer von entsprechenden privatrechtlichen Übereinkommen über die Grundinanspruchnahme erteilt worden sei. Diese Nebenbestimmung sei als auflösende Bedingung anzusehen, da sie das Ende der Wirksamkeit des Bescheides von einem ungewissen künftigen Ereignis, nämlich von der "Dauer von entsprechenden privatrechtlichen Übereinkommen über die Grundinanspruchnahme" abhängig mache. Mit der Auflösung des Mietverhältnisses mit der Schischule L am 31. Oktober 2001 habe daher die Baubewilligung ihre Wirksamkeit verloren. Ab diesem Zeitpunkt sei für die Schischulhütte keine Baubewilligung mehr vorgelegen.

In der Stellungnahme der Erbengemeinschaft nach G.S. vom 30. Oktober 2002 werde vorgebracht, dass die Hütte für den kommenden Winter an eine Alpinschule vermietet worden sei und somit der Tatbestand einer privatrechtlichen Vereinbarung als Grundlage für den weiteren Bestand gegeben sei. Zudem könne auch davon ausgegangen werden, dass das Bestandsrecht für die Hütte über den Zeitraum seit der Errichtung (1975) ersessen sei. Dem werde entgegengehalten, dass der Abschluss eines Mietvertrages durch die Erbengemeinschaft S. mit einer Alpinschule nicht das Wiederaufleben der erloschenen Baubewilligung bewirken könne. Das Bestandsrecht für die Schischule L sei durch den Abschluss von entsprechenden privatrechtlichen Übereinkommen über die Grundinanspruchnahme begründet worden. Für eine Ersitzung fehle daher jede rechtliche Grundlage.

Mit Bescheid vom 5. Mai 2003 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer ab (am Deckblatt der Berufung sind neben der "Erbengemeinschaft nach G... S..." die Beschwerdeführer einzeln angeführt, in der Berufung wird von den Berufungswerbern gesprochen und es wurde ausdrücklich klargestellt, dass das Verlassenschaftsverfahren nach G.S. mit der Einantwortung längst abgeschlossen sei).

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde auf Grund der Vorstellungen der Beschwerdeführer den angeführten Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurück.

Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, Erhebungen der Aufsichtsbehörde hätten ergeben, dass es eine mündliche Zusatzvereinbarung zwischen G.S. (dem früheren Grundeigentümer) und E.W. (dem Leiter der Schischule) gegeben habe, wonach das Gebäude nach spätestens 15 Jahren ins Eigentum des Grundeigentümers übergehen sollte. Es stehe daher jedenfalls fest, dass sich das Gebäude nunmehr im Miteigentum der Beschwerdeführer befinde und sich auch bereits im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in deren Eigentum befunden habe. Weder von den Beschwerdeführern noch von der Schischule würden diese Eigentumsverhältnisse in Abrede gestellt.

Dem Argument der Beschwerdeführer, beim Berufungsbescheid vom 29. Jänner 2003 handle es sich um einen Nichtakt, da dieser Bescheid an ein nicht mehr existierendes rechtliches Substrat (Erbengemeinschaft nach G.S.) gerichtet sei, hielt die belangte Behörde entgegen, dass diese Argumentation nicht nachvollziehbar sei, da zwar im Betreff und auch in der Bescheidbegründung des Berufungsbescheides der Begriff "Erbengemeinschaft nach G... S..."

verwendet werde, doch werde in der Zustellverfügung jeder einzelne Miteigentümer genannt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei es durchaus zulässig, im Bescheid (beispielsweise im Spruch) die Verpflichteten abstrakt zu bezeichnen, wobei es in diesen Fällen jeweils erforderlich sei, in der Zustellverfügung diejenigen physischen oder juristischen Personen zu benennen, auf welche sich der Spruch beziehe (Hinweis u. a. auf das hg. Erkenntnis vom 12. November 2002, Zl. 2002/05/0758). Werde im Bescheid eine Person nur abstrakt bezeichnet, komme der Zustellverfügung, in der sie dann namentlich bezeichnet sei, wesentliche Bedeutung zu, weil dadurch erst die notwendige Individualisierung bewirkt werde. Im vorliegenden Fall seien die einzelnen Miteigentümer in der Zustellverfügung genannt worden, womit auch die erforderliche Individualisierung erfolgt sei. Zudem ergebe sich aus der Begründung des Berufungsbescheides, dass mit dem Begriff "Erbengemeinschaft ..." offensichtlich alle in Frage kommenden Miteigentümer (nämlich die Beschwerdeführer) bezeichnet worden seien und nicht die "Erbengemeinschaft" Bescheidadressat gewesen sei.

Zur Argumentation der Beschwerdeführer, dass die "auflösende Bedingung" der Baubewilligung vom 26. November 1982 "für die Dauer von entsprechenden privatrechtlichen Übereinkommen über die Grundinanspruchnahme" ungültig gewesen sei und daher als nicht beigefügt zu gelten hätte, führte die belangte Behörde Folgendes aus:

Fest stehe, dass der gesamte Spruch des betreffenden Baubewilligungsbescheides in Rechtskraft erwachsen sei. Weiters bildeten Nebenbestimmungen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes infolge eines engen sachlichen Zusammenhanges mit dem Hauptinhalt des Spruches eine notwendige, nicht trennbare Einheit, weshalb auch Nebenbestimmungen den Rechtskraftwirkungen des Bescheidspruches unterlägen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 31. August 1999, Zl. 99/05/0082). Eine Rechtskraftwirkung des Bescheides sei u.a. die Unwiderrufbarkeit. Auch die in Frage stehende möglicherweise unzulässige auflösende Bedingung sei daher unwiderrufbar. Weiters ergebe sich aus dem hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 93/06/0120, dass ein in Rechtskraft erwachsener Bescheid, die erforderliche Bestimmtheit des Leistungsbefehls vorausgesetzt, taugliche Grundlage eines Vollstreckungsverfahrens sei. Die Unzulässigkeit von Nebenbestimmungen wäre im Rechtsmittelweg geltend zu machen gewesen. Die vorliegende auflösende Bedingung sei somit in Rechtskraft erwachsen und entfalte daher ihre Wirksamkeit.

Gemäß der Übergangsbestimmung des § 56 Abs. 1 BauG ergebe sich, dass für die Anordnung der Wiederherstellung des rechtsmäßigen Zustandes das "neue" BauG maßgeblich sei und daher die Bestimmungen des "neuen" Baugesetzes Anwendung fänden. Gemäß § 56 Abs. 1 BauG blieben Bewilligungen und sonstige Berechtigungen zur Ausführung von Vorhaben auf Grund der bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes geltenden Vorschriften bestehen. U.a. seien die §§ 35 bis 49 auf derartige Bauvorhaben sinngemäß anzuwenden, soweit nicht Abs. 2 zur Anwendung gelange. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Vbg. BauG 2001 ergäbe sich, dass es sich bei den zuletzt genannten Bestimmungen um solche des "neuen" Baugesetzes handelte.

Die Gemeindeinstanzen seien davon ausgegangen, dass mit 31. Oktober 2001 - dem Ende des Mietverhältnisses zwischen den Grundbesitzern (den Beschwerdeführern) und der Schischule L - die Baubewilligung erloschen sei. Sie meinten weiters, dass ein Anwendungsfall des § 40 Abs. 2 BauG 2001 vorliege und ordneten gemäß § 40 Abs. 2 BauG die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Entfernen der in Frage stehenden Schischulhütte binnen drei Monaten an, ohne vorher gemäß § 40 Abs. 1 BauG die Betroffenen aufgefordert zu haben, binnen einem Monat einen Bauantrag zu stellen. Nach Ansicht der belangten Behörde könne § 40 Abs. 2 BauG im vorliegenden Fall nicht angewendet werden, wenn man davon ausgehe, dass die rechtskräftig erteilte Baubewilligung durch Eintritt der auflösenden Bedingung erloschen sei. Das Erlöschen einer rechtskräftig erteilten Baubewilligung könne nicht so verstanden werden, dass die Baubewilligung im Sinne des § 40 Abs. 2 BauG nachträglich aufgehoben worden sei. Die Baubehörde erster Instanz hätte daher vor der Verfügung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 40 Abs. 1 BauG die betroffenen Eigentümer, die Beschwerdeführer, auffordern müssen, binnen einem Monat einen Bauantrag einzubringen. Den Beschwerdeführern sei somit die Möglichkeit genommen worden, einen Bauantrag zu stellen und so ein ordentliches Bauverfahren einzuleiten.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst bei ihm dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 6. Oktober 2004, B 17/04-4, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde auf Grund eines entsprechenden Antrages der Beschwerdeführer mit Beschluss vom 23. November 2004, B 17/04-6, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der beim Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 56 Abs. 1 Vbg. Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG), bleiben Bewilligungen und sonstige Berechtigungen zur Ausführung von Bauvorhaben auf Grund der bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes geltenden Vorschriften bestehen (Zeitpunkt des Inkrafttretens gemäß § 57 Abs. 1 leg. cit. 1. Jänner 2002).

Gemäß § 56 Abs. 1 zweiter Satz BauG kommen u.a. "die §§ 35 bis 49" auf derartige Bauvorhaben sinngemäß zur Anwendung, soweit nicht Abs. 2 zur Anwendung gelangt.

Gemäß § 56 Abs. 2 leg. cit. sind Baubewilligungs- und Bauanzeigeverfahren in Angelegenheiten dieses Gesetzes, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits eingeleitet wurden, nach den bisher geltenden Vorschriften zu beenden. Sonstige vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits eingeleitete Verfahren in Angelegenheiten dieses Gesetzes sind nach den bisher geltenden Vorschriften zu beenden, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes in erster Instanz bereits abgeschlossen sind.

Gemäß § 38 Abs. 1 lit. a BauG ist die Behörde berechtigt, jederzeit zu überprüfen, ob

"a) für ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben eine Baubewilligung und für ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben eine Berechtigung zur Ausführung vorliegen".

In § 40 Abs. 1 bis 3 BauG ist in Bezug auf die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes Folgendes angeordnet:

"Herstellung des rechtmäßigen Zustandes

(1) Ergibt eine Überprüfung nach § 38 Abs. 1 lit. a oder b einen Grund zur Beanstandung, so hat die Behörde - unabhängig von einem Vorgehen nach § 39 - den Bauherrn aufzufordern, innerhalb eines Monats

a) einen Bauantrag zu stellen, wenn das beanstandete Bauvorhaben oder der beanstandete Teil des Bauvorhabens bewilligungspflichtig ist; oder

b) eine Bauanzeige einzubringen, wenn das beanstandete Bauvorhaben oder der beanstandete Teil des Bauvorhabens anzeigepflichtig ist.

(2) Ergibt eine Überprüfung nach § 38 Abs. 1 lit. a einen Grund zur Beanstandung, weil die ursprünglich vorhandene Baubewilligung oder der Freigabebescheid nachträglich aufgehoben wurden, und besteht keine Aussicht auf nochmalige Erlangung einer Baubewilligung oder Berechtigung zur Ausführung, so ist nicht nach Abs. 1, sondern sogleich nach Abs. 3 vorzugehen.

(3) Kommt der Bauherr der Aufforderung nach Abs. 1 nicht nach oder wurde die Baubewilligung versagt bzw. erfolgte aufgrund der Bauanzeige die Untersagung, so hat die Behörde die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen einer angemessen festzusetzenden Frist zu verfügen. Falls der Bauherr nicht herangezogen werden kann, hat die Verfügung an denjenigen zu ergehen, der als Eigentümer oder als Bauberechtigter über das Bauwerk oder die sonstige Anlage verfügungsberechtigt ist; dies ist jedoch unzulässig, sofern der Eigentümer oder der Bauberechtigte nachweist, dass er dem Bauvorhaben nicht zugestimmt hat, es nicht geduldet hat und er aus ihm keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen kann."

Gemäß § 25 Abs. 3 lit. a Vbg. Baugesetz 1972, LGBl. Nr. 39 (im Folgenden: BauG 1972), war dem Bauantrag u.a. die Zustimmung des Eigentümers bzw. Bauberechtigten anzuschließen, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder bauberechtigt war.

Gemäß § 31 Abs. 3 BauG 1972 war die Baubewilligung zu erteilen, wenn das Vorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den Bestimmungen dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen sowie einem Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan nicht widerspricht und andere öffentliche Interessen, insbesondere solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Fremdenverkehrs, des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes und des Denkmalschutzes, nicht entgegenstehen.

Entsprach das Vorhaben den Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 nicht, so war gemäß § 32 Abs. 1 BauG 1972 durch Auflagen oder Bedingungen sicherzustellen, dass diese Voraussetzungen geschaffen wurden. Durch solche Auflagen oder Bedingungen durfte jedoch das Vorhaben in seinem Wesen nicht verändert werden.

Gemäß § 52 erster Satz BauG 1972 betreffend die dingliche Bescheidwirkung kam allen Bescheiden nach diesem Gesetz - ausgenommen jenen nach § 55 - insofern eine dingliche Wirkung zu, als daraus erwachsene Rechte auch vom Rechtsnachfolger in die nach § 25 Abs. 3 lit. a BauG 1972 nachgewiesenen Rechte geltend gemacht werden können und daraus erwachsene Pflichten auch von diesem Rechtsnachfolger zu erfüllen sind.

Die Beschwerdeführer sind auf Grund der vom Bezirksgericht B am 17. November 1992 ausgesprochenen Einantwortung in den Nachlass ihres am 12. Juli 1996 verstorbenen Ehemannes bzw. Vaters Miteigentümer an dem verfahrensgegenständlichen Grundstück.

Die Beschwerde ist den Beschwerdeführern zuzurechnen, auch wenn auf dem Deckblatt der Beschwerde neben den einzeln angeführten Namen der Beschwerdeführer die Erbengemeinschaft nach G.S. genannt ist. Dies ist vor allem daraus abzuleiten, dass in der Beschwerde von den Beschwerdeführern die Rede ist und nicht von der Beschwerdeführerin (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 30. April 2003, Zl. 2001/03/0055). Auch der angefochtene Bescheid richtete sich - wie die gemeindebehördlichen Bescheide - an die Beschwerdeführer.

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass der Berufungsbescheid zwar gemäß dem Spruch des angefochtenen Bescheides aufgehoben worden sei, in der Begründung verwerfe er aber entscheidende Verfahrensstandpunkte der Beschwerdeführer, dass die Baubewilligung für die Schischulhütte nicht erloschen sei, die ihnen zustehe. Aus dem angefochtenen Bescheid ergebe sich nun, dass die Beschwerdeführer entgegen ihrem Rechtsstandpunkt nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung für ihre Schihütte ansuchen müssten.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der Beschwerdeführer, dass von den die vorliegende Aufhebung jedenfalls tragenden Gründen nicht nur die Ansicht der belangten Behörde umfasst ist, dass gemäß § 40 Abs. 1 i.V.m. § 40 Abs. 3 BauG den Beschwerdeführern die Möglichkeit einzuräumen gewesen wäre, einen Bauantrag zu stellen, sondern auch die Ansicht, die in Frage stehende Baubewilligung aus dem Jahre 1982 sei erloschen. Die Beschwerdeführer können durch die die Aufhebung tragenden Gründe in ihren Rechten verletzt sein.

Die Beschwerdeführer führen weiters aus, dass die Schischule L, als sie die Baubewilligung beantragt habe, im Ort ein Monopol als Schischule gehabt habe. Inzwischen existiere auch ein "A-Center L", das zwar keinen flächendeckenden Schischulbetrieb anbiete, dafür aber spezielle Angebotsnischen im Bereich der Schilehrertätigkeiten bediene und damit zur touristischen Infrastruktur von L Wichtiges beitrage. Im A-Center L seien Fachkräfte tätig, die über alle erforderlichen Bewilligungen als Schilehrer und Bergführer verfügten, jedoch dem bisherigen Monopolisten der Schischule L ein Dorn im Auge seien, denn obwohl die Schischule L aus dem Vollen schöpfen könne, möchte sie nicht einmal eine Nischenkonkurrenz dulden. Das Verhalten der mitbeteiligten Gemeinde werde nicht objektiver durch den Umstand, dass der Leiter der Schischule als größter Arbeitgeberin im Ort gleichzeitig Vizebürgermeister sei und dass ein weiteres Gemeindevorstandsmitglied Geschäftsführer beim Schiliftunternehmen sei, das nunmehr die Schischule L nach dem Auszug aus der Schischulhütte beherberge.

Die zentrale Frage sei, ob die Baubewilligung bloß deshalb erloschen sei, weil statt der Schischule L nunmehr die Schi- und Bergführer des "A-Center L" die Schihütte gemietet hätten. Die Frage sei, ob eine Befristung der Baubewilligung in der fraglichen Art, die jedenfalls rechtswidrig gewesen sei, durch Rechtskraft verbindlich geworden oder auf Grund ihres diskriminierenden Inhaltes vor dem Hintergrund auch des (gemeinschaftsrechtlichen) Inländerdiskriminierungsverbotes nichtig sei. Das Baugesetz sehe vor, dass Baubescheide radiziert, also mit dem Grund und Boden verbunden seien. Die Zustimmung des Grundeigentümers zur Antragstellung nach dem Baugesetz gewährleiste, dass die zivilrechtlichen Verhältnisse vorab geklärt werden müssten. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) habe im Urteil Ciola vom 29. April 1999, Rs C-224/97, eine gemeinschaftsrechtswidrig diskriminierende Bescheidbedingung ausdrücklich trotz Rechtskraft des Bescheides für nichtig erklärt. Im gleichen Sinne sei auch im vorliegenden Fall von der Nichtigkeit der klar - zwischen der Schischule L und gleichartigen Mitbewerbern - diskriminierenden Befristung auszugehen.

Gehe man aber davon aus, dass tatsächlich eine Befristung im angefochtenen Bescheid enthalten sei, sei in dieser Befristung "... für die Dauer von entsprechenden privatrechtlichen Übereinkommen über die Grundinanspruchnahme ...", mit keinem Wort die Rede davon, dass die privatrechtlichen Übereinkommen unbedingt mit der Schischule L geschlossen sein müssten. Die Schischulhütte sei derzeit an das A-Center L in Bestand gegeben, also an einen einschlägigen Mitbewerber der Schischule L. Nur deshalb die Baubewilligung für beendet zu erklären, weil nunmehr nicht mehr die Schischule L selbst, sondern andere vom Geschäftsfeld her zudem durchaus gleichwertige Gewerbetreibende die Schischulhütte nützten, begründe eine Diskriminierung und sei daher rechtswidrig.

Diesem Vorbringen der Beschwerdeführer kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Der Ansicht der belangten Behörde, dass die angeführte Baubewilligung aus dem Jahre 1982 im Hinblick auf die dort normierte Bedingung erloschen sei, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Mit Baubewilligungsbescheid vom 26. November 1982 wurde der Schischule L die Errichtung eines Schischulbüros auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück "nach Maßgabe des festgestellten Sachverhaltes für die Dauer von entsprechenden privatrechtlichen Übereinkommen über die Grundinanspruchnahme" erteilt. Mit dieser Anordnung wurde die entsprechende zivilrechtliche Verfügungsbefugnis der Skischule L als Bauwerber, der nicht Eigentümer des Grundstückes und auch nicht bauberechtigt war, über das im BauG 1972 verankerte Erfordernis der Zustimmung des Eigentümers bzw. Bauberechtigten hinaus sichergestellt.

Eine rechtliche Beurteilung des Inhaltes eines rechtskräftigen Bescheides hat - vor dem Hintergrund der jeweils in Betracht kommenden Rechtsvorschriften - so zu geschehen, dass dem Bescheid - im Zweifel - kein rechtswidriger Inhalt unterstellt werden darf. Ist daher nach dem Wortlaut sowohl ein solches Verständnis des Bescheides möglich, welches ihm einen gesetzwidrigen Inhalt unterstellt, als auch ein solches Verständnis, welches seinen Inhalt als gesetzeskonform (oder doch als minder gesetzwidrig) erscheinen ließe, so ist der letztgenannten Auslegung der Vorzug zu geben (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 93/06/0120). Die Worte, dass die Baubewilligung für die Errichtung der Schischulhütte "für die Dauer von entsprechenden privatrechtlichen Übereinkommen über die Grundinanspruchnahme" erteilt werde, so zu deuten, dass damit nur eine privatrechtliche Vereinbarung mit der Schischule L, dem ursprünglichen Bauwerber, gemeint war, widerspräche dem § 52 BauG 1972 über die dingliche Wirkung von Bescheiden nach diesem Gesetz. Die Baubewilligung vom 26. November 1982 lässt in rechtmäßiger Weise auch die Deutung zu, dass die Rechte des ursprünglichen Bauwerbers aus der Baubewilligung, nach dessen Beendigung des Übereinkommens mit dem Grundeigentümer oder den Grundeigentümern über die Grundinanspruchnahme, auf den oder die Grundeigentümer übergehen, der allerdings dafür Sorge zu tragen hat, dass die Hütte dem bewilligten Zweck entsprechend verwendet wird. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht das Erlöschen der angeführten Baubewilligung angenommen.

Da der angefochtene Bescheid aus dem dargelegten Grund bereits wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war, musste auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen werden.

Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. April 2006

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004060195.X00

Im RIS seit

30.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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