TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/17 2004/08/0271

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.05.2006
beobachten
merken

Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
25/02 Strafvollzug;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §66a Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2;
ARB1/80 Art6 Abs1;
StVG §44;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 10. Dezember 2004, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2004-5847, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 8. September 2004 auf Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt abgewiesen.

In der Begründung gab die belangte Behörde die einschlägige Rechtslage wieder und führte aus, der Beschwerdeführer - nach der Aktenlage ein türkischer Staatsangehöriger - habe keinen Aufenthaltstitel, der seine Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt gewährleiste. Er sei Asylwerber, verfüge aber über kein vorläufiges Aufenthaltsrecht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde verneint im angefochtenen Bescheid das Vorliegen der Verfügbarkeit des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG, ohne zur Frage des Vorliegens der übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld Stellung zu nehmen.

Gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen, die aufenthaltsrechtlich berechtigt ist, eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

In der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer, er stehe auf Grund seines Status als Asylwerber dem Arbeitsmarkt - gemeint offenbar im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG - "zur Verfügung".

Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, Abschiebungsschutz zu genießen, ist er auf die mit Art. 83 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, herbeigeführte Änderung der Rechtslage zu verweisen, nach der es nunmehr ausdrücklich darauf ankommt, ob die arbeitslose Person aufenthaltsrechtlich zur Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung berechtigt ist (vgl. die eben dargestellte Rechtslage). Dass eine solche Berechtigung vorläge, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht; er hat im Verwaltungsverfahren - über ausdrücklichen Vorhalt - unbestritten gelassen, dass ihm kein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 19 AsylG zukommt.

Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2004/08/0103, ausgesprochen, dass bei türkischen Staatsangehörigen bei der Beurteilung der Verfügbarkeit nach § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG zunächst zu fragen ist, ob Artikel 6 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europaeischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB), anzuwenden ist. Dieser sieht einen Anspruch des türkischen Arbeitnehmers auf die Erteilung einer Bewilligung zur Ausübung einer Beschäftigung vor, wenn er dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört und in diesem Mitgliedstaat zumindest ein Jahr ordnungsgemäß beschäftigt gewesen ist.

Nach einer im Akt einliegenden Bestätigung der Justizanstalt Stein befand sich der Beschwerdeführer vom 29. Mai 2001 bis zum 21. Juli 2004 dort in Strafhaft und hat vom 27. Juni 2002 bis zum 21. Juli 2004 "Versicherungszeiten gemäß § 66a AlVG" erworben.

Gemäß § 66a Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 314/1994 sind Personen, die sich auf Grund eines gerichtlichen Urteils unter anderem in Strafhaft befinden und ihrer Arbeitspflicht gemäß § 44 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, in der jeweils geltenden Fassung nachkommen, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert. Darüber hat die Justizanstalt eine Bestätigung auszustellen (vgl. Abs. 4 leg. cit.).

Nach § 44 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz ist jeder arbeitsfähige Strafgefangene verpflichtet, Arbeit zu leisten. Gemäß Abs. 2 leg. cit. haben zur Arbeit verpflichtete Strafgefangene die Arbeiten zu verrichten, die ihnen zugewiesen werden.

Eine Beschäftigung als Strafgefangener im Sinne von § 44 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz ist nicht als ordnungsgemäße Beschäftigung am regulären Arbeitsmarkt im Sinne des Artikel 6 Absatz 1 ARB anzusehen. Die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 ARB setzt nämlich eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats voraus (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 26. April 2006 mit Verweisen auf Rechtsprechung des EuGH). Die Tätigkeit eines Strafgefangenen auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung begründet jedenfalls keine Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt.

Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit als Strafgefangener nicht dem regulären Arbeitsmarkt in Österreich angehört hat und deswegen auch keine Rechte aus Artikel 6 Absatz 1 ARB ableiten kann. Andere arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten außerhalb der Strafanstalt wurden vom Beschwerdeführer nicht behauptet, solche ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt (vgl. zur Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt trotz Inhaftierung die Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 10. Februar 2000 in der Rechtssache "Nazli", C-340/97, und vom 7. Juli 2005 in der Rechtssache "Dogan", C-383/03).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Mai 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004080271.X00

Im RIS seit

05.07.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten