TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/17 2004/08/0265

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Veröffentlicht am 17.05.2006
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs2;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Koloman Wallisch-Platz 22, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 8. September 2004, Zl. LGS600/SfA/1218/2004-WW/S, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, mit dem der Bezug von Notstandshilfe durch den Beschwerdeführer vom 22. Juli bis zum 1. September 2004 eingestellt wurde, abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, am 21. Juli 2004 sei dem Beschwerdeführer von der erstinstanzlichen Behörde eine Beschäftigung als Bürokaufmann bei der L GmbH - nach der Aktenlage mit einer Entlohnung "von brutto KV zuzüglich Unterkunft" - zugewiesen worden. Möglicher Arbeitsantritt sei der 22. Juli 2004 gewesen. Laut Niederschrift vom 21. Juli 2004 habe sich der Beschwerdeführer beim möglichen Dienstgeber nicht beworben, da er nicht bereit gewesen sei, eine Arbeit in Tirol aufzunehmen. Er habe eine achtjährige Tochter, für die er jedoch nicht sorgepflichtig sei. Seit 1997 habe der Beschwerdeführer versucht, das Sorgerecht für seine Tochter zu erhalten, weshalb er keine Beschäftigung in Tirol aufnehmen wolle. Da die Arbeitsaufnahme bei der L GmbH aus Verschulden des Beschwerdeführers nicht zustande gekommen sei, sei der Notstandshilfebezug für sechs Wochen eingestellt worden. In der dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer angeführt, er hätte "die Stelle als Steirer definitiv nicht bekommen, da es einige sehr gute Bewerbungen aus der näheren Umgebung der Firma gegeben hätte". Dies habe ihm eine Mitarbeiterin der L GmbH in einem Telefongespräch am 10. August 2004 mitgeteilt. Der Beschwerdeführer meine daher, die L GmbH hätte ihm gar kein konkretes Stellenangebot unterbreitet, das er hätte ablehnen können. Zudem hätte eine Beschäftigung in Tirol eine positive Entscheidung des Obsorgeverfahrens erschwert oder unmöglich gemacht.

Nach einer Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, im Betreuungsplan vom 29. Juni 2004 sei unter anderem vereinbart worden, dass der Beschwerdeführer als Büroangestellter oder als Hilfskraft im gesamten Bundesgebiet vermittelt werden könne. Im Jahr 2004 seien ihm sieben Vermittlungsvorschläge in der näheren Umgebung unterbreitet worden, die zu keiner Beschäftigung geführt hätten. Daher sei dem Beschwerdeführer das Stellenangebot - in seinem erlernten Beruf - als Bürokaufmann bei der L GmbH in Fieberbrunn übermittelt worden. Der Beschwerdeführer habe sich dort nicht beworben, "auch wenn Sie im späteren Verlauf am 10.08.2004 telefonisch vom möglichen Dienstgeber erfahren haben, es hätte gute BewerberInnen aus der Region gegeben". Der Beschwerdeführer sei geschieden und habe keine Sorgepflichten für Kinder. Das seit 1997 anhängige Obsorgeverfahren sei kein Grund, der das Unterlassen der Bewerbung entschuldigen würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2001 ist arbeitswillig, wer unter anderem bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sich sonst bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Eine Beschäftigung außerhalb des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Arbeitslosen ist nach § 9 Abs. 3 AlVG zumutbar, wenn hiedurch die Versorgung seiner Familienangehörigen, zu deren Unterhalt er verpflichtet ist, nicht gefährdet wird und am Orte der Beschäftigung, wenn eine tägliche Rückkehr an den Wohnort nicht möglich ist, entsprechende Unterkunftsmöglichkeiten bestehen.

Nach § 10 Abs. 1 AlVG iVm § 38 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Notstandshilfe.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn schon das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042, Slg. Nr. 13.722/A, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0050).

Der Beschwerdeführer rügt das Fehlen von Feststellungen darüber, "dass er als auswärtiger Arbeitssuchender für ein Beschäftigungsverhältnis (in Tirol) nicht in Frage gekommen wäre, da andere interessante Bewerbungen von ortsansässigen Arbeitssuchenden vorlagen". Hätte die belangte Behörde diese Feststellung getroffen, wäre daraus der Schluss zu ziehen, dass das Unterlassen der Bewerbung für das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht kausal gewesen sei.

Bei dieser Argumentation übersieht der Beschwerdeführer, dass er nach den Feststellungen der belangten Behörde, denen er insoweit nicht entgegentritt, nicht das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt, sondern vielmehr die Annahme der (potenziell möglichen) Beschäftigung als für ihn wegen der erforderlichen Übersiedlung nach Tirol unzumutbar verweigert hat.

Es ist daher nur zu prüfen, ob der Beschwerdeführer dazu berechtigt war.

Der Beschwerdeführer bringt dazu in der Beschwerde nur vor, das anhängige Obsorgeverfahren seine Tochter betreffend stelle einen berücksichtigungswürdigen Umstand im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG dar.

Gemäß § 10 Abs. 2 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 ist der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zum Beispiel Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht ist der Regionalbeirat anzuhören.

Berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter trifft, als dies sonst ganz allgemein der Fall ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2003/08/0117).

Eine Sperre des Leistungsbezuges belastet einen Arbeitslosen, der einen Sorgerechtsstreit führt - ohne Hinzutreten weiterer Umstände -, nicht mehr als einen davon nicht betroffenen Arbeitslosen. Besondere Umstände im Zusammenhang mit dem Obsorgeverfahren, auf Grund derer den Beschwerdeführer die Sperre unverhältnismäßig härter träfe, als dies sonst ganz allgemein der Fall ist - etwa außerordentliche Aufwendungen -, hat er nicht behauptet; für das Vorliegen solcher Gründe ergaben sich auch im Akt keinerlei Anhaltspunkte.

Selbst wenn man den Obsorgestreit als für die Frage der Zumutbarkeit der Beschäftigung von Bedeutung erachtete, so wäre damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Nach den Feststellungen ist der Beschwerdeführer für seine Tochter nicht obsorgeberechtigt bzw. -verpflichtet; ein anderer Grund, der eine Übersiedlung nach Tirol unzumutbar machte, wurde nicht behauptet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. Mai 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004080265.X00

Im RIS seit

05.07.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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