TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/18 2006/18/0108

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Veröffentlicht am 18.05.2006
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 lita;
PaßG 1992 §15 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg, Haushamerstraße 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 3. März 2006, Zl. 9.585.624/0004- III/3/a/2006, betreffend Versagung der Ausstellung eines Reisepasses und Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 3. März 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Reisepasses gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 (PassG) abgewiesen und der dem Beschwerdeführer ausgestellte Reisepass Nr. A 0182667 mit einer Gültigkeitsdauer bis 11. April 2006 gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a leg. cit. entzogen.

Der Beschwerdeführer habe am 16. August 2005 beim österreichischen Generalkonsulat in Zürich die Ausstellung eines Reisepasses beantragt. Am 21. Oktober 2005 sei er von diesem Generalkonsulat ersucht worden, persönlich vorzusprechen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin telefonisch mitgeteilt, dass er nicht beabsichtige zu erscheinen und ein Recht auf Ausstellung eines Reisepasses habe.

Am 6. Dezember 2005 habe der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag eingebracht, weil das Generalkonsulat Zürich nicht innerhalb von drei Monaten entschieden hätte.

Im von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahren habe festgestellt werden können, dass am 6. August 1998 vom Landesgericht für Strafsachen Graz gegen den Beschwerdeführer ein Haftbefehl wegen Fluchtgefahr gemäß § 175 Abs. 1 Z. 2 Strafprozessordnung (StPO) iVm § 85 Abs. 1 lit. b Finanzstrafgesetz (FinStrG) erlassen worden sei. Gegen den Beschwerdeführer werde bei diesem Gericht ein Vorverfahren wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a iVm § 13 FinStrG geführt. Der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht teils durch Nichterklärung von erzielten Einnahmen, teils durch Vortäuschung einer nur beschränkt bestehenden Einkommensteuerpflicht ab 1987, teils durch Einschaltung von schweizer und liechtensteinischen Scheinfirmen, wodurch Gewinnverlagerungen ins Ausland bzw. Scheinbetriebsausgaben in der Einzelfirma geschaffen worden seien, und teils durch Behandlung von Aufwendungen für das Privathaus als betriebliche Aufwendungen in Form von Falschfakturierungen, Verkürzungen an Einkommen-, Umsatz- und Vermögenssteuer in nachfolgender Höhe bewirkt zu haben:

Einkommensteuer 1980 bis 1986

S

49,599.102,00

Umsatzsteuer 1980 bis 1986

S

7,809.897,00

Vermögensteuer 1982

S

67.160,00

Umsatzsteuer für 1990

S

1,171.955,00

Weiters habe er auf die dargestellte Art folgende Steuern zu

verkürzen versucht:

Einkommensteuer 1987 bis 1989

S

39,266.982,00

Umsatzsteuer 1987 bis 1989

S

6,289.732,00

In seiner über Aufforderung der belangten Behörde dazu erstatteten Stellungnahme habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, bereits seit dem Jahr 1982 (also mehr als zehn Jahre vor der Einleitung gerichtlicher Schritte) seinen Hauptwohnsitz in der Schweiz begründet zu haben. Dies wäre den österreichischen Behörden bekannt. Es könnte daher ausgeschlossen werden, dass er seinen Wohnsitz nur deswegen in der Schweiz begründet hätte, um sich einer strafrechtlichen Verfolgung in Österreich zu entziehen. Überdies würde er in der Schweiz über eine ordnungsgemäße Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verfügen. Er wäre dort in einem Arbeitsverhältnis gestanden und bezöge deshalb nunmehr eine Pension. Überdies hätte er zu den ihm zur Last gelegten Straftaten bereits umfangreich vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz ausgesagt; hiedurch wäre er seiner Verpflichtung zur Teilnahme am Strafverfahren in ausreichendem Maß nachgekommen. Dem genannten Gericht stünde es somit frei, die Hauptverhandlung jederzeit auch in Abwesenheit des Beschuldigten durchzuführen.

Da das Generalkonsulat Zürich nicht innerhalb der dreimonatigen Frist des § 17 Abs. 1 PassG entschieden habe, sei der Devolutionsantrag berechtigt, weshalb die Zuständigkeit auf die belangte Behörde übergegangen sei.

Fest stehe, dass der oben erwähnte Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer nach wie vor aufrecht sei. Das gerichtliche Strafverfahren wegen Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a iVm § 13 FinStrG sei nach wie vor anhängig. Der Beschwerdeführer sei zu der für 6. Mai 1998 bis 8. Mai 1998 angesetzten Hauptverhandlung nicht erschienen. Am 10. August 1998 sei das Strafverfahren gemäß § 412 StPO abgebrochen worden. Seitdem habe der Beschwerdeführer keinerlei persönliche Kontakte mit dem Gericht aufgenommen bzw. sonstige Bemühungen unternommen, seine anhängige Strafsache zu bereinigen.

Der Beschwerdeführer habe somit keine Bereitschaft gezeigt, gerichtlichen Ladungen Folge zu leisten und wirksame Schritte zur Bereinigung seines Strafverfahrens zu unternehmen.

Auf Grund dieser Umstände sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer den Reisepass benützen wolle, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht sei, eingeleiteten Strafverfolgung im Inland zu entziehen. Die beantragte Ausstellung des Reisepasses sei daher gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a PassG zu versagen gewesen.

Auf Grund des Vorliegens dieses Passversagungsgrundes sei der dem Beschwerdeführer am 12. April 1996 - somit vor Einleitung des Strafverfahrens - ausgestellte Reisepass zu entziehen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.Gemäß § 14 Abs. 1 PassG ist die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. a) sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist, eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung im Inland zu entziehen.

Gemäß § 15 Abs. 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass gegen ihn auf Grund des Verdachtes der Verkürzung von Abgaben in der Höhe von insgesamt mehr als 58 Mio. Schilling und der versuchten Verkürzung von Abgaben in der Höhe von mehr als 45 Mio. Schilling beim Landesgericht für Strafsachen Graz ein Strafverfahren wegen - teilweise versuchter - Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a iVm § 13 FinStrG anhängig ist.

Das Vergehen der Abgabenhinterziehung ist gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG mit einer Geldstrafe bis zum zweifachen des Verkürzungsbetrages und überdies mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht.

Weiters bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass wegen des dem erwähnten Strafverfahren zu Grunde liegenden Verdachtes gegen ihn am 6. August 1998 ein Haftbefehl wegen Fluchtgefahr gemäß § 175 Abs. 1 Z. 2 StPO erlassen worden ist, welcher nach wie vor aufrecht ist. Auf Grund dieses Haftbefehls steht fest, dass das Gericht den Haftgrund, dass der Verdächtige "flüchtig ist oder sich verborgen hält oder wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten", als gegeben erachtet.

Aus dem unstrittigen Umstand, dass das Gerichtsverfahren gemäß § 412 StPO abgebrochen ist, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer nach Ansicht des Gerichts - wegen seines Auslandsaufenthalts - nicht vor Gericht gestellt werden kann.

Schließlich steht unstrittig fest, dass der Beschwerdeführer seither keinerlei Bemühungen unternommen hat, seine anhängige Strafsache zu bereinigen.

Die belangte Behörde hat auf diese Umstände ihre Ansicht gestützt, dass Tatsachen vorliegen würden, die die Annahme rechtfertigten, der Beschwerdeführer wolle den Reisepass benützen, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist, eingeleiteten Strafverfolgung im Inland zu entziehen.

3. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren unstrittig vorgebracht, dass er bereits seit 1982 in der Schweiz lebe, sein dortiger Wohnsitz den österreichischen Behörden bekannt sei und er dort auf Grund seiner früheren Berufstätigkeit eine Pension beziehe. Auf Grund der Wohnsitzverlegung bereits vor Einleitung des Strafverfahrens sei auszuschließen, dass er nur deshalb in die Schweiz gezogen sei, um sich dem Strafverfahren zu entziehen.

Dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht zielführend, weil es für das Vorliegen des Versagungsgrundes gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a PassG nicht darauf ankommt, wann der Verdächtige ausgereist ist, ob sein ausländischer Wohnsitz bekannt ist und über welche Einkommensquellen er im Ausland verfügt, sondern nur darauf, ob die Annahme gerechtfertigt ist, er werde den Pass dazu benützen, um sich der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung - etwa durch Verbleib im Ausland - zu entziehen.

Weiters hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass er ohnehin vor dem Untersuchungsrichter bereits ausführlich ausgesagt habe und das Gericht daher in der Lage wäre, die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit durchzuführen.

Dem ist zu entgegnen, dass es der belangten Behörde nicht zukommt, den für das Gericht ausschlaggebenden Grund, aus dem es das persönliche Erscheinen eines Verdächtigen oder Beschuldigten für erforderlich und die Fällung eines Abwesenheitsurteiles (§ 427 StPO) für unzulässig hält, zu überprüfen.

Soweit der Beschwerdeführer sein dargestelltes Vorbringen im Verwaltungsverfahren in der Beschwerde wiederholt und in diesem Zusammenhang Verfahrensmängel geltend macht, gelingt es ihm daher nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

4. Das vom Beschwerdeführer zugestandenermaßen erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, er sei zu der für 6. bis 8. Mai 1998 anberaumten Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden, ist als Neuerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtlich (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Entgegen der Beschwerdemeinung war die belangte Behörde nicht gehalten, zu dieser Frage amtswegige Ermittlungen durchzuführen.

5. Aus den dargestellten Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, der Passversagungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a PassG sei erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die darauf gestützte Versagung der Ausstellung des beantragten Reisepasses und die darauf und auf § 15 Abs. 1 leg. cit. gestützte Entziehung des dem Beschwerdeführer ausgestellten Reisepasses sind daher unbedenklich.

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 18. Mai 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006180108.X00

Im RIS seit

20.06.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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