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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des derzeit in Serbien aufhältigen N, vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Dr. Nikolaus Schertler und Mag. Nicolas Stieger, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 21. Mai 2004, Zl. Fr-4250a-81/96, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 23. August 1996 war gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm § 21 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1992, BGBl. Nr. 838, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieser Bescheid war damit begründet worden, dass der Beschwerdeführer wie folgt gerichtlich rechtskräftig verurteilt worden sei:
"1.) Mit Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 4.7.1990 wegen des Vergehens nach § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Ziff. 1) StGB, wobei er unter Vorbehalt einer Strafe schuldig gesprochen wurde,
2.) mit Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 12.9.1991 wegen des Vergehens nach § 125 StGB zu einer bedingten Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,--,
3.) mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 6.10.1992 wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 und 2 SGG sowie wegen des Vergehens nach den §§ 127, 129 Ziff. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten,
4.) mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27.6.1995 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 sowie des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten."
In dem das Aufenthaltsverbot aussprechenden Bescheid war weiters davon ausgegangen worden, dass der Beschwerdeführer im Alter von acht Jahren nach Österreich gekommen sei, hier die Schule besucht und anschließend gearbeitet habe. Er habe zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder, die sich ebenfalls seit Jahren in Österreich aufhielten, im gemeinsamen Haushalt gelebt. In diesem Haushalt befänden sich seit zwei Jahren (bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides) noch seine Lebensgefährtin sowie das gemeinsame, (damals) elf Monate alte Kind.
Eine gegen diesen Bescheid vom 23. August 1996 erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 5. November 1999, Zl. 96/21/0826, als unbegründet abgewiesen, wobei zu Einzelheiten auf die Begründung des genannten Erkenntnisses verwiesen wird.
Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 21. Mai 2004 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Februar 2004 auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer vor allem auf Grund der Verurteilung wegen Suchtgifthandels (noch immer) eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie für die Gesundheit anderer darstelle.
Es sei nunmehr zu prüfen, ob sich die gegeneinander abgewogenen öffentlichen Interessen einerseits und die privaten und familiären Interessen andererseits seit Verhängung des Aufenthaltsverbotes geändert hätten. Die Behörde erster Instanz habe festgestellt, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich seine damalige Lebensgefährtin geheiratet habe und am 30. November 1999 ein zweites Kind geboren worden sei. Seine Ehegattin sei jedoch mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. November 1995 wegen Verbrechens nach dem Suchtgiftgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden.
Der Beschwerdeführer habe sich nach seiner Haftentlassung im November 1997 nicht wohlverhalten. Er sei nämlich nach Rechtskraft seines Aufenthaltsverbotes der hieraus folgenden zwingenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sondern habe sich weiterhin, zumindest seit dem 6. November 1999, rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten. Über ihn sei daher (gemäß § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG) mit Straferkenntnis vom 13. Dezember 1999 (richtig: vom 29. November 1999, zugestellt am 13. Dezember 1999) eine Geldstrafe von S 500,-- (rechtskräftig) verhängt worden. Dies zeige, dass der Beschwerdeführer nach wie vor nicht bestrebt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, sodass weiterhin die in § 36 Abs. 1 FrG angeführte Gefährlichkeitsprognose getroffen werden müsse.
Da der relevante Eingriff in sein Privat- und Familienleben bereits zur Zeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Wesentlichen berücksichtigt worden sei, komme dessen Aufhebung gemäß § 44 FrG nicht in Betracht. Infolge aufrechten Bestehens eines Aufenthaltsverbotes zur Zeit seiner Eheschließung (am 8. Oktober 1999) habe er von vornherein nicht mit der Erlangung der Berechtigung zu einem längeren Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen können. Beim Verbrechen des Suchtgifthandels wäre die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes selbst bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden auf Grund der hohen Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten nicht rechtswidrig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 FrG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumte Ermessen zu üben. Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 2002, Zl. 2000/21/0070, und vom 23. September 2004, Zl. 2001/21/0170, jeweils mwN).
Das tatbildliche Verhalten, dessentwegen über den Beschwerdeführer zuletzt (mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. Juni 1995) eine 18-monatige Freiheitsstrafe verhängt wurde, hat nach der Aktenlage im Umfang des § 12 Abs. 1 SGG im Dezember 1993, im Umfang des § 16 Abs. 1 SGG im April 1995 geendet.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer danach noch strafrechtlich in Erscheinung getreten wäre oder dass er seinen früheren - aus dem letztgenannten Strafurteil hervorgehenden - Missbrauch von Suchtgift bzw. den ebenfalls aktenkundigen übermäßigen Konsum von Alkohol, der zu Verwaltungsstrafen (insbesondere) wegen Übertretung der §§ 5 und 99 Abs. 1 StVO geführt hatte, fortgesetzt hätte.
Der demnach erheblich geminderten Gefährlichkeit des Beschwerdeführers steht gegenüber, dass er am 8. Oktober 1999 seine frühere Lebensgefährtin geheiratet hat und am 30. November 1999 zum zweiten Mal Vater wurde. Davon ausgehend muss die Beurteilung nach § 37 FrG aber zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen, zumal die Bestrafung wegen Übertretung des § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG am 29. November 1999 insofern nur marginal ins Gewicht fällt, als sie sich jedenfalls partiell auf einen Zeitraum bezog, zu dem dem Beschwerdeführer auf Grund der seiner zur hg. Zl. 96/21/0826 protokollierten Beschwerde zuerkannten aufschiebenden Wirkung bei richtiger Betrachtung der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet nicht zum Vorwurf gemacht werden durfte.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer kam, weil diese im angesprochenen Pauschbetrag bereits enthalten ist, nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 2005, Zl. 2005/21/0212).
Wien, am 25. April 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004210169.X00Im RIS seit
25.05.2006