TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/28 2003/10/0054

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Veröffentlicht am 28.04.2006
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Index

L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Tir 1997 §16 Abs1 litb idF 2002/089;
NatSchG Tir 1997 §3 Abs7 idF 2002/089;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des JU in K, vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Müllerstraße 3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Jänner 2003, Zl. U-13.507/15, betreffend naturschutzbehördlicher Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein (BH) vom 5. Dezember 2001 wurde dem Beschwerdeführer der naturschutzbehördliche Auftrag erteilt, zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes auf einer in einem beigeschlossenen Lageplan ersichtlich gemachten Fläche von 4.048 m2 des Grundstückes Nr. 348/21, KG L, binnen festgesetzter Frist die folgenden Maßnahmen zu treffen:

"1. Das Aufschüttungsmaterial ist auf der gesamten Fläche bis auf das Niveau des ursprünglich vorhandenen Bodens zu entfernen.

2. Die Wiederherstellungsfläche ist der natürlichen Vegetationsentwicklung zu überlassen, d.h. es ist kein Humusauftrag und keine Begrünung durch Einsaat durchzuführen. In weiterer Folge ist eine landwirtschaftliche Nutzung zu empfehlen."

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe auf der erwähnten Fläche, die als Feuchtgebiet im Sinne des Tiroler Naturschutzgesetzes zu qualifizieren sei, widerrechtlich Geländeabtragungen (Humusabtragungen) und -aufschüttungen (Aufbringung von Recyclingmaterial) vorgenommen. Die vorgeschriebenen Maßnahmen seien notwendig, um den Naturschutzinteressen bestmöglich zu entsprechen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, die Erstbehörde habe das von ihm vorgelegte Gutachten des Privatsachverständigen Dr. W. außer Acht gelassen. Dieser habe vor Durchführung der in Rede stehenden Geländeabtragungen und - aufschüttungen das Gelände im Auftrag des Beschwerdeführers - nicht zuletzt zu Beweissicherungszwecken - am 10. Mai 2000 besichtigt und eine Zweiteilung des Grundstückes Nr. 348/21 festgestellt: Der nördliche Teil mit einer Fläche von ca. 4.500 m2, auf der die Abtragungen und Aufschüttungen vorgenommen worden seien, habe aus einer landwirtschaftlich genutzten Wiese bestanden, der südliche Teil mit einer Fläche von ca. 7.000 m2 sei als "Kleinseggenried" zu qualifizieren gewesen. Auf Grund dieser Feststellung sei die biologisch wertvolle Fläche in Süden von der landwirtschaftlichen Intensivfläche im Norden mittels Pflöcken abgegrenzt worden; dabei sei ein deutlicher Sicherheitsstreifen eingeplant worden. Die Grenze zwischen den beiden Vegetationsformen sei weitgehend linear und ohne ausgedehnte Übergangsbereiche verlaufen. Tatsächlich sei am 27. Mai 2000 nur im Bereich der landwirtschaftlichen Intensivfläche eine Schüttung vorgenommen worden. Die gegenteiligen Annahmen des erstbehördlichen Bescheides beruhten lediglich auf Vermutungen des Amtssachverständigen, denen jedoch keine Vegetationserhebungen zu Grunde lägen. So habe der Amtssachverständige bloß vermutet, dass "sich der Übergangsbereich des Feuchtgebietes zur landwirtschaftlich mäßig intensiv nutzbaren Wiese zumindest noch einige Meter unterhalb der Aufschüttung fortgesetzt" habe. Weiters sei der Amtssachverständige ohne eigene visuelle Wahrnehmung lediglich auf Grund der Biotopkartierung bzw. des Orthofotos davon ausgegangen, dass sich auch in der nordöstlichen Ecke des Grundstückes eine "Geländesenke mit Feuchtgebietscharakter" befunden habe. Dr. W. habe diese Geländesenke am 10. Mai 2000 zwar im nördlich angrenzenden Grundstück erkennen können, nicht jedoch auf dem in Rede stehenden Grundstück. Hier habe nämlich keine Geländesenke mehr bestanden, weil der Beschwerdeführer diese bereits im Jahre 1995 nach Erwerb des Grundstückes verfüllt habe. Es sei konkret nicht hervorgekommen, dass die (nunmehr vorgenommene) Schüttung negative Effekte auf die Tier- oder Pflanzenwelt der angrenzenden Feuchtgebietsfläche habe. Vielmehr habe der Amtssachverständige sogar positive Auswirkungen (Aufstaueffekt) eingeräumt. Schließlich sei zu bemerken, dass in der Legaldefinition des "Feuchtgebietes" wohl "Großseggensümpfe", nicht aber Gebiete mit "Kleinseggenvorkommen" oder so genannte "feuchte Wiesen" erwähnt seien, die bisher im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft beispielsweise zur Streugewinnung genützt worden seien. Der Beschwerdeführer habe das Grundstück Nr. 348/21 als Gewerbe- und Industriegebiet erworben, für das es auch gewidmet sei; der nördliche, überschüttete Teil sei für den Beschwerdeführer eine dringend notwendige betriebliche Erweiterungsfläche.

Die Berufungsbehörde vernahm Dr. W. als Zeugen. Dieser bestätigte in seiner Zeugenaussage, dass der kleinere, nördliche Teil des Grundstückes Nr. 348/21 schon visuell als landwirtschaftliche Intensivwiese zu erkennen gewesen und dass die Grenze zum südlichen Grundstücksteil, dem Feuchtgebiet etwa nördlich der auf dem Nachbargrundstück situierten Betriebstankstelle, in einem leichten Bogen zum Grundstück Nr. 353/11 verlaufen sei. Er sei bei der Schüttung des nördlichen Grundstücksteiles teilweise anwesend gewesen. Dabei sei auf die Einhaltung eines entsprechenden Sicherheitsabstandes zum Feuchtgebiet geachtet worden; bei der Absteckung sei ein Sicherheitsstreifen zwischen drei und fünf Metern eingehalten worden. Richtig sei, dass auf dem nördlich angrenzenden Grundstück Nr. 348/2 Anzeichen für das Vorhandensein eines Feuchtgebietes erkennbar gewesen seien. Er könne aber dezidiert ausschließen, dass sich in dem vom Amtssachverständigen beschriebenen Bereich Anzeichen für ein Feuchtgebiet befunden hätten. In diesem Bereich habe ein verwilderter Gehölzstreifen bestanden, der sich nach Nordwesten hin gezogen habe. Einige dieser Gehölze seien ausgegraben und an der Nordseite einer näher beschriebenen Rampe wieder eingepflanzt worden.

Die Berufungsbehörde holte ein neuerliches naturschutzfachliches Gutachten zur Frage ein, inwieweit die Schüttung in einem Feuchtgebiet erfolgt sei. Diesem Gutachten zufolge sei die Schüttung im Übergangsbereich zwischen Feuchtgebiet und Intensivwiese erfolgt, wobei möglicherweise geringfügig Feuchtgebiet einerseits und auch Fettwiese andererseits überschüttet worden seien. Nach der verfügbaren Messgenauigkeit sowie nach den vorliegenden Planunterlagen müsse aber davon ausgegangen werden, dass sich die Schüttung auf landwirtschaftlicher Intensivfläche bewegt habe. Übergangsflächen zum Feuchtgebiet seien nur in einem marginalen bzw. nicht mehr vollständig nachweisbaren Bereich in Anspruch genommen worden. Im Bereich der nordöstlichen Ecke der vorliegenden Schüttung sei jedoch Feuchtgebiet in einem größeren Ausmaß überschüttet worden. Dies sei anhand des vorliegenden Orthofotos sowie von Vegetationserhebungen nachweisbar. Es handle sich dabei um den Beginn einer Grabensenke, die Richtung Nordwesten hin entwässere. Die Größe der überschütteten Feuchtgebietsfläche dürfte bei ca. 400 m2 liegen. Nach den vorliegenden Vegetationsaufnahmen sowie nach den im unmittelbaren Umgebungsbereich vorzufindenden Pflanzenarten dürften hier neben Braunsegge u.a. auch Hirsensegge, verschiedene Weidenarten, sowie Faulbaum bestanden haben. Diese Pflanzenarten seien typische Anzeiger für Feuchtgebiet bzw. Feuchtgebiete, die in Verbuschung begriffen seien.

Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen des Parteiengehörs hiezu vor, die naturschutzfachliche Stellungnahme des Amtssachverständigen bestätige die Ausführungen Dr. W. Betreffend die nordöstliche Ecke des Grundstückes Nr. 348/21, beruhe die "irrige Auffassung" des Sachverständigen, es handle sich bei diesem Teil des Grundstücks um "eine Grabensenke mit Feuchtgebietscharakter" lediglich auf der vorliegenden Biotopkartierung bzw. dem Orthofoto. Es mangle dem Sachverständigen jedoch an der visuellen Wahrnehmung eines Feuchtgebietes, zumal der Beschwerdeführer, wie dargelegt, das Grundstück in diesem Bereich bereits im Jahre 1995 aufgeschüttet und die angesprochene Geländesenke verfüllt habe. Bereits Dr. W. habe daher anlässlich der Begehung am 10. Mai 2000 keine Geländesenke mit Feuchtgebietscharakter mehr feststellen können. Es habe daher im Jahre 2000 auch keine Feuchtgebietsfläche im Ausmaß von 400 m2 überschüttet werden können, weil dieses feuchte Gelände bereits Jahre zuvor verschwunden gewesen sei.

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Jänner 2003 wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und dem Beschwerdeführer aufgetragen, binnen festgesetzter Frist folgende Maßnahmen zur Herstellung des früheren Zustandes auf einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 348/21, GB L, (Feuchtgebiet) im Ausmaß von 400 m2 nach Maßgabe eines beigeschlossenen Lageplanes durchzuführen:

"1. Das Aufschüttungsmaterial ist auf der betroffenen Fläche bis auf das Niveau des ursprünglich vorhandenen Bodens zu entfernen.

2. Die Wiederherstellungsfläche ist der natürlichen Vegetationsentwicklung zu überlassen, d.h. es ist kein Humusauftrag und keine Begrünung durch Einsaat durchzuführen."

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, es stehe fest, dass es sich beim Großteil der überschütteten Fläche nicht um ein Feuchtgebiet im Sinne des § 9 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 handle. Ein negativer Einfluss der gegenständlichen Schüttung auf das unmittelbar angrenzende Feuchtgebiet könne nicht angenommen werden, zumal die Kriterien, die für eine Bejahung solcher Auswirkungen erforderlich seien, nicht erfüllt seien. Anders verhalte es sich jedoch in Ansehung der ca. 400 m2 großen Fläche im nordöstlichen Teil des erwähnten Grundstücks. Hier stehe zweifelsfrei fest, dass die Aufschüttung in einem Feuchtgebiet vorgenommen worden sei. Der Zeitpunkt, zu welchem die Aufschüttung vorgenommen worden sei, sei rechtlich nicht relevant. Dass die Aufschüttung dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei, werde von ihm selbst nicht bestritten. Der Feuchtgebietscharakter ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere aus der Biotopkartierung. Der Berufung sei daher teilweise Folge zu geben und der Wiederherstellungsauftrag auf die letzterwähnte, ca. 400 m2 große Fläche einzuschränken gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 89/2002, (Tir NatSchG), hat die Bezirksverwaltungsbehörde, wenn ein nach diesem Gesetz, einer Verordnung auf Grund dieses Gesetzes oder einem der in der Anlage zu § 46 Abs. 1 genannten Gesetze bewilligungspflichtiges Vorhaben, ausgenommen Werbeeinrichtungen, ohne naturschutzrechtliche Bewilligung oder entgegen einem in diesen Vorschriften enthaltenen Verbot, ohne dass hiefür eine Ausnahmebewilligung vorliegt, ausgeführt wird, demjenigen, der dies veranlasst hat, oder, wenn dieser nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann, dem Grundeigentümer oder dem sonst über das Grundstück Verfügungsberechtigten mit Bescheid

a)

die weitere Ausführung des Vorhabens zu untersagen und

b)

die zur Wiederherstellung des früheren Zustandes erforderlichen Maßnahmen auf seine Kosten aufzutragen; ist die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht möglich oder kann der frühere Zustand nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand festgestellt werden, so ist dieser zu verpflichten, den geschaffenen Zustand auf seine Kosten so zu ändern, dass den Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 bestmöglich entsprochen wird.

Gemäß § 9 lit. e Tir NatSchG bedürfen in Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.

Unter einem "Feuchtgebiet" im Sinne des Gesetzes ist gemäß § 3 Abs. 7 Tir NatSchG ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften zu verstehen. Dazu gehören insbesondere auch Röhrichte und Großseggensümpfe, Quellfluren und Quellsümpfe, Flach- und Zwischenmoore, Hochmoore, Moor- und Bruchwälder.

Eine "geschlossene Ortschaft" im Sinne des Gesetzes ist gemäß § 3 Abs. 2 Tir NatSchG ein Gebiet, das mit mindestens fünf Wohn- oder Betriebsgebäuden zusammenhängend bebaut ist, wobei der Zusammenhang bei einem Abstand von höchstens 50 m zwischen zwei Gebäuden noch nicht als unterbrochen gilt. Zur geschlossenen Ortschaft gehören auch Parkanlagen, Sportanlagen und vergleichbare andere weitgehend unbebaute Grundstücke, die überwiegend von einem solchen Gebiet umgeben sind. Land- und forstwirtschaftliche Gebäude, die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften im Freiland errichtet werden dürfen, gelten nicht als Betriebsgebäude.

Dem angefochtenen Bescheid liegt - den Darlegungen des beigezogenen naturkundefachlichen Amtssachverständigen folgend - die Auffassung zu Grunde, die nordöstliche Ecke des Grundstücks Nr. 348/21, GB L, in einem Ausmaß von ca. 400 m2 sei Teil eines außerhalb geschlossener Ortschaften gelegenen Feuchtgebietes. Es handle sich hier um den Beginn einer Grabensenke, die Richtung Nordwesten entwässere und näher beschriebene Pflanzenarten aufweise bzw. aufgewiesen habe, die als typische Anzeiger für Feuchtgebiete bzw. Feuchtgebiete, die in Verbuschung begriffen seien, anzusehen seien. Die dem Beschwerdeführer zuzurechnende Aufschüttung sei ohne die erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung erfolgt, die Tatbestandsvoraussetzungen für den spruchgemäß erfolgten Auftrag zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes seien daher erfüllt.

Der Beschwerdeführer hält dagegen, es liege kein Feuchtgebiet im Sinn des Tir NatSchG vor. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde weise die Biotopkartierung das erwähnte linienförmige Gebiet nämlich nicht als Feuchtgebiet aus, sondern als "Feldgehölz, Streuobstwiese". Wäre es ein Feuchtgebiet, müsste es mit rosa Farbe gekennzeichnet sein; dies sei nicht der Fall. Es sei auch nicht als Biotop Nr. 46 (Feuchtgebiet) sondern als Biotop Nr. 48 gekennzeichnet, wobei in der Information hiezu Folgendes festgehalten sei: "Biotoptyp(en) und Nummer(n): Felsvegetation mit karbonathaltigen Felsen, Biotopkomplexschlucht, artenreiche Nasswiesen, Feldgehölze, Buchenwälder, Fichten-, Tannen-, Buchenwald, Steilhangeiben-, Buchenwald, Bergahorn-, Eschenwald, Lärchen-, Fichtenwald (...) ..." Es befänden sich somit im gegenständlichen Bereich, soweit nicht ohnedies eine landwirtschaftliche Intensivfläche vorliege, lediglich Feldgehölze. Auch eine Nasswiese, die der landwirtschaftlichen Nutzung diene, könne nicht als Feuchtgebiet angesehen werden. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, es ergäbe sich insbesondere aus der Biotopkartierung, dass ein Feuchtgebiet vorliege, seien somit nicht nur unzutreffend, sondern stünden zur Biotopkartierung in krassem Widerspruch. Dass die Feststellungen der belangten Behörde auch der Legaldefinition des Feuchtgebietes nicht entsprächen, ergäbe sich weiters aus der Verwendung des Wortes "Feuchtgebietscharakter", wie überhaupt zu rügen sei, dass kein einziges der Feuchtgebietsmerkmale gemäß § 3 Abs. 7 Tir NatSchG geprüft bzw. festgestellt worden sei. Auch die übrigen von der belangten Behörde erwähnten "vorliegenden Unterlagen" bestätigten das Vorliegen eines Feuchtgebietes nicht. Die dem Gutachten angeschlossene Biotopskizze mit der Eintragung "Feuchtgebiet, Büsche" widerspreche der Biotopkartierung. Der dem Gutachten beigelegte Auszug aus der Biotopkartierung wiederum betreffe das Biotop Nr. 46, die handschriftliche Eintragung "Vernässung" habe mit dem Begriff "Feuchtgebiet" im Sinne des Gesetzes nichts zu tun; die handschriftliche Skizze widerspreche gleichfalls der Biotopkartierung. Schließlich sei die belangte Behörde irriger Weise der Auffassung, es sei rechtlich nicht relevant, zu welchem Zeitpunkt die Anschüttung vorgenommen worden sei. Aus § 16 Abs. 1 lit. b Tir NatSchG ergäbe sich nämlich, dass der frühere Zustand wieder herzustellen sei, die Wiederherstellung könne sich somit "nur auf den Zeitpunkt beziehen, der mit dem Zeitpunkt des rechtswidrigen Vorhabens zusammenfällt".

Mit diesem Vorbringen wird eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit nicht aufgezeigt.

Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige hat sein Gutachten betreffend das die nordöstliche Ecke des erwähnten Grundstückes einschließende Feuchtgebiet nicht alleine auf die vom Beschwerdeführer angesprochene Biotopkartierung gestützt. Vielmehr liegt dem Gutachten nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten u.a. eine Erhebung der Vegetation von Nassstandorten im Inntal aus dem Jahre 1992 zu Grunde, die für das in Rede stehende, in einer Planskizze dargestellte Biotop neben Gebüsch u.a. auch einen Kleinseggenbestand ausweist, weiters ein so genanntes Orthofoto sowie die Erhebung des von der Erstbehörde beigezogenen Amtssachverständigen, der anlässlich des von ihm vorgenommenen Augenscheins am 7. Mai 2001 auf der an die Aufschüttung unmittelbar angrenzenden Fläche des Grundstücks Nr. 348/2 folgende Pflanzenarten festgestellt hat: "Wiesen-Segge, Schilf, Hirsen-Segge, Ufer-Segge, Sumpf-Schachtelhalm, Echtes Mädesüß, Gemeiner Gilbweiderich, Wiesenschaumkraut, sowie in sehr geringer Anzahl die auch auf Fettwiesen vorkommenden Arten Scharfer Hahnenfuß und Löwenzahn". Die Vernässung des betreffenden Gebietes - so der von der Erstbehörde beigezogene Amtssachverständige - sei so stark, dass nach starken Niederschlägen stehendes Wasser zu beobachten gewesen sei. Im Übrigen sei festzustellen gewesen, dass die auf dem Orthofoto erkennbare Situation mit den im Zuge des Augenscheins getroffenen Beobachtungen übereinstimme. Der Verlauf des Biotops entspreche dem aus der Biotopkartierung ersichtlichen Gehölzstreifen sowie der Planskizze, die anlässlich der Vegetationserhebung im Jahre 1992 angelegt worden sei.

Der Beschwerdeführer ist diesen Erhebungsergebnissen konkret nicht entgegengetreten. Vielmehr hat der von ihm beigezogene Sachverständige Dr. W. vor der belangten Behörde selbst ausgesagt, es sei richtig, dass auf dem nördlich angrenzenden Grundstück Nr. 348/2 Anzeichen für das Vorhandensein eines Feuchtgebietes erkennbar gewesen seien.

Die auf die dargestellten Grundlagen gestützte Schlussfolgerung des Amtssachverständigen, es handle sich bei der - vor Aufschüttung auch im Bereich der nordöstlichen Ecke des Grundstückes Nr. 348/21 vorhanden gewesenen - Grabensenke zufolge des Bestandes spezifischer Pflanzenarten ("typische Anzeiger für Feuchtgebiete bzw. Feuchtgebiete, die in Verbuschung begriffen sind") ungeachtet der in der Biotopkartierung erfolgten Bezeichnung "Feldgehölz" um ein Feuchtgebiet, ist nicht unschlüssig; schließt doch die Bezeichnung "Feldgehölz" in der Biotopkartierung die aus den erhobenen Umständen gewonnene Annahme des tatsächlichen Bestandes eines Feuchtgebietes, das heißt eines vom Wasser geprägten, in sich geschlossenen und vom Nachbargebiet abgrenzbaren Lebensraumes, keineswegs aus. Wenn die belangte Behörde daher gestützt auf das Gutachten des von ihr beigezogenen Amtssachverständigen zur Auffassung gelangte, bei der erwähnten Grabensenke handle es sich um ein Feuchtgebiet im Sinne des § 3 Abs. 7 Tir NatSchG, so liegt darin keine Rechtswidrigkeit, mag auch die Formulierung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, der Feuchtgebietscharakter des betreffenden Gebietes ergäbe sich "insbesondere aus der Biotopkartierung", unzutreffend sein.

Dass die im § 3 Abs. 2 Tir NatSchG genannten Voraussetzungen für die Annahme des Vorliegens einer "geschlossenen Ortschaft" im Beschwerdefall gegeben seien, behauptet der Beschwerdeführer nicht; Derartiges ist auch aus den Verwaltungsakten nicht ersichtlich, und zwar weder aus den darin enthaltenen planlichen noch den fotografischen Darstellungen.

Der Beschwerdeführer bestreitet schließlich nicht, dass die nach seinen Angaben im Jahre 1995 nach Erwerb des Grundstücks erfolgte Aufschüttung der Grabensenke ihm zuzurechnen und ohne die - damals gemäß § 9 lit. g Tir Naturschutzgesetz 1991 - erforderliche Bewilligung ausgeführt worden sei.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, es seien im vorliegenden Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 lit. b Tir NatSchG erfüllt.

Die Ermächtigung der Behörde, gemäß § 16 Abs. 1 lit. b Tir NatSchG die zur Wiederherstellung des früheren (rechtmäßigen) Zustandes erforderlichen Maßnahmen anzuordnen, ist nicht an eine Frist gebunden, nach deren Ablauf entsprechende Aufträge nicht mehr erteilt werden dürften. Insofern ist daher auch die Auffassung der belangten Behörde nicht zu beanstanden, es sei der Zeitpunkt, zu dem die Aufschüttung vorgenommen wurde, rechtlich nicht relevant.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. April 2006

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Besondere Rechtsgebiete Diverses Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Gutachten rechtliche Beurteilung Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003100054.X00

Im RIS seit

15.06.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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