Index
E3L E09301000;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der A GmbH NfG KEG in W, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schlögelgasse 1, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 28. Juni 2005, Zl. ABK - 160 und 161/05, betreffend Getränkesteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte mit Schreiben vom 31. März 1998 die Anträge auf Erlassung von Feststellungsbescheiden und Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Getränkesteuer für die Jahre 1995 - 1997.
Weitere solche Anträge stellte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15. Februar 1999 betreffend Getränkesteuer für das Jahr 1998 und mit Schreiben vom 19. August 1999 betreffend Getränkesteuer 1-7/1999.
Nach der im Betrieb der Beschwerdeführerin (Restaurant) durchgeführten Revision schrieb der Magistrat der Stadt Wien im Spruchpunkt I. des Bescheides vom 3. Jänner 2000 die Getränkesteuer für das Jahr 1997 mit S 51.142,-- und für das Jahr 1998 mit S 64.835,-- vor und wies im Spruchpunkt II. dieses Bescheides die Anträge auf Rückzahlung der Getränkesteuer für die Jahre 1997 und 1998 ab. Da die Getränkesteuerpflicht für die Beschwerdeführerin erst ab dem Jahre 1997 bestehe, wurde dem Antrag auf Rückzahlung der Getränkesteuer für die Jahre 1995 und 1996 "nicht nähergetreten".
Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Berufung mit dem Argument, das Wiener Getränke- und Speiseeissteuergesetz widerspreche Art. 33 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie bzw. Art. 3 Abs. 2 der "Verbrauchsteuerrichtlinie".
Mit Schreiben vom 15. Februar 2000 und 15. Februar 2001 stellte die Beschwerdeführerin die Anträge auf Erlassung von Feststellungsbescheiden und Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Getränkesteuer für die Jahre 1999 und 2000.
Der Magistrat der Stadt Wien schrieb der Beschwerdeführerin im Spruchpunkt I. des Bescheides vom 19. Juli 2002 Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke für das Jahr 1999 mit EUR 468,38 und für das Jahr 2000 mit EUR 389,82 vor, wies im Spruchpunkt II. dieses Bescheides die Anträge der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Getränkesteuer vom 19. August 1999 und 15. Februar 2000 ab und schrieb im Spruchpunkt III. dieses Bescheides "für überwälzte und bisher nicht entrichtete Getränkesteuer betreffend den Zeitraum 1999 und 2000" einen Betrag von EUR 229,72 zur Zahlung vor.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der die Anträge gestellt wurden, den bekämpften Bescheid "dahingehend abzuändern, dass den Rückzahlungsanträgen stattgegeben wird und kein Betrag an Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für den Zeitraum 1995 bis 2000 festgesetzt wird" und "den beantragten Feststellungsbescheid zu erlassen".
Nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung und dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz behob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Spruchpunkt III. des Bescheides vom 19. Juli 2002, schrieb im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides für den Zeitraum März 1997 bis Dezember 2000 Getränkesteuer für alkoholische und alkoholfreie Getränke in einem Betrag von insgesamt EUR 13.711,17 vor und wies im Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides die Anträge auf Rückzahlung der Getränkesteuer vom 31. März 1998, 15. Februar 1999, 19. August 1999, 15. Februar 2000 und 15. Februar 2001 für die Jahre 1995 bis 2000 ab. Im Übrigen wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde im Wesentlichen auf das Urteil des EuGH vom 11. März 2005, Rs C-491/03, Hermann, Slg. 2000, I-02025, wonach die Erhebung der Getränkesteuer in Restaurants nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Da auf Grund der Bewirtungstätigkeit im Betrieb der Beschwerdeführerin ein Guthaben aus einer Minderfestsetzung nicht habe entstehen können, sei eine Rückzahlung der Getränkesteuer nicht vorzunehmen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nullfestsetzung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke und aliquote oder vollständige Rückzahlung der Getränkesteuer wegen nicht erfolgter wirtschaftlicher Überwälzung an die Letztverbraucher sowie "auf Durchführung eines einwandfreien Verfahrens, insbesondere einer dem Gesetz entsprechenden Erhebung des Sachverhaltes sowie einer den Denkgesetzen entsprechenden Anwendung von Beweisen" verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auf das Urteil des EuGH vom 10. März 2005, Rs C-491/03, Hermann, Slg. 2005, I-02025. Punkt 1. des Tenors dieses Urteils lautet:
"Eine Steuer, die auf die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben wird, ist als eine Steuer auf Dienstleistungen, die keine umsatzbezogene Steuer ist, im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von
Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren anzusehen."
In den Entscheidungsgründen dieses Urteils (Randnrn. 18. bis 30.) heißt es:
"18. Zu der Frage, ob die mit der GetrStS (Satzung über die Erhebung einer Getränkesteuer im Gebiet der Stadt Frankfurt) eingeführte Steuer eine Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 oder eine Steuer auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit solchen Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 ist, vertritt die Stadt Frankfurt die Auffassung, dass die erbrachten Dienstleistungen der überwiegende Bestandteil des aufgrund der GetrStS besteuerten Umsatzes seien. Für den Gastwirt spielten nämlich die Kosten des Getränkes als solches im Vergleich zu den mit dem Servieren des Getränkes verbundenen Dienstleistungskosten nur eine untergeordnete Rolle. Somit falle die Steuer in den Anwendungsbereich des Artikels 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12.
19. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften weist darauf hin, dass bei der Frage, ob ein Vorgang eine Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung darstelle, sein prägender Schwerpunkt zu berücksichtigen sei. Sie bezieht sich dafür auf das Urteil vom 2. Mai 1996 in der Rechtssache C-231/94 (Faaborg-Gelting Linien, Slg. 1996, I-2395, Randnrn. 12 bis 14). Beim Verkauf alkoholischer Getränke in Bars, Cafes und Restaurants sei der Anteil der vom Wirt erbrachten Dienstleistungen im Rahmen des gesamten gewerblichen Umsatzes weniger bedeutend. Diese Dienstleistungen bestünden im Wesentlichen darin, dem Gast das Getränk im geeigneten Gefäß und in der angemessenen Form zu präsentieren. Anders als beim Verkauf von Speisen, deren Preis im Wesentlichen von den Kosten der Dienstleistung geprägt werde, stehe beim Getränkeverkauf der Einkaufspreis des Produktes im Vordergrund. Nach Auffassung der Kommission stellt somit die aufgrund der GetrStS erhobene Steuer eine Steuer auf die Lieferung einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 dar (vgl. Urteil EKW und Wein & Co.).
20. Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass nach § 2 GetrStS die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle den Steuertatbestand darstellt. Anders als in der Rechtssache EKW und Wein & Co., in der das nationale Gericht dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung von Artikel 3 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 92/12 im Zusammenhang mit einer Steuer auf die entgeltliche Lieferung von ... alkoholhaltigen Getränken (Urteil EKW und Wein & Co., Randnr. 18) vorgelegt hatte, erfasst der Steuertatbestand im Ausgangsverfahren nicht die bloße Lieferung solcher Getränke, sondern bezieht sich auf einen Umsatz, zu dem eine Dienstleistung gehört.
21. Um zu bestimmen, ob die mit der GetrStS erhobene Steuer verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 oder eher die Dienstleistungen betrifft, die im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von
Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie erbracht werden, ist das überwiegende Element des besteuerten Umsatzes zu berücksichtigen (vgl. analog Urteil Faaborg-Gelting Linien, Randnrn. 12 bis 14).
22. Da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen Dienstleistung, wie dem Darbieten der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw., verbunden ist, können bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäftes, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands gehört, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden sind.
23. Auch wenn die aufgrund der GetrStS erhobene Steuer an den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle und damit an ein dienstleistungsbezogenes Element anknüpft, das sich von den Vorgängen unterscheidet, die notwendig mit der Vermarktung alkoholhaltiger Getränke verbunden sind, so lässt sich doch nicht allgemein sagen, dass bei allen in den Anwendungsbereich dieser Steuer fallenden Vorgängen das Dienstleistungselement immer überwiegen wird.
24. Demnach ist für jeden besteuerten Umsatz festzustellen, welches das überwiegende Element ist.
25. Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Volkswirt Weinschänken GmbH eine Gaststätte betreibt, in der sie Speisen und Getränke serviert.
26. Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke an Kunden im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit geht mit einer Reihe von Dienstleistungen einher, die sich von den Vorgängen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung solcher Waren verbunden sind. Es handelt sich um die Zurverfügungstellung einer Infrastruktur, die einen möblierten Speisesaal mit Nebenräumen (Garderobe, Toiletten usw.) umfasst, um die Beratung und Information der Kunden hinsichtlich der servierten Getränke, um die Darbietung der Getränke in einem geeigneten Gefäß, um die Bedienung bei Tisch und schließlich um das Abdecken der Tische und die Reinigung nach dem Verzehr (vgl. in diesem Sinne Urteil Faaborg-Gelting Linien, Randnr. 13).
27. Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit ist durch ein Bündel von Elementen und Handlungen gekennzeichnet, von denen die Lieferung des Gegenstands selbst nur einen Bestandteil darstellt und bei denen die Dienstleistungen überwiegen.
28. Folglich ist eine Steuer, die in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens auf die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben wird, als eine Steuer auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12 anzusehen.
29. Schließlich ist festzustellen, dass es sich bei einer derartigen Steuer nicht um (eine) umsatzbezogene Steuer im Sinne der vorgenannten Bestimmung handelt, weil sie nur für eine bestimmte Warengruppe, nämlich alkoholhaltige Getränke, gilt (vgl. u.a. Urteile vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Slg. 1988, 1343, Randnrn. 15 und 16, EKW und Wein & Co., Randnrn. 22 und 23, und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C- 308/01, GIL Insurance u. a., noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 33 und 35).
30. Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass eine Steuer, die auf die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben wird, als eine Steuer auf Dienstleistungen, die keine umsatzsteuerbezogene Steuer ist, im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von
Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12 anzusehen ist."
Nach diesem Urteil des EuGH verstößt eine auf Dienstleistungen - und nicht auf Waren - erhobene Getränkesteuer, die keine umsatzbezogene Steuer ist, auch dann nicht gegen die Bestimmungen der Richtlinie 92/12/EWG des Rates und das Gemeinschaftsrecht, wenn bei dieser Dienstleistung alkoholhaltige Getränke entgeltlich abgegeben werden.
In den Entscheidungsgründen dieses Urteils vom 10. März 2005 hat der EuGH ausdrücklich eine Abgrenzung zwischen den dort und dem mit Urteil vom 9. März 2000, Rs C-437/97, Evangelischer Krankenhausverein Wien und Wein & Co. Handels GmbH, entschiedenen Fall vorgenommen und dabei im Urteil vom 10. März 2005 festgehalten, dass "anders als in der Rechtssache EKW und Wein & Co., in der das nationale Gericht dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung von Artikel 3 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 92/12 im Zusammenhang mit einer Steuer auf die
entgeltliche Lieferung von ... alkoholhaltigen Getränken ...
vorgelegt hatte, ... der Steuertatbestand im Ausgangsverfahren
nicht die bloße Lieferung solcher Getränke (erfasst), sondern ... sich auf einen Umsatz zu dem eine Dienstleistung gehört (bezieht)". Damit hat der EuGH sein Urteil, Rs C-437/97, Evangelischer Krankenhausverein Wien und Wein & Co. Handels GmbH, authentisch so interpretiert, dass er mit diesem Urteil nur über die nach dem Gemeinschaftsrecht gegebene Unzulässigkeit der Besteuerung der entgeltlichen "Lieferung" von alkoholhaltigen Getränken mit einer Getränkesteuer, nicht aber auch über eine Besteuerung einer Dienstleistung, nämlich eines Restaurationsumsatzes mit alkoholhaltigen Getränken, entschieden hat.
Der EuGH hat somit im Wege seines Urteils vom 10. März 2005, Rs C-491/03, Hermann, klargestellt, dass die Rechtswirkungen seines Urteils vom 9. März 2000, Rs C-437/97, Evangelischer Krankenhausverein Wien und Wein & Co. Handels GmbH, bezogen auf die im Ausgangsverfahren streitige Steuer nur die bloße Lieferung von Getränken und nicht eine Dienstleistung betreffen.
Der EuGH, der Gemeinschaftsrecht auszulegen hat, ist somit bei seinem Urteil Rs C-437/97 auf Grund des mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/16/0221, gestellten Vorabentscheidungsersuchens über die "entgeltliche Lieferung" von Getränken ausschließlich vom gemeinschaftsrechtlichen Begriffsverständnis der "Lieferung" ausgegangen (vgl. dazu und der im vorliegenden Beschwerdefall gegebenen Problemstellung die in der Literatur vertretenen unterschiedlichen Ansichten: Beiser, Die Getränkesteuer in der Gastronomie im Licht der jüngsten EuGH-Rechtsprechung, RFG 2005/21, 74 ff; Beiser/Zorn, Die Gemeinschaftsrechtskonformität der Getränkesteuer in der Gastronomie, SWK 2005, Heft 12, 578 ff; Ehrke-Rabel, Steuer auf Ausschank alkoholischer Getränke im Restaurant als Abgabe auf eine Dienstleistung?, European Law Reporter, 2005, 213 ff; Hollik, Offene Fragen zur Getränkesteuer: Umsätze von alkoholischen Getränken in Gastronomiebetrieben, Finanz-Journal, 10/2005, 303 ff; Lang, Die Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 10.3.2005, Rs C-491/03, Hermann, auf die Erhebung von Getränkesteuern in Österreich, ÖStZ 2005/22 und 2005/24, 503 ff und 548 ff; Postl/Ehgartner, Zur österreichischen Getränkesteuer nach dem EuGH-Urteil Hermann, ÖStZ 2005/15 und 2005/17, 304 ff und 373 ff; Taucher, Aktuelle Judikatur des EuGH zur Getränkesteuer, RFG, 2005/20, 68 ff und Taucher, Getränkesteuer auf Bewirtungsumsätze im Jahr 2000, RFG, 2005/35, 116 ff).
Aus dem Urteil des EuGH Rs C-491/03, Hermann, ergibt sich die Klarstellung, dass zwar die entgeltliche "Lieferung" von alkoholischen Getränken nach der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 gemeinschaftsrechtswidrig ist, die Erhebung einer Getränkesteuer auf Dienstleistungen aber nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
Artikel 3 dieser Richtlinie über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, Amtsblatt Nr. L 076, lautet:
"(1) Diese Richtlinie findet auf Gemeinschaftsebene Anwendung auf die folgenden in den einschlägigen Richtlinien definierten Waren:
-
Mineralöle,
-
Alkohol und alkoholische Getränke,
-
Tabakwaren.
(2) Auf die in Abs. 1 genannten Waren können andere indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung erhoben werden, sofern diese Steuern die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung der Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten.
(3) Die Mitgliedstaaten können Steuern auf andere als die in Abs. 1 genannten Waren einführen oder beibehalten, sofern diese Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich ziehen. Unter der gleichen Voraussetzung ist es den Mitgliedstaaten ebenfalls weiterhin freigestellt, Steuern auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, zu erheben, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt."
Es ist daher zu prüfen, ob der Besteuerung mit Getränkesteuer im Beschwerdefall eine im Begriffsverständnis des Gemeinschaftsrechts zu verstehende "Lieferung" oder "Dienstleistung" zu Grunde lag und damit aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht die Erhebung einer Getränkesteuer in der Bundeshauptstadt Wien zulässig war und weiter ob entgegen der Beschwerdebehauptung nach der nationalen Rechtslage in den Abgabenzeiträumen eine Getränkesteuer auf "Dienstleistungen" überhaupt erhoben werden konnte.
Nach Art. 2 § 14 Abs. 1 Z 7 FAG 1989, BGBl. Nr. 687/1988, waren die Abgaben vom Verbrauch von Speiseeis und von Getränken mit Ausnahme von Milch ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben.
Mit BGBl. Nr. 693/1991 wurde mit Inkrafttretedatum 1. Jänner 1992 § 14 Abs. 1 Z 7 FAG in der zitierten Fassung aufgehoben und in § 14 Abs. 2 FAG nachstehende Verfassungsbestimmung normiert:
"(2) (Verfassungsbestimmung) Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind Abgaben auf die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs, soweit die Lieferung nicht für Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt. Ausgenommen von der Besteuerung sind Lieferungen von Milch und Lieferungen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 4 Umsatzsteuergesetz, BGBl. Nr. 223 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 660/1989. § 8 Abs. 4 F-VG 1948 ist nicht anzuwenden."
Mit 1. Jänner 1992 trat das Wiener Getränkesteuergesetz 1992, LGBl. Nr. 3/1992, in Kraft. § 1 dieses Gesetzes lautet:
"§ 1. Wenn die Gemeinde eine Abgabe auf die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs ausschreibt, so gelten für diese Abgabe (kurz Getränkesteuer bezeichnet) die Bestimmungen dieses Gesetzes."
Der Wiener Gemeinderat hat auf Grund des § 15 Abs. 3 Z 2 FAG 1989 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 693/1991 die mit 1. Jänner 1992 in Kraft getretene Verordnung des Wiener Gemeinderates über die Besteuerung von Speiseeis und Getränken im Gebiet der Stadt Wien (Wiener Getränkesteuerverordnung 1992) beschlossen. § 1 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:
"§ 1
(1) Die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs unterliegt in Wien einer Steuer nach Maßgabe dieser Verordnung (Getränkesteuer), soweit die Lieferung nicht für Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt. Ausgenommen von der Besteuerung sind Lieferungen von Milch und Lieferungen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 4 Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 223, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 660/1989."
In allen diesen nationalen Vorschriften unterliegt die entgeltliche "Lieferung" von Speiseeis und Getränken der Getränkesteuer. Dieser Begriff wurde aus dem Umsatzsteuergesetz übernommen und es wurden auf dieser Grundlage - wie nach dem Umsatzsteuergesetz die Umsatzsteuer - die Getränkesteuer für die Lieferungen von Speisen und Getränken auch in Restaurants erhoben.
Nach den im Jahre 1992 geltenden Bestimmungen des UStG 1972 waren nach § 3 Abs. 1 UStG "Lieferungen" Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen und nach § 3 Abs. 9 UStG "sonstige Leistungen" Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestanden.
Ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorlag, konnte bei solchen Leistungen zweifelhaft sein, die sowohl Elemente der Lieferung als auch der sonstigen Leistung enthielten. Die Abgrenzung war in solchen Fällen nach der überwiegenden wirtschaftlichen Bedeutung des einheitlich zu betrachtenden Wirtschaftsvorganges vorzunehmen (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 3 Rz 17).
"Restaurationsumsätze", also Umsätze durch Abgabe von Getränken und Speisen in "Restaurants" waren nach der damals in Österreich (wie auch in Deutschland) herrschenden Auffassung im österreichischen Rechtsbereich "Lieferungen" (vgl. hiezu Zehetner, ÖStZ, 1996, 465; Erläuternde Bemerkungen UStG-Novelle 1996, zu § 10 Abs. 2 Z 1 lit. d UStG). Der Getränkesteuer unterlagen daher unter dem Tatbestand der "Lieferung" die Abgabe von Getränken sowohl an Letztverbraucher im Handel als auch an Gäste in "Restaurants". Die Verwaltung und die Höchstgerichte sind in Österreich von diesem Begriffsverständnis ausgegangen und haben dieses auch nach dem Beitritt Österreichs zur EU bei der Vollziehung der Umsatzsteuer und auch der Getränkesteuer aufrechterhalten.
Mit dem Urteil vom 2. Mai 1996 hat der EuGH in der Rs C- 231/94, Faaborg-Gelting Linien A/S, Slg. 1996, I-02395, entschieden:
"Restaurationsumsätze sind als Dienstleistungen im Sinne von
Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage anzusehen, als deren Ort nach Artikel 9 Abs. 1 der Richtlinie derjenige Ort gilt, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat."
Im Leitsatz dieses Urteils heißt es:
"Restaurationsumsätze, die in der Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr bestehen, stellen keine Lieferungen von Gegenständen im Sinne von Artikel 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 dar, sondern sind als Dienstleistungen im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie anzusehen. Solche Umsätze sind nämlich durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen."
In den Entscheidungsgründen dieses Urteils heißt es:
"12 Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind, richtet sich nach ihrem Wesen. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln.
13 Die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr ist das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen. Dabei wird dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit zur Verfügung gestellt, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen (Garderoben u. a.) als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst. Gegebenenfalls werden Kellner das Gedeck auflegen, den Gast beraten, die angebotenen Speisen oder Getränke erläutern, diese auftragen und schließlich nach dem Verzehr die Tische abräumen.
14 Somit ist der Restaurationsumsatz durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Er ist daher als Dienstleistung im Sinne von
Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zu betrachten. Etwas anderes gilt hingegen, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel 'zum Mitnehmen' bezieht und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen."
Dieses Urteil des EuGH war Anlass für die Änderung der bisher in Österreich vertretenen Ansicht, dass Restaurationsumsätze "Lieferungen" seien, und deswegen hat der Gesetzgeber das UStG 1994 geändert. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Abgabe von Speisen und bestimmten Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle, welche vor dem Urteil des EuGH durch § 10 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 umfasst gewesen schien, wurde in der Novelle BGBl. Nr. 756/1996 durch Einfügen des nunmehr ausdrücklichen Tatbestandes "Abgaben von in der Anlage genannten Speisen und Getränken im Rahmen einer sonstigen Leistung (Restaurationsumsätze)" als § 10 Abs. 1 Z 1 lit. d UStG 1994 aufrecht erhalten (vgl. auch die Materialien zur Regierungsvorlage, 396 BlgNR 20. GP, betreffend Novelle BGBl. Nr. 756/1996).
Mit dem FAG 1997, BGBl. Nr. 201/1996 in der Fassung BGBl. I Nr. 130/1997, erhielt § 14 Abs. 1 Z 8 FAG mit Inkrafttreten 1. Jänner 1997 folgende Fassung:
"Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind insbesondere:
Abgaben auf die Veräußerung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken, jeweils einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs, an Letztverbraucher. Veräußerungen an Letztverbraucher sind entgeltliche Lieferungen und sonstige Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, soweit die Veräußerung nicht für Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt. Ausgenommen von der Besteuerung sind Lieferungen im Sinne des § 10 Abs. 3 Z 1 UStG 1994, wenn die Verschaffung der Verfügungsmacht am Ort der Produktion erfolgt und wenn keine Beförderung und keine Versendung vorliegt, sowie die Veräußerungen von Milch."
§ 23 Abs. 3c FAG in der genannten Fassung lautet:
"Die entgeltliche Lieferung gemäß § 14 Abs. 1 Z 8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 746/1996 und gemäß § 14 Abs. 1 Z 8 des Finanzausgleichsgesetzes 1993 umfasst auch die Abgabe von Speiseeis und von Getränken zur unmittelbaren Konsumation (Restaurationsumsätze)."
Mit der Bestimmung des § 23 Abs. 3c FAG in der genannten Fassung hat der Gesetzgeber keine Erweiterung, sondern bloß eine authentische Interpretation des Begriffs der entgeltlichen Lieferung vorgenommen (vgl. den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 1999, B 1200/99-6).
Nach dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wurde der Umfang des Begriffes "Lieferung" im FAG - wegen des gemeinschaftsrechtlichen Begriffsverständnisses bei Restaurationsumsätzen - klargestellt, ohne dass eine Änderung des Wortlauts der Bestimmungen vorgenommen wurde. Der Tatbestand "entgeltliche Lieferung" in § 14 Abs. 1 Z 8 FAG umfasste bereits ab 1992 die Lieferungen und auch die sonstigen Leistungen.
Der Wiener Landesgesetzgeber hat mit Landesgesetzblatt für Wien Nr. 11/2000 und mit Inkrafttretedatum 1. Jänner 1997 die im Wiener Getränkesteuergesetz 1992 enthaltenen Ausdrücke "Lieferung" und "Lieferungen" durch "Veräußerung" und "Veräußerungen" ersetzt. Mit Verordnung des Wiener Gemeinderates, Amtsblatt vom 9. Dezember 1999, wurde eine gleiche Anpassung der Getränkesteuerverordnung vorgenommen.
Die Getränkesteuer wurde unter dem Tatbestand "Lieferung" in Österreich in Anlehnung an die Umsatzsteuer von der Änderung der Getränkesteuer von einer Verbrauchsteuer in eine Verkehrsteuer ab 1992 auch in den Fällen der Restaurationsumsätze erhoben. Weder durch den Beitritt Österreichs zur EU noch durch das Urteil des EuGH Rs C-231/94 trat eine inhaltliche Änderung dieses auf einer nationalen Vorschrift beruhenden Tatbestandes ein. Mit dem Urteil des EuGH Rs C-231/94 wurde nämlich Gemeinschaftsrecht und zwar die Richtlinie des Rates 77/388/EWG ausgelegt, nicht aber nationales österreichisches Recht. Der Umfang des Tatbestandes in den nationalen Getränkesteuergesetzen blieb durch das genannte Urteil des EuGH unberührt und unverändert.
Die Umfang des Begriffs "Lieferung" des FAG war auch der des Wiener Getränkesteuergesetzes und der Wiener Getränkesteuerverordnung, weil diese Vorschriften das Begriffsverständnis des FAG übernommen haben.
Der Begriff "Lieferung" hat im Gemeinschaftsrecht einerseits und dem FAG und den Wiener Getränkesteuervorschriften andererseits unterschiedlichen Inhalt. Dass der gleiche Begriff in verschiedenen Rechtsvorschriften unterschiedliche Inhalte haben kann, ist insbesondere dann nicht ausgeschlossen, wenn es sich um Begriffe des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts noch dazu in einer Übergangsphase nach dem Beitritt Österreichs zur EU handelt (zu unterschiedlichen Begriffsinhalten eines Begriffs selbst im Gemeinschaftsrecht vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, zu Artikel 39 EGV und zum Begriff "Arbeitnehmer"). Erst nach diesem Beitritt wurde durch das Urteil des EuGH vom 2. Mai 1996, Rs C-231/94, Klarheit über den Gemeinschaftsrechtsbegriff "Lieferung" im Zusammenhang mit Restaurationsumsätzen geschaffen, wodurch es zum Teil zu einer sukzessiven Anpassung der Begriffe der nationalen Bestimmungen an das Gemeinschaftsrecht kam.
Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass "Restaurationsumsätze" mit Getränken, d.h. die entgeltliche Abgabe von Getränken in "Restaurants", auf der Grundlage des FAG nach den nationalen Wiener Getränkesteuervorschriften ab dem Jahre 1992 bis 1996 unter den Tatbestand der "Lieferung" und ab 1. Jänner 1997 unter den Tatbestand der "Veräußerung" zu subsumieren waren. Die Erhebung der Getränkesteuer nach diesen nationalen Bestimmungen war daher auf Grund der damals in den jeweiligen Abgabenzeiträumen gegebenen Rechtslage in den Fällen der sogenannten Restaurationsumsätze zulässig.
Gemeinschaftsrechtlich waren solche "Restaurationsumsätze" nach dem Urteil Rs C-231/94 und Rs C-491/03 ab dem Beitritt Österreichs zur EU als "Dienstleistungen" und nicht als "Lieferungen" anzusehen, auf welche die Erhebung der Getränkesteuer nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstieß.
In der Beschwerde wird die Ansicht vertreten, der Besteuerungsgegenstand in der "Satzung über die Erhebung einer Getränkesteuer im Gebiet der Stadt Frankfurt", Amtsblatt der Stadt Frankfurt 1991, Nr. 52, S 1064, sei ein anderer als im Wiener Getränkesteuergesetz.
Gemäß § 2 Abs. 1 der genannten Satzung der Stadt Frankfurt ist Gegenstand der Steuer die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke mit Ausnahme des Apfelweins durch Unternehmer zum unmittelbaren Verzehr.
Als Abgabe zum unmittelbaren Verzehr gilt gemäß § 2 Abs. 3 der genannten Satzung der Stadt Frankfurt jede Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle.
Nach § 1 Wiener Getränkesteuergesetz in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Wiener Getränkesteuerverordnung 1992 unterliegen die entgeltliche "Lieferung" (Veräußerung) von Speiseeis und Getränken der Getränkesteuer.
Die Tatbestände der Satzung der Stadt Frankfurt und der Wiener Getränkesteuerbestimmungen sind nicht völlig deckungsgleich. Dies bedeutet, dass bei der Erhebung der Getränkesteuer in Frankfurt und Wien bei bestimmten gleichen Sachverhalten unterschiedliche Ergebnisse möglich waren. Vor allem aber wurden nach den Wiener Getränkesteuerbestimmungen neben den "sonstigen Leistungen" bzw. "Dienstleistungen" auch "Lieferungen" (im Sinne des Gemeinschaftsbegriffs) mit einer Getränkesteuer belastet.
Ob die Erhebung der Getränkesteuer nach dem Gemeinschaftsrecht zulässig ist, richtet sich aber nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und nicht nach den jeweiligen nationalen Vorschriften. Es ist daher zu untersuchen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ungeachtet der nationalen Regelung - nach dem vom EuGH im Bereich der Restaurationsumsätze präzisierten Gemeinschaftsrecht als "Lieferung" oder "Dienstleistung" im Sinne der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992, zu qualifizieren ist. Ob die jeweils nationale Regelung auf die entgeltliche "Abgabe", "Lieferung", "Veräußerung" von Getränken abstellt, ist dabei nicht entscheidend. Allein ausschlaggebend ist, ob der zu beurteilende Sachverhalt eine Lieferung oder aber eine Dienstleistung im Sinne der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 ist.
Im Urteil vom 2. Mai 1996, Rs C-231/94, hat der EuGH entschieden, dass bei "Restaurationsumsätzen" die Dienstleistungen "bei weitem überwiegen". In den Entscheidungsgründen hat der EuGH entsprechende Abgrenzungen zwischen "Lieferungen" und "Dienstleistungen" bei den "Restaurationsumsätzen" vorgenommen. Überwiegen in anderen Fällen als den "Restaurationsumsätzen" die Dienstleistungen nicht, dann ist im Begriffsverständnis des Gemeinschaftsrechts von einer Lieferung von Getränken auszugehen. In solchen Fällen ist die Erhebung der Getränkesteuer gemeinschaftsrechtswidrig.
Die Beschwerdeführerin behauptet, dass der EuGH im Zusammenhang mit dem Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes (hg. Beschluss vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/16/0221) in Kenntnis davon gewesen sei, dass der Evangelische Krankenhausverein Wien einen "Restaurationsbetrieb" geführt habe.
In dem genannten Beschluss wurde bei der Formulierung der vorgelegten Frage die in den Getränkesteuervorschriften normierte entgeltliche "Lieferung" von Getränken übernommen und im Sachverhalt auf Umsätze in einer in einem Krankenhaus betriebenen "Cafeteria" hingewiesen, ohne diesen Betrieb näher darzustellen. Der EuGH entschied - wie bereits ausgeführt - mit dem Urteil vom 9. März 2000, Rs C437/97, darüber , ob eine entgeltliche "Lieferung" von Getränken mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Eine solche "Lieferung" nach dem Gemeinschaftsrecht konnte dann vorliegen, wenn in dieser "Cafeteria" - was vom EuGH nicht näher zu prüfen war - keine überwiegenden Dienstleistungselemente gegeben waren. Der EuGH hat entgegen der Beschwerdebehauptung mit seinem Urteil vom 9. März 2000, Rs C-437/97, nicht über den im Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes dargestellten Sachverhalt und somit nicht über die Beurteilung der Umsätze eines "Restaurationsbetriebes" oder einer "Cafeteria" in einem Krankenhaus als "Lieferungen" oder "Dienstleistungen" entschieden, sondern Gemeinschaftsrecht ausgelegt. Ob die Umsätze in dieser "Cafeteria" als "Lieferungen" oder "Dienstleistungen" nach dem Gemeinschaftsrecht anzusehen sind, obliegt der Beurteilung der zuständigen nationalen Vollziehung.
Die Beschwerde vertritt auch die Ansicht, dass die Einbeziehung der Dienstleistungskomponente, wie z.B. das Bedienungsgeld, in die Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer wesentlich für die Qualifikation einer Dienstleistung sei. Da dies in Österreich nicht der Fall sei, liege auch deswegen keine Dienstleistung vor.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 2. Mai 1996, Rs C-231/94, die wesentlichen Merkmale dargestellt, um aus einer Gesamtbetrachtung ermitteln zu können, ob eine Dienstleistung im Sinne der Richtlinie 92/12/EWG vorliegt. Die Höhe oder auch die einzelnen Komponenten des Entgelts für die erbrachte Leistung sind dabei in dieser Darstellung der Merkmale nicht enthalten. Nach den Entscheidungsgründen des Urteils vom 2. Mai 1996, Rs C-231/94, ist die Abgabe von Getränken das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen. Dafür ist ein Gesamtpreis zu zahlen. Welche Teile dieses Gesamtpreises als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Getränkesteuer herangezogen werden, ist eine rechtspolitische Entscheidung des nationalen Gesetzgebers. Die vom nationalen Gesetzgeber normierte Bemessungsgrundlage für die Getränkesteuer lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, ob eine nach dem Gemeinschaftsrecht zu beurteilende Dienstleistung vorliegt. Es ist daher für die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung nicht entscheidend, ob "Bedienungsgeld" nach den nationalen Vorschriften Teil der Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer ist. Ist allerdings "Bedienungsgeld" ein Teil des vom Gast zu zahlenden Entgelts, dann ist dies ein besonders starkes Merkmal dafür, dass Dienstleistungen vorliegen.
Da das Vorliegen einer Dienstleistung aus einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln ist, ist in jedem Beschwerdefall für jeden besteuerten Umsatz (Rnr. 24 der Entscheidungsgründe des Urteils des EuGH vom 10. März 2005, Rs C-491/03) festzustellen, ob "Dienstleistungen" oder "Lieferungen" der Getränkebesteuerung zu Grunde lagen. Dies wird von der Beschwerde eingemahnt und als Verfahrensmangel gerügt. Die Behörde hätte - so die Beschwerdeausführungen - konkret zu ermitteln gehabt, ob und welche Komponenten im Beschwerdefall überwiegend gewesen seien.
Ungeachtet dessen, dass der Beschwerdepunkt betreffend die Verfahrensrügen nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, und schon deswegen darauf nicht näher einzugehen wäre (was aber auf Grund der Besonderheit des Beschwerdefalls hintangestellt wird), unterlässt es die Beschwerde auch die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels darzustellen. Es wird nicht einmal behauptet, dass nach der Durchführung der Ermittlungen ein anderes Ergebnis zu erwarten wäre. Überdies hat die Behörde erster Instanz in ihrer Berufungsvorentscheidung festgestellt, dass auf Grund der Gewerbeberechtigung und Betriebsführung von einer Bewirtungstätigkeit im Betrieb der Beschwerdeführerin auszugehen sei und dies blieb im Vorlageantrag unwidersprochen.
Somit verstieß die Vorschreibung der Getränkesteuer im Beschwerdefall nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Da die Vorschreibung der Getränkesteuer auch nach den nationalen Bestimmungen nicht rechtswidrig war und deswegen auch mit Recht keine Minderfestsetzung erfolgte, konnte es diesbezüglich auch zu keiner Gutschrift und zu keinem Guthaben kommen, das zurückzuzahlen gewesen wäre. Die Abweisung des Rückzahlungsbegehrens war daher nicht rechtswidrig.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Einholung einer Vorabentscheidung konnte im Sinne des Urteils des EuGH vom 6. Oktober 1982, Rs C-283/81, C.I.L.F.I.T, 1982, I-3415, Abstand genommen werden, weil kein vernünftiger Zweifel an der Auslegung des im Beschwerdefall anzuwendenden Gemeinschaftsrechts besteht.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten steht dem nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. April 2006
Gerichtsentscheidung
EuGH 62003J0491 Hermann VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005160217.X00Im RIS seit
08.05.2006Zuletzt aktualisiert am
21.05.2013