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97 VergabewesenNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Aufhebung des Bescheides im Anlaßfall nach Aufhebung einer Wortfolge in §6 Abs1 BundesvergabeG 1997 idF BGBl I 80/1999 mit E v 26.02.02, G351/01 ua, wegen Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit insgesamt € 2340,07 bestimmten Kosten zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid des Bundesvergabeamtes (BVA), mit dem im Vergabeverfahren der Österreichischen Bundesbahnen "Eulovenbrücken 1+2, Teilerneuerung der Lager und des Mittelpfeilers sowie Erneuerung der Stahltragwerke" die Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Nichtigerklärung der Entscheidung, ein Verhandlungsverfahren durchzuführen, sowie eine einstweilige Verfügung zu erlassen, mangels Zuständigkeit zurückgewiesen wurden, da der geschätzte Auftragswert den für Bauaufträge in §6 Abs1 Bundesvergabegesetz 1997 idF BGBl. I 80/1999 (BVergG) normierten Schwellenwert nicht übersteige.
Die Beschwerde rügt die Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft in Rechten wegen Anwendung als verfassungswidrig erachteter Bestimmungen des BVergG und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.
2. Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
Die dem Verfahren als mitbeteiligte Partei beigezogene Auftraggeberin hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentrat und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
3. Unter anderem aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. November 2001 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit mehrerer Wortfolgen des BVergG - auch der Wortfolge "dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 5 Millionen Euro beträgt" in §6 Abs1 BVergG 1997 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I 80/1999 - ein.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G351-355/01, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Wortfolge des §6 Abs1 BVergG mit Fristsetzung 31. August 2002 als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
Die Entscheidung des BVA, mit der es sich für unzuständig erklärte, über den von der beschwerdeführenden Gesellschaft gestellten Nachprüfungsantrag zu befinden, gründet sich auf die mit dem genannten Erkenntnis aufgehobene Wortfolge im §6 Abs1 BVergG.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann verletzt, wenn diese ihre gesetzliche Zuständigkeit nicht in Anspruch nimmt. Da die als verfassungswidrig erkannte Wortfolge in §6 Abs1 BVergG gemäß Art140 Abs7 B-VG im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden ist und deshalb einer meritorischen Entscheidung des BVA nicht mehr im Wege steht, verletzt der angefochtene Zurückweisungsbescheid das Recht der beschwerdeführenden Gesellschaft auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein zehnprozentiger Streitgenossenzuschlag in der Höhe von € 163,51, Umsatzsteuer in der Höhe von € 359,73 sowie eine Eingabegebühr in der Höhe von € 181,68 enthalten.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B390.2001Dokumentnummer
JFT_09979774_01B00390_00