TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/28 2005/05/0194

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Veröffentlicht am 28.04.2006
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §129b Abs1;
BauRallg;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2;
VVG §10;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Anton Reisner in Wien, vertreten durch Dr. Georg Uher, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 38, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. April 2005, Zl. MA 64 - BE 130/97, betreffend Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 VVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von 381,90 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 31. Dezember 1993 wurde der damaligen Eigentümerin der Baulichkeit auf der Liegenschaft H.-Straße 200 ein baupolizeilicher Auftrag gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (Beseitigung von Konsenswidrigkeiten) in insgesamt sieben näher umschriebenen Punkten erteilt.

Mit Verfahrensanordnung vom 10. Jänner 1996 setzte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, u. a. dem Beschwerdeführer als Miteigentümer der gegenständlichen Baulichkeit eine Frist von einer Woche zur Inangriffnahme der noch nicht erfüllten näher umschriebenen Punkte 2., 5., 6. und 7. des Bescheides vom 31. Dezember 1993 und drohte ihm für den Fall, dass er mit der Erfüllung der Verpflichtung bis dahin nicht begonnen habe und die Arbeiten nicht in ununterbrochener Folge fortsetze, eine Ersatzvornahme auf seine Gefahr und Kosten an.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, vom 10. März 1997 wurde u. a. dem Beschwerdeführer eine Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von ATS 439.000,00 vorgeschrieben.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin brachte er im Wesentlichen vor, im Zuge der laufenden Wohnungseigentumsbegründungen seien nachträgliche "Baubewilligungen" (gemeint wohl: Bauansuchen) eingereicht worden. Eine "Fristverlängerung" liege bei der Magistratsabteilung 37 auf.

Mit Schreiben vom 5. April 2002 forderte die Magistratsabteilung 64 die Magistratsabteilung 37 zu einer Stellungnahme dahingehend auf, ob die Punkte 2. und 5.bis 7. des Bescheides vom 31. Dezember 1993 erfüllt bzw. ob nachträgliche Baubewilligungen erwirkt worden seien.

Mit Schreiben vom 21. Jänner 2003 teilte die Magistratsabteilung 37 dazu mit, dass die Punkte 2., 5. und 7. des Bescheides vom 31. Dezember 1993 noch nicht erfüllt worden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Kostenvorauszahlung EUR 23.179,73 zu betragen habe und nur mehr die in den Punkten 2., 5. und 7. aufgetragenen Maßnahmen umfasst seien. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Titelbescheid vom 31. Dezember 1993 der damaligen grundbücherlichen Eigentümerin L.- GmbH-&-CoKG am 10. Jänner 1994 zugestellt worden sei. Dieser Bescheid sei rechtskräftig und habe dingliche Wirkung für spätere Eigentümer. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass dem Bescheid vom 31. Dezember 1993 hinsichtlich der Punkte 2., 5. und 7. nicht nachgekommen worden sei. Nachträgliche Bewilligungen lägen nicht vor. Die geschätzten Kosten seien vom Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 25 mit Stellungnahme vom 10. Februar 2003 aufgegliedert worden, welche dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden sei. Der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt des Ablaufes der in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzten Frist bücherlicher Miteigentümer der Liegenschaft gewesen. Er sei daher für die gesamte Dauer des Vollstreckungsverfahrens Verpflichteter und für die Kosten der Ersatzvornahme (voraus)zahlungspflichtig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 23. Juni 2005 an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer begehrt in der auftragsgemäß vorgenommenen Beschwerdeergänzung, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er sei nicht mehr Miteigentümer der gegenständlichen Liegenschaft, weil er seine Anteile mit Kaufvertrag vom 28. April 1998 veräußert habe. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Titelbescheides vom 31. Dezember 1993 sei er ebenfalls nicht Miteigentümer gewesen. Die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme durch den Beschwerdeführer würde zu einer Bereicherung der übrigen Miteigentümer führen. Er sei zwar zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 10. März 1997 Miteigentümer gewesen, dies sei aber nicht relevant, weil ihm der Titelbescheid nie zugestellt worden sei. Bei den aufgetragenen Maßnahmen handle es sich um individuell festgelegte Verpflichtungen, die dem Beschwerdeführer nie aufgetragen worden seien. Es liege daher kein vollstreckbarer Titelbescheid gegen den Beschwerdeführer vor. Bereits in der Berufung sei vorgebracht worden, dass im Zuge der laufenden Wohnungseigentumsbegründungen nachträgliche Bauansuchen eingereicht worden seien und eine "Fristverlängerung" bei der Magistratsabteilung 37 aufliege. Voraussetzung für eine Ersatzvornahme sei, dass der angenommene Übelstand noch fortbestehe. Die belangte Behörde habe sich in diesem Zusammenhang lediglich auf eine Stellungnahme der Magistratsabteilung 37 vom 21. Jänner 2003 gestützt, wonach nachträgliche Baubewilligungen nicht vorlägen. Da sie aber jede Ermittlungstätigkeit seit der Einholung dieser Stellungnahme zu dieser Frage unterlassen habe, habe sie ihrer Entscheidung einen zwei Jahre zurückliegenden Ermittlungsstand zu Grunde gelegt, ohne allfällige Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen.

Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (in der Fassung vor der Novelle LGBl Nr. 41/2005 - BO) ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

Nach § 4 Abs. 2 VVG kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.

Gemäß § 10 Abs. 2 VVG kann die Berufung gegen eine nach dem VVG erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn

1.

die Vollstreckung unzulässig ist oder

2.

die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder

              3.              die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 VVG im Widerspruch stehen.

Gemäß § 129b Abs. 1 BO kommt Bewilligungen und Bescheiden nach der BO dingliche Wirkung zu. Dingliche Wirkung bedeutet, dass der Rechtsnachfolger in die Stellung des Rechtsvorgängers eintritt. Der gegenüber der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers erlassene baupolizeiliche Auftrag vom 31. Dezember 1993 wirkt demnach auch gegen den Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger im Eigentum.

Das eigentliche Vollstreckungsstadium beginnt bereits mit dem Ablauf der in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzten Paritionsfrist. Von diesem Zeitpunkt an bis zum tatsächlichen Abschluss der Ersatzvornahme sind die Eigentümer der hievon betroffenen Baulichkeit als Verpflichtete bezüglich des Auftrages zur Vorauszahlung der Kosten ungeachtet einer nachfolgenden Änderung der Eigentumsverhältnisse anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis 15. Juni 2004, Zl. 2003/05/0040, mwN). Der Beschwerdeführer tritt der Feststellung der belangten Behörde, er sei in diesem somit relevanten Zeitpunkt bücherlicher Eigentümer gewesen, nicht entgegen. Er bringt lediglich vor, seit dem Jahr 1998 nicht mehr Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft zu sein. Der Kostenvorauszahlungsauftrag richtete sich daher aber zu Recht an den Beschwerdeführer.

Ein Kostenvorauszahlungsauftrag nach § 4 Abs. 2 VVG ist keine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG, doch teilen die im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens ergangenen Bescheide, auch wenn sie keine Vollstreckungsverfügungen sind, wegen des notwendigen Zusammenhanges das rechtliche Schicksal der Vollstreckung, die durch die Akzessorietät gegenüber dem Titelbescheid geprägt wird. Diese Akzessorietät einerseits und der Umstand andererseits, dass § 10 Abs. 2 VVG eine Rechtsmittelbeschränkung beinhaltet ("kann nur ergriffen werden, wenn"), bedeuten aber, dass bei einem Rechtsmittel gegen den Kostenvorauszahlungsauftrag jedenfalls auch die Gründe des § 10 Abs. 2 VVG zu prüfen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juli 2002, Zl. 2000/05/0193).

Wann eine Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 1 VVG unzulässig ist, ist im Gesetz nicht näher ausgeführt. Aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen des § 10 VVG mit den übrigen Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ergibt sich, dass der Berufungsgrund der Unzulässigkeit der Vollstreckung dann geltend gemacht wird, wenn der Verpflichtete behauptet, dass die Voraussetzungen für eine Vollstreckung nicht gegeben sind.

Nach dem zuvor Gesagten teilt der Kostenvorauszahlungsauftrag das rechtliche Schicksal der Vollstreckung. Wäre eine Vollstreckungsverfügung unzulässig, darf somit auch kein Kostenvorauszahlungsauftrag erteilt werden. Eine nach Erlassung des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes kann nun eine Vollstreckung unzulässig machen (vgl. § 10 Abs. 2 Z 1 VVG), wobei Wesentlichkeit in diesem Sinne unter anderem dann vorliegt, wenn durch die Änderung des Sachverhaltes der titelmäßige Anspruch erloschen ist (vgl. das denselben Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2004, Zl. 2003/05/0211).

Durch die Erteilung einer nachträgliche Baubewilligung für die zur Beseitigung aufgetragenen Maßnahmen würde ein neuer Sachverhalt geschaffen, der die Vollstreckung des rechtskräftigen Auftrages unzulässig machen würde. Die belangte Behörde hat in ihrem Bescheid festgestellt, dass nachträgliche Baubewilligungen nicht vorlägen. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass solche Baubewilligungen vorgelegen sind. Ebenso macht er nicht geltend, dass einer oder mehrere konkrete Anträge auf Erteilung von Baubewilligungen anhängig waren oder dem Bauauftrag durch bestimmte Maßnahmen entsprochen wurde. Er zeigt folglich die Relevanz des von ihm vorgebrachten Verfahrensmangels, dass die belangte Behörde Ermittlungen zu diesen Punkten unterlassen habe, nicht auf.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung berücksichtigt ist.

Wien, am 28. April 2006

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche WirkungBaupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005050194.X00

Im RIS seit

30.05.2006

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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