TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/18 2006/18/0025

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Veröffentlicht am 18.05.2006
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/18/0026 2006/18/0027 2006/18/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde

1. des I, geboren 1964, 2. der Z, geboren 1964, 3. des A, geboren 1992, und 4. der D, geboren 1998, alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres 1. vom 29. November 2005, Zl. 144.607/2-III/4/05, 2. vom 2. Dezember 2005, Zl. 144.607/3-III/4/05, 3. vom 2. Dezember 2005, Zl. 144.607/4-III/4/04, und 4. vom 2. Dezember 2005, Zl. 144.607/5- III/4/05, jeweils betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je EUR 12,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 29. November 2005 bzw. 2. Dezember 2005 wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 22. März 2005 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für "jeglichen Aufenthaltszweck, § 13 Abs. 2 FrG" gemäß §§ 10 Abs. 4, 14 Abs. 2 und 19 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer sei am 19. Dezember 2001 ohne gültige Aufenthaltsberechtigung nach Österreich eingereist und habe noch am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der zweitinstanzlich abgewiesen worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 20. Jänner 2005 abgelehnt. Während der Dauer des Asylverfahrens sei der Erstbeschwerdeführer im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz gewesen. Die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers (die Zweitbeschwerdeführerin), der gemeinsame Sohn (der Drittbeschwerdeführer) und die gemeinsame Tochter (die Viertbeschwerdeführerin) seien am 13. September 2001 ohne gültige Aufenthaltsberechtigung nach Österreich eingereist und hätten am selben Tag Asylanträge gestellt, die zweitinstanzlich abgewiesen worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden mit Beschluss vom 20. Jänner 2005 abgelehnt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen hätten sich die Beschwerdeführer im Inland aufgehalten. Sie hätten humanitäre Gründe im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG behauptet. In ihren Asylverfahren sei gemäß § 8 AsylG festgestellt worden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat (Türkei) zulässig seien. Damit stehe fest, dass für sie keine Gefahr im Sinn des § 57 FrG bestehe. Der Erstbeschwerdeführer habe behauptet, an Asthma und Strabismus zu leiden, deren Behandlung in der Türkei "sehr teuer" wäre. Auch die anderen Beschwerdeführer hätten sich in Bezug auf das Vorliegen eines humanitären Grundes auf diesen Umstand berufen. Der Erstbeschwerdeführer habe weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren Unterlagen bzw. Nachweise über seine Krankheiten vorgelegt. Daher habe nicht festgestellt werden können, dass auf Grund derartiger Krankheiten besonders berücksichtigungswürdige humanitäre Gründe für die Beschwerdeführer vorliegen würden. Auch die sonstigen Darlegungen der Beschwerdeführer zu ihrer Integration in Österreich würden keine Gründe für die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels darstellen. Eine Inlandsantragstellung werde gemäß § 14 Abs. 2 FrG von Amts wegen nicht zugelassen. Gemäß § 14 Abs. 2 FrG hätten die Anträge der Beschwerdeführer vor der Einreise vom Ausland aus gestellt werden müssen.

2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, am 13. September 2001 bzw. am 19. Dezember 2001 nach Österreich eingereist zu sein und sogleich Asylanträge gestellt zu haben, die rechtskräftig mit der Feststellung abgewiesen worden sind, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in ihre Heimat Türkei zulässig sei (§ 8 AsylG). Weiters stellen die Beschwerdeführer nicht in Abrede, noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt zu haben.

2.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, beide Kinder der Familie (und nicht, wie in den angefochtenen Bescheiden festgestellt, der Erstbeschwerdeführer) würden an Erkrankungen leiden und in Österreich in ständiger medizinischer Betreuung stehen. Der Drittbeschwerdeführer leide an chronischem Asthma. Die Viertbeschwerdeführerin leide an Strabismus. Der Drittbeschwerdeführer benötige ständig Medikamente gegen seine Asthmaanfälle, die er nur in Österreich bekommen könne. Die dargestellten Umstände würden für alle Beschwerdeführer einen humanitären Grund im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG darstellen.

2.2. § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG eröffnet der Niederlassungsbehörde die Möglichkeit, von Amts wegen in ganz bestimmten Ausnahmefällen (nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 10 Abs. 4 FrG) von einer Abweisung eines im Inland gestellten Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung Abstand zu nehmen. Einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn von § 10 Abs. 4 FrG hat der Verwaltungsgerichtshof nur bei mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG verbundenen Lebensumständen eines Fremden und wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht, angenommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0020).

Durch die rechtskräftige Abweisung der Asylanträge der Beschwerdeführer und die rechtskräftige Feststellung, dass deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei zulässig sei, steht fest, dass die Beschwerdeführer in ihrer Heimat keiner Gefährdung oder Bedrohung im Sinn von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG ausgesetzt sind, sofern nicht in den als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine wesentliche Änderung eingetreten ist (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2006/18/0020). Der Drittbeschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren ein ärztliches Attest von Dr. A. vom 8. März 2005 mit der Diagnose "anamnest. Asthma bronch., allerg. Rhinitis, Hausstaubmilbenallergie" vorgelegt. Die Viertbeschwerdeführerin hat ein ärztliches Attest des gleichen Arztes und gleichen Datums mit der Diagnose "Strabismus" vorgelegt. Mit diesem Vorbringen haben die Beschwerdeführer aber nicht aufgezeigt, inwieweit sich für sie seit dem rechtskräftigen Abschluss ihrer Asylverfahren (nach den vorgelegten Verwaltungsakten am 2. Juni 2003) die Lebenssituation in der Türkei und damit die für die rechtliche Beurteilung der für das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles im Sinn von § 10 Abs. 4 FrG maßgeblichen Sachverhaltselemente wesentlich geändert hätten. Das Vorbringen der Beschwerdeführer enthält im Übrigen keinen glaubhaften Kern mit Anhaltspunkten dafür, dass die medizinische Behandlung des Drittbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin ausschließlich in Österreich erfolgen könnte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Mai 2005, Zl. 2005/18/0118, und vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0703). Von daher kommt dem Umstand, dass die belangte Behörde irrtümlich festgestellt hat, dass die behaupteten Krankheiten den Erstbeschwerdeführer betreffen, keine Relevanz zu.

Infolge Nichtvorliegens besonders berücksichtigungswürdiger Fälle im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG war die Abweisung der gegenständlichen Anträge mangels Auslandsantragstellung gemäß § 14 Abs. 2 FrG unbedenklich.

3. Die somit unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Zuspruch von Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der von der belangten Behörde für die Aktenvorlage begehrte Pauschalbetrag von EUR 51,50 war von den Beschwerdeführern anteilig zu ersetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 95/04/0171).

5. In Ansehung der Erledigung der Beschwerden erübrigt sich eine Entscheidung über die Anträge, diesen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 18. Mai 2006

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhaltsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006180025.X00

Im RIS seit

21.06.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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