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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Mag. B in V, vertreten durch Dr. Gisela Possnig-Fuchs, Dr. Peter Wasserbauer und Dr. Michael Maurer, Rechtsanwälte in 8160 Weiz, Lederergasse 10/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. Juni 2001, Zl. 04-15/488- 2001/8, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: H in V, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hartenaugasse 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 28. April 1999 wurde auf Antrag der mitbeteiligten Partei festgestellt, dass es sich bei der Betriebsanlage auf dem näher bezeichneten Standort um eine solche gemäß § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 handle, und festgehalten, dass dieser Bescheid gemäß § 359b Abs. 1 letzter Satz GewO 1994 nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektunterlagen als Genehmigungsbescheid für die Anlage gelte.
Über Antrag des Beschwerdeführers hat die Bezirkshauptmannschaft Hartberg mit Bescheid vom 17. Jänner 2001 gemäß § 79 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 eine zusätzliche Auflage vorgeschrieben.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid
wurde wie folgt abgesprochen:
"Spruch
Aus Anlass der Berufung des Herrn Mag. B vom 01. Februar 2001 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Hartberg vom 17. Jänner 2001, GZ.: 4.1-73/99, wird dieser gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 in Verbindung mit §§ 79 und 359b GewO 1994, jeweils i. d.g.F., insofern
abgeändert,
als die Betriebsbeschreibung des bekämpften Bescheides
folgenden Zusatz erhält:
'Zum Betrieb der Betriebsanlage gelangt folgende
Musikanlage zum Einsatz:
1 Tuner, Marke Technics, Type SA-AK 530
1 Verstärker für den Schankraum, Type USA 900 QSC
1 Videogerät, Marke Grundig
1 Mischpult, Type Tunex, Compact-Stereo-Mixer; dieses Mischpult
wird jedoch aus Reparaturgründen ausgetauscht.
Im Schankraum sind 4 Lautsprecherboxen an den Wänden der Type Controll UBL sowie ein Basslautsprecher RCF aufgestellt. Diese funktionieren nach dem Satellitensystem. Weiters sind im Extrazimmer 2 Lautsprecher derselben Type an den Wänden montiert. Es ergibt sich eine Gesamtleistung bei der Endstufe der Musikanlage von 900 Watt. Dieselbe Leistung ist auch auf die Lautsprecher insgesamt übertragbar, sodass grundsätzlich von einer maximalen Musikleistung von 900 Watt ausgegangen werden kann.'
Kosten
..."
In der Begründung dieses Bescheides wird primär dargelegt, dass die in zweiter Instanz erfolgte Messung und die Berechnung am Immissionsort dem Ergebnis im lärmtechnischen Gutachten der ersten Instanz entspreche (und daher das medizinische Gutachten, welches in erster Instanz eingeholt worden sei, übernommen werden könne).
Hinsichtlich der Abänderung der "Betriebsbeschreibung des bekämpften Bescheides" findet sich - nach der (auch) wiedergegebenen Stellungnahme des Beschwerdeführers leiste die Anlage jedenfalls 900 Watt und entspreche es den allgemeinen Lebenserfahrungen, dass eine derartige Anlage höhere Schallemissionen als (die festgestellten) 80,5 dB, gemessen als Leq zulasse - lediglich folgender Absatz:
"Die genaue Beschreibung der im technischen Bericht vom 23. Februar 1999 angeführten Musikanlage war notwendig, da ein eventueller Austausch der Musikanlage möglicherweise mit höheren Lärmimmissionen verbunden ist. Der Vollständigkeit halber wird festgestellt, dass bei beabsichtigtem Austausch der Musikanlage um Änderung der Betriebsanlage angesucht werden muss."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht - unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes - zunächst (im Wesentlichen) geltend, dass nach der einen integrierenden Bestandteil des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 28. April 1999 bildenden Maschinen- und Geräteliste es sich bei der gegenständlichen Musikanlage um eine solche mit einer Leistung von 300 Watt handle. Dadurch, dass die Betriebsbeschreibung geändert wurde, wonach sich bei der Endstufe der Musikanlage bzw. überhaupt bei dieser eine maximale Musikleistung von 900 Watt ergebe, sei mit dem angefochtenen Bescheid eine Musikanlage mit einer maximalen Leistung von 900 Watt genehmigt worden, ohne dass eine derartige Musikanlage jemals beantragt worden sei und daher Entscheidungsgrundlage für die Gewerbebehörde habe werden können; diese zumindest faktische Genehmigung einer derartigen Musikanlage - abweichend vom ursprünglichen Genehmigungsbescheid vom 28. April 1999 - sei überdies von der Behörde zweiter Instanz und sohin von einer hiefür schon gar nicht zuständigen Instanz vorgenommen worden.
Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht:
Vorweg ist festzuhalten, dass es nicht nachvollziehbar ist, wenn es im Spruch des angefochtenen Bescheides heißt, es werde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 17. Jänner 2001 insofern abgeändert, als "die Betriebsbeschreibung des bekämpften Bescheides" einen Zusatz erhalte. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 17. Jänner 2001 enthält nämlich keine Betriebsbeschreibung. Gemeint dürfte wohl eher sein, dass sich die Abänderung der Betriebsbeschreibung auf den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 28. April 1999 bezieht.
§ 79 Abs. 1 GewO 1994 - in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 115/1997 - bestimmt:
"§ 79. (1) Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde (§§ 333, 334, 335) die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, dass bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (z.B. bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm (z.B. wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen."
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 17. April 1998, Zl. 96/04/0269, ausgesprochen hat, bietet § 79 Abs. 1 GewO 1994 keine Grundlage, eine vom Genehmigungsbescheid abweichende Betriebsweise durch Vorschreibung zusätzlicher Auflagen zu regeln. Eine Deutung der von der Behörde vorgenommenen Änderung der Betriebsbeschreibung "des bekämpften Bescheides" als eine Auflagenvorschreibung verbietet sich daher.
Eine (umfassende) Ermächtigung zum Eingriff in die Rechtskraft eines Genehmigungsbescheides - nach der Anordnung des § 359b Abs. 1 GewO 1994 gilt ein im vereinfachten Verfahren ergangener Bescheid als Genehmigungsbescheid für die Anlage - enthält das Gesetz aber nicht, sondern eben nur eine solche zur Vorschreibung von Auflagen bzw. allenfalls eines - hier nicht in Frage kommenden - Sanierungskonzeptes (§ 79 Abs. 3 und 4 GewO 1994).
Die belangte Behörde belastete daher schon deshalb den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Damit brauchte auch gar nicht näher auf die Frage der Verkürzung des Instanzenzuges eingegangen zu werden.
Der Vollständigkeit halber ist nur noch darauf hinzuweisen, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf § 81 Abs. 2 Z. 7 GewO 1994 nicht gestützt hat; dies wird von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift übergangen, wenn sie nunmehr darzulegen sucht, die vorgenommene Änderung der Betriebsbeschreibung könne auf § 81 Abs. 2 Z. 7 GewO 1994 gestützt werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. März 2003, G 210/02, als verfassungswidrig aufgehoben wurde.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 26. April 2006
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2001040147.X00Im RIS seit
26.05.2006