TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/18 2005/18/0651

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Veröffentlicht am 18.05.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2005/18/0674 E 18. Mai 2006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S in W, geboren 1984, vertreten durch Mag. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Juli 2005, Zl. SD 1173/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. Juli 2005 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Im März 2000 sei im Zug von Erhebungen bekannt geworden, dass sich der Beschwerdeführer, sein Vater und seine beiden Brüder an einer Wiener Adresse "ohne Sichtvermerk" aufhalten würden. Da der Beschwerdeführer an dieser Anschrift nicht gemeldet gewesen sei, sei gegen ihn ein aufenthaltsbeendendes Verfahren eingeleitet worden. In einer dazu ergangenen Stellungnahme vom 25. August 2000 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, im Jahr 1993 nach Österreich eingereist zu sein und hier die Volks- und Hauptschule besucht zu haben. Er hätte derzeit keine aufrechte Krankenversicherung, würde jedoch von seinem Onkel M. - diesbezüglich sei eine Verpflichtungserklärung vom 25. Jänner 2000 aktenkundig - sowie von einem zweiten Onkel namens T. finanziell unterstützt. Während dieses Ausweisungsverfahrens sei der Beschwerdeführer am 20. Oktober 2000 bei Verfugungsarbeiten von Waschbetonplatten angetroffen und nach den Bestimmungen des FrG vorläufig festgenommen worden. Bei der niederschriftlichen Vernehmung vom 20. Oktober 2000 habe der Beschwerdeführer angegeben, dass sämtliche Familienmitglieder ihren Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten bestreiten würden. Nachdem der Beschwerdeführer wegen des illegalen Aufenthalts (rechtskräftig mit 30. November 2000) bestraft worden sei, sei er mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Juni 2002 ausgewiesen worden. Eine dagegen gerichtete Beschwerde sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 2002 als unbegründet abgewiesen worden.

In der Folge sei der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und habe zunächst im Weg seines Rechtsanwaltes um Überprüfung ersucht, ob die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen möglich wäre. Trotz Aufforderung durch die Erstbehörde vom 8. September 2003, habe der Beschwerdeführer das Bundesgebiet nicht verlassen. Mit seit 26. Februar 2004 rechtskräftiger Strafverfügung sei er neuerlich wegen illegalen Aufenthalts bestraft worden. Schließlich sei er zur Vollstreckung des Ausweisungsbescheides in Schubhaft genommen und am 25. Februar 2004 abgeschoben worden. Ein am 16. Februar 2004 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung sei mit Bescheid vom 21. September 2004 mangels Antragstellung vom Ausland rechtskräftig abgewiesen worden.

Zuletzt sei der Beschwerdeführer im Mai 2004 mit einem von 24. April 2004 bis 23. Juli 2004 gültigen "Touristenvisum" in das Bundesgebiet eingereist. Am 18. November 2004 habe er einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "selbständige Schlüsselkraft" gestellt, der mit Bescheid vom 2. Mai 2005 gemäß § 14 Abs. 2 FrG rechtskräftig abgewiesen worden sei. Mit der seit 9. März 2005 rechtskräftigen Strafverfügung sei der Beschwerdeführer neuerlich wegen unrechtmäßigen Aufenthalts bestraft worden.

Da sich der Beschwerdeführer somit seit 24. Juli 2004 unrechtmäßig im Bundesgebiet befinde, seien die Voraussetzungen für die Erlassung der Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG gegeben.

Der Beschwerdeführer habe aktuelle familiäre Beziehungen zu seinem Vater - dieser sei im Übrigen von der Erstbehörde rechtskräftig ausgewiesen worden - oder zu anderen Familienangehörigen nicht geltend gemacht. Auf Grund des langjährigen, wenngleich fast zur Gänze unrechtmäßigen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers und im Hinblick auf den im Inland absolvierten Schulbesuch sowie die bestehende familiäre Bindung zu seinem Bruder sei die Ausweisung mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Der Beschwerdeführer habe mehrfach gravierend gegen fremdenrechtliche Vorschriften verstoßen. Neben der besonders langen Dauer seines unrechtmäßigen Aufenthaltes falle gravierend ins Gewicht, dass er trotz dreier Bestrafungen wegen illegalen Aufenthalts - diesbezüglich sei sogar der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegeben - nicht ausgereist sei. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer bei einer niederschriftlichen Befragung am 23. Juni 2005 angegeben habe, nicht im Besitz von Geld zu sein, weshalb auch die Verhängung eines Aufenthaltsverbots wegen Mittellosigkeit zu prüfen wäre. Die familiäre Bindung zum Bruder N. erfahre dadurch eine Relativierung, dass sich dieser ebenfalls unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und gleichzeitig mit dem Beschwerdeführer habe ausgewiesen werden müssen.

Da darüber hinaus keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe auch nicht im Rahmen des der Behörde gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens von der Ausweisung Abstand genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, zuletzt mit einem von 24. April 2004 bis 23. Juli 2004 gültigen Visum C in das Bundesgebiet eingereist und nach Ablauf dieses Einreisetitels nicht mehr ausgereist zu sein.

Die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG sei erfüllt, begegnet keinen Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid insbesondere im Grund des § 37 Abs. 1 FrG und bringt dazu vor, dass der Schutz des Familienlebens das Zusammenleben mit den engsten Familienangehörigen, wie er dies mit seinen beiden Brüdern, seiner Schwester und seinen Eltern erlebe, aber auch die Beziehung zu seinem Onkel T., der die gesamte Familie finanziell unterstütze, umfasse. Auf Grund der sehr intensiven familiären Bindungen in Österreich und des langjährigen Aufenthalts sei die Ausweisung im Grund des § 37 nicht zulässig. Weiters wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Begründung des angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer familiäre Beziehungen nicht geltend gemacht habe. Es könne nicht im Sinn eines ordnungsgemäßes Verfahrensablaufes liegen, dass die Behörde, nur um ein angestrebtes Ergebnis zu erreichen, die Offizialmaxime missachte.

2.2.1. Wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt, wurde der Beschwerdeführer bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Juni 2002 rechtskräftig ausgewiesen. Mit hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/18/0168, wurde die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen. Bei dieser Ausweisung wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers berücksichtigt, dass seine Familie vom Onkel T. unterstützt werde. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG wurde u.a. die Dauer des inländischen Aufenthalts und der Umstand berücksichtigt, dass sich der Vater und zwei Brüder - unberechtigt - im Bundesgebiet aufhalten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das genannte hg. Erkenntnis verwiesen.

2.2.2. Der Beschwerdeführer ist unstrittig nach Erlassung der genannten Ausweisung bis zu seiner Abschiebung am 25. Februar 2004 im Bundesgebiet verblieben, im Mai 2004 mit einem bis Juli 2004 gültigen Visum C wieder eingereist und auch nach Ablauf dieses Visums im Bundesgebiet verblieben. Durch diese Aufenthaltsdauer wird die bereits im Zeipunkt der Ausweisung vom 19. Juni 2002 gegebene Integration des Beschwerdeführers nicht nennenswert verstärkt, war der Aufenthalt doch nur für kurze Zeit auf Grund eines Visums C berechtigt.

Der Beschwerdeführer hat nach dem Akteninhalt bei seiner Vernehmung vom 20. Oktober 2000 angegeben, dass sich sein Vater und seine beiden Brüder in Österreich, seine Mutter und seine Schwester hingegen in Bosnien-Herzegowina befinden würden. Im Zug der Erlassung der gegenständlichen Ausweisung wurde er mit Schreiben der Erstbehörde vom 3. Februar 2005 aufgefordert, binnen zwei Wochen u.a. Namen und Anschrift der in Österreich lebenden Familienangehörigen bekannt zu geben. Dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen. Zu weiteren amtswegigen Nachforschungen zur Frage, ob und welche Verwandte in Österreich aufhältig sind, war die Behörde - entgegen der Beschwerdemeinung - nicht verpflichtet.

In der am 27. Mai 2005 eingelangten Berufung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, keinen Kontakt zu seinen Angehörigen in Bosnien zu haben, hingegen nicht konkret behauptet, welche Angehörigen sich in Österreich befinden. Bei der niederschriftlichen Vernehmung vom 23. Juni 2005 hat der Beschwerdeführer ausgesagt, dass seine "Familie" in Österreich lebe, jedoch "kein Visum" habe, ohne zu konkretisieren, welche Angehörige in Österreich lebten.

Der Beschwerdeführer hat somit nie konkret behauptet, dass sich seine Mutter und seine Schwester in Österreich befinden. Bei diesem Beschwerdevorbringen handelt es sich somit um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Die belangte Behörde hat berücksichtigt, dass sich ein Bruder des Beschwerdeführers - illegal - im Bundesgebiet befindet. Selbst wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers den vorgebrachten inländischen Aufenthalt eines Onkels, des - unstrittig rechtskräftig ausgewiesenen - Vaters und eines weiteren - ebenfalls unberechtigt aufhältigen - Bruders berücksichtigt, haben sich die familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem Zeitpunkt der Ausweisung vom 19. Juni 2002 nicht verstärkt.

Dem gegenüber ist jedoch eine erhebliche Verstärkung der öffentlichen Interessen an der gegenständlichen Ausweisung eingetreten. Der Beschwerdeführer ist trotz rechtskräftiger Ausweisung seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und musste schließlich abgeschoben werden. Nach der Wiedereinreise mit einem Visum C ist er der infolge Ablaufs der Gültigkeitsdauer dieses Einreisetitels bestehenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Er hat seinen unrechtmäßigen Aufenthalt trotz zweier weiterer rechtskräftiger Bestrafungen und rechtskräftiger Abweisung von zwei Anträgen auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aufrecht gehalten. Aus diesem Verhalten resultiert eine schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung zwar vorgebracht, dass er in Bosnien-Herzegowina massiver Verfolgung ausgesetzt wäre, weil er sich dem Militärdienst entzogen habe, jedoch nicht - wie in der Beschwerde behauptet - für den Fall der Abweisung der Berufung einen Asylantrag gestellt.

Mit dem Vorbringen, die Behörde hätte den mit der Berufung gestellten Asylantrag an das Bundesasylamt weiter zu leiten oder den Beschwerdeführer an diese Behörde zu verweisen gehabt, macht der Beschwerdeführer keine Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid geltend.

4. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde hätte im Rahmen des ihr gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens von der Erlassung der Ausweisung Abstand nehmen müssen, wird zunächst ebenfalls auf das die Ausweisung des Beschwerdeführers vom 19. Juni 2002 betreffende hg. Erkenntnis, Zl. 2002/18/0168, verwiesen. Nach diesem Erkenntnis war im damaligen Zeitpunkt kein Umstand ersichtlich, der für eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers gesprochen hätte. Da auch aus dem nunmehrigen Beschwerdevorbringen im Zusammenhang mit dem Akteninhalt keine derartigen Umstände ersichtlich sind, bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens von der Ausweisung des Beschwerdeführers abzusehen.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Mai 2006

Schlagworte

Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005180651.X00

Im RIS seit

26.06.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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