TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/4 2003/03/0232

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Veröffentlicht am 04.05.2006
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Index

E3R E07204030;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs1;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs2;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z6 idF 2002/I/032;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z9 idF 2002/I/032;
VStG §51e idF 2002/I/065;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des CH in A, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Klaus Schärmer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 6/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 31. Juli 2003, Zl uvs- 2003/16/080-1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als Inhaber der Firma H Spedition in A, Bundesrepublik Deutschland, die Zulassungsbesitzerin des Sattelkraftfahrzeuges (über 7,5 t höchstzulässiges Gesamtgewicht) mit näher bezeichneten amtlichen Kennzeichen sei, veranlasst, dass von Deutschland über die Grenzeintrittsstelle Kiefersfelden kommend, Einfahrt am 27. Jänner 2003, in Richtung Italien eine Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Hoheitsgebiet der Republik Österreich durchgeführt worden sei. Der Beschwerdeführer habe es dabei am Sitz des Unternehmens unterlassen, dem Fahrer gemäß der Verordnung (EG) Nr 3298/94, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 2012/2000, vor Antritt der Fahrt die entsprechende Anzahl von Ökopunkten zu übergeben. Werde ein Umweltdatenträger benützt, habe sich der Unternehmer davon zu überzeugen, dass ausreichend Ökopunkte zur Verfügung stünden und dass der Umweltdatenträger einwandfrei funktioniere. Er habe weiters den Fahrer darüber zu belehren, welche Maßnahmen dieser zur Einhaltung der Ökopunkteverordnung zu treffen habe. Im vorliegenden Fall sei das Fahrzeug "gesperrt" gewesen. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, sich davon zu überzeugen, dass für die betreffende Transitfahrt im Hoheitsgebiet von Österreich das im Fahrzeug eingebaute Ecotag freigeschaltet sei und damit die erforderliche Anzahl von Ökopunkten abgebucht werden könne. Die Übertretung sei durch die Kontrollorgane der Zollwachabteilung Buch bei Jenbach/MÜG am 27. Jänner 2003 um 14.40 Uhr auf der Kontrollstelle Kundl, A 12 Inntalautobahn, bei Strkm 24,1 festgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs 1 Z 6 und Z 9 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (im Folgenden: GütBefG), BGBl Nr 593/1995 in der Fassung BGBl I Nr 32/2002, iVm Art 1 Abs 1 sowie Art 2 Abs 1 und Abs 2 der Verordnung (EG) Nr 3298/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 2012/2000 begangen. Gemäß § 23 Abs 1 und Abs 4 GütBefG wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer bestritten, dass es sich um eine ökopunktepflichtige Transitfahrt gehandelt hätte, vielmehr hätte er einen bilateralen Transport durchgeführt. Der Anzeige vom 30. Jänner 2003, der im Anschluss an die Kontrolle ausgefüllten Ökopunktekarte und dem Frachtbrief sei aber zu entnehmen, dass es sich um eine Transitfahrt von der Firma N GesmbH & Co KG in N, Bundesrepublik Deutschland, nach Greggio, Italien, gehandelt habe. Ein derartiger Frachtbrief betreffend eine Milchladung sei auch vom Lenker anlässlich der Anhaltung vorgewiesen worden. Der Lenker habe sich auch nie mit der Behauptung gerechtfertigt, dass eine bilaterale Fahrt vorgelegen wäre. Auf Grund der Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt stehe eindeutig fest, dass es sich um eine Transitfahrt gehandelt habe und dass ein funktionsuntüchtiges Ecotag mitgeführt worden sei. Der Fahrer habe auch keine "ausgefüllten Papierpunkte" mitgeführt. Damit habe der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Übertretung gesetzt. Als Verschuldensgrad sei zumindest grobe Fahrlässigkeit anzunehmen.

Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer seine Beschwerde auf Art 144 B-VG und Art 6 EMRK stützt, ist ihm zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Z 1 iVm Art 144 Abs 1 B-VG für die Behandlung dieses Vorbringens nicht zuständig ist. Der Hinweis, der Beschwerdeführer sei "innerhalb der Firma H Spedition" nicht zuständig für die Instruktion der Lkw-Fahrer, für die Ausstattung der Fahrzeuge mit Ecotag Geräten und für die Bereitstellung von Ökopunkten für Transitfahrten, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar (vgl § 41 Abs 1 VwGG). Weiters geht der Einwand, der Beschwerdeführer habe nicht im Inland gehandelt, fehl, ist doch gemäß § 23 Abs 3 GütBefG in der Fassung BGBl I Nr 106/2001 ein Unternehmer auch dann nach § 23 Abs 1 Z 6 leg cit strafbar, wenn er die in § 7 bis 9 leg cit genannten Verpflichtungen im Ausland verletzt.

Die Beschwerde rügt als Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Es hätten keine Gründe für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung vorgelegen. Diese Rüge erweist sich als zielführend. Der angefochtenen Bescheid enthält keine Ausführungen darüber, weshalb keine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde. In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde aus, es sei "hinfällig" gewesen, "eine Verhandlung durchzuführen, weil der objektive Sachverhalt eindeutig gegen den Berufungswerber sprach."

§ 51e Abs 1 bis 4 VStG, in der Fassung BGBl I Nr 65/2002, lauten (auszugsweise):

"§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. ... .

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.

sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.

im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

              4.              sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht. "

Mit dem bekämpften Bescheid war weder die Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis zurückzuweisen noch das Straferkenntnis aufzuheben. Ferner wurde in der Berufung nicht bloß eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, diese richtete sich auch nicht nur gegen die Höhe der Strafe. Die durch den angefochtenen Bescheid verhängte Strafe übersteigt EUR 500,--, beim angefochtenen Bescheid handelte es sich nicht um einen verfahrensrechtlichen Bescheid. Damit war keiner der Gründe für den Entfall oder das Absehen von der mündlichen Verhandlung nach § 51e VStG gegeben. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333. Wien, am 4. Mai 2006

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003030232.X00

Im RIS seit

12.06.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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