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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des E K in G, geboren 1982, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Juni 2005, Zl. 225.401/19-VI/18/05, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsbürger von Mazedonien, reiste gemäß seinen Behauptungen am 15. Oktober 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Seinen Antrag begründete er im Laufe des Verfahrens - auf das Wesentliche zusammengefasst - damit, er habe befürchtet, als "Soldat zweiter Wahl" während des Militärdienstes von (slawisch-stämmigen) Offizieren misshandelt und benachteiligt zu werden, weshalb er einem schriftlichen Einberufungsbefehl zum Militär (für April 2001) nicht nachgekommen sei. Im Fall seiner Rückkehr nach Mazedonien würde er wegen der Weigerung, Militärdienst zu leisten, verhaftet und inhaftiert werden; er hätte vermutlich ein paar Jahre Haft zu erwarten.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 24. Juli/26. Juli 2002 wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien zulässig sei. Mit hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2002/01/0433, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dies im Ergebnis deshalb, weil sich die belangte Behörde einerseits nicht ausreichend mit der zu erwartenden Behandlung des Beschwerdeführers während eines (künftig allenfalls zu absolvierenden) Militärdienstes befasst habe und weil andererseits - bezogen auf die Beurteilung, der Beschwerdeführer habe wegen einer Amnestie keine Strafverfolgung mehr zu befürchten - nähere Feststellungen zur Praxis der mazedonischen Strafverfolgungsbehörden erforderlich seien (vgl. näher das genannte Erkenntnis).
Mit Bescheid vom 22. Juni 2005 wies die belangte Behörde (als Berufungsinstanz) den Asylantrag des Beschwerdeführers abermals gemäß § 7 AsylG ab; überdies stellte sie wiederum gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien zulässig sei. Dabei ging sie unter Bezug auf eine von ihr eingeholte UNHCR-Stellungnahme vom 5. August 2004 davon aus, dass dem Beschwerdeführer nunmehr die Möglichkeit offen stehe, Zivildienst zu beantragen und auch abzuleisten, weshalb - so die erkennbare Schlussfolgerung der belangten Behörde - Befürchtungen hinsichtlich einer asylrelevanten Verfolgung im Rahmen der Ableistung des Militärdienstes die Grundlage entzogen sei. Was auf der anderen Seite die ins Treffen geführte Strafverfolgung wegen der seinerzeitigen Verweigerung des Militärdienstes anlange, so sei auf ein neues Amnestiegesetz "vom 31.01.2003" zu verweisen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer offen stehenden Möglichkeit, anstelle des Wehrdienstes einen Zivildienst abzuleisten, berief sich die belangte Behörde auf eine englische Übersetzung der vom mazedonischen Parlament beschlossenen Änderung des Verteidigungsgesetzes vom 31. Jänner 2003, die der erwähnten UNHCR-Stellungnahme vom 5. August 2004 beigeschlossen gewesen sei. Der in den Verwaltungsakten erliegenden UNHCR-Stellungnahme ist indes eine derartige Übersetzung nicht beigefügt (ebenso wenig der Originaltext). Sie findet sich auch nicht an anderer Stelle der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten. Im Hinblick darauf kann von einem zur Beurteilung vorliegenden "eindeutigen Gesetzestext", wie ihn die belangte Behörde zu erkennen vermeint, nicht die Rede sein. Als Grundlage für allfällige Überlegungen in Richtung einer dem Beschwerdeführer offen stehenden Möglichkeit, anstelle des Wehrdienstes Zivildienst abzuleisten, existiert vielmehr nur die zusammenfassende Darstellung in der besagten UNHCR-Stellungnahme. Darin wird zwar ausgeführt, dass (ua.) Wehrpflichtige während der gesamten Dauer des Dienstes mit der Waffe das Recht haben, die Ableistung von Zivildienst zu beantragen. Wie dies konkret auf den Beschwerdeführer durchschlägt, der seinem unstrittigen Vorbringen zufolge bereits im April 2001 eine Einberufung zum Wehrdienst erhalten hat, bleibt freilich unbeantwortet. Auskunft in diese Richtung gibt allerdings der von der belangten Behörde ihrem Bescheid gleichfalls zu Grunde gelegte Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes vom 28. Jänner 2005 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mazedonien, wonach (Seite 13) - abgesehen davon, dass Zivildienst demnach an das Vorliegen von "Gewissensgründen" gebunden wäre - Personen, deren Einberufung (wie im Fall des Beschwerdeführers) vor der Verabschiedung des "Wehrgesetzes" erfolgte, die neuen Regelungen (gemeint: über den Zivildienst) nicht in Anspruch nehmen könnten.
Was die Frage der Amnestie anlangt, so deutet entgegen den Ausführungen im bekämpften Bescheid nichts auf die Existenz eines Amnestiegesetzes vom 31. Jänner 2003. Demgegenüber war der UNHCR-Stellungnahme vom 5. August 2004 tatsächlich der Text eines "Amnestiegesetzes" vom 25. Juli 2003 angeschlossen. Die belangte Behörde hat diesen englisch-sprachigen Text zwar übersetzen lassen, in ihrem Bescheid dann aber als dieses "Amnestiegesetz" nur den der UNHCR-Stellungnahme gleichfalls beigefügten Wortlaut des Art. 341 des Strafgesetzbuches der Republik Mazedonien (in der Fassung einer Novelle vom 25. Jänner 2003) wiedergegeben. Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung wäre in einem Fall wie dem des Beschwerdeführers offenkundig Straffreiheit gegeben, vorausgesetzt der Betreffende stellte sich freiwillig der zuständigen staatlichen Behörde. Das zuvor erwähnte allgemeine Amnestiegesetz vom 25. Juli 2003 (welches mithin der Novellierung des Art. 341 des Strafgesetzbuches der Republik Mazedonien per 25. Jänner 2003 nachfolgte) kennt eine derart weit gehende Freiheit von Strafverfolgung allerdings nicht. Es erfasst vielmehr nur solche mazedonische Staatsbürger, die bereits das 30. Lebensjahr vollendet haben und wäre daher auf den 1982 geborenen Beschwerdeführer von vornherein nicht anwendbar. Ohne Beschäftigung mit diesem Amnestiegesetz lässt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer wegen seiner seinerzeitigen Verweigerung des Militärdienstes nunmehr (noch) Strafverfolgung zu befürchten habe, nicht schlüssig beantworten.
Nach dem Gesagten erweisen sich die dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegenden Prämissen als nicht tragfähig. Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a, b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des geltend gemachten Begehrens für den allein in Betracht kommenden Schriftsatzaufwand - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 9. Mai 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005010383.X00Im RIS seit
19.06.2006