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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des I, 8047 Graz, Riesstraße 54/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 21. Dezember 2004, Zl. 696/1-2003, betreffend
I. Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und II. Feststellung gemäß § 75 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in dem die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes betreffenden Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Zum Aufenthaltsverbot:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Mazedonien, war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mit einer Österreicherin verheiratet.
Von daher gesehen gleicht der vorliegende Fall in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2005, Zl. 2005/21/0165, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Demnach ist auch der hier angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt I. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. II. Zur Feststellung gemäß § 75 FrG:
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid (Spruchpunkt II) stellte die belangte Behörde gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, fest, es bestünden keine stichhältigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Mazedonien gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Seine Abschiebung nach Mazedonien sei somit zulässig.
Zur Begründung dieses Ausspruches führte die belangte Behörde, indem sie die entsprechende Argumentation der Behörde erster Instanz billigte, u.a. aus, der Beschwerdeführer habe bei einer niederschriftlichen Einvernahme am 4. Februar 2003 unter Beiziehung eines Dolmetschers, über den Inhalt des § 75 FrG aufgeklärt, einen Antrag nach dieser Bestimmung gestellt. Begründend habe er ausgeführt, er habe "im Krieg" vor seiner Flucht nach Österreich auf der "albanischen Seite" gekämpft. Er könne daher nicht zurück nach Mazedonien, weil dieser Umstand dort bekannt sei und er daher "mit Sicherheit mit Sanktionen zu rechnen habe".
In der Folge sei der Beschwerdeführer nachdrücklich darauf hingewiesen worden, dass seine Aussage, er habe "mit Sanktionen zu rechnen", nicht ausreichend sei und der genannte Antrag somit - allein auf dieser Grundlage - abgewiesen würde. Hierauf habe er bei einer niederschriftlichen Einvernahme am 11. März 2003 Folgendes geantwortet:
"Wenn ich bezüglich genauerer Angaben bezüglich meines Einsatzes in der albanischen Armee befragt werde, so teile ich mit, dass ich dazu keine Angaben machen will. Ich habe Angst und will keine genaueren Gründe angeben.
Mir wird mitgeteilt, dass mein Antrag gemäß § 75 FrG (Unzulässigkeit der Abschiebung) ohne Angabe von näheren Gründen nicht halten wird.
Dazu gebe ich nochmals an, dass ich verstanden habe, aber
keine näheren Aussagen tätigen will.
..."
Dem Beschwerdeführer sei es somit nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihm im Fall einer Abschiebung nach Mazedonien konkret die im § 57 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gefahren drohten. Die bloße Bezugnahme in der Berufung auf (in Kopie wiedergegebene) Länderberichte sei nicht geeignet, eine Bedrohungs- oder Gefährdungssituation glaubhaft zu machen, weil gar nicht behauptet werde, dass sich diese Berichte auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers beziehen. Ebenso sei die bloß abstrakte Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werde, nicht ausreichend.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.
Gemäß § 57 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre.
Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 Abs. 1 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. November 2002, Zl. 2002/21/0185, und vom 9. Juni 2005, Zl. 2003/21/0181, jeweils mwN).
Der Beschwerdeführer macht geltend, es mangle im angefochtenen Bescheid "an jeglicher Feststellung hinsichtlich von Verfolgungen von Armeeangehörigen auf albanischer Seite im heutigen Makedonien". Die belangte Behörde habe es insbesondere unterlassen, zur Menschenrechtslage bzw. zu Verfolgungshandlungen in dieser Republik allgemein gültige Feststellungen zu treffen und "die besonderen Auswirkungen der UCK-Zugehörigkeit des Berufungswerbers zu würdigen". Dabei verweist er auf einen näher dargestellten "Einzelentscheider-Brief" des (deutschen) Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.
Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer (zuletzt im Übrigen bei einer neuerlichen Befragung am 25. Februar 2005) jede Aussage über Einzelheiten der von ihm behaupteten Einsätze auf Seite der albanischen Untergrundkämpfer und selbst allgemeine Angaben zu diesem Themenkreis (etwa betreffend seinen Beitritt) verweigert hat. Die Würdigung dieses Verhaltens durch die belangte Behörde dahin, dass deshalb die im Rahmen des Antrages geltend gemachten Umstände und damit auch der behauptete "Militärdienst" nicht glaubhaft gemacht worden seien, ist im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Schlüssigkeitsprüfung nicht zu beanstanden. Somit geht auch der Verweis auf Länderberichte, die in ihrer Begründung von Gefährdungen auf derartige Militäreinsätze aufbauen, ins Leere.
Abgesehen von dem - nicht bescheinigten - "Militärdienst" wird auch in der Beschwerde und in dem von ihr referierten Länderbericht die Bedrohung eines albanisch-stämmigen mazedonischen Staatsangehörigen im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG - bloß als Folge seiner Zugehörigkeit zu dieser nach dem Inhalt des Berichtes 22,9 % der Gesamtbevölkerung ausmachenden ethnischen Gruppe - nicht einmal behauptet. Auch eine sonstige Pflicht der (belangten) Behörde zu Ermittlungen besteht, entgegen der Beschwerdeansicht, nur in dem Umfang, in dem ein ausreichend konkretes, eine maßgebliche Gefährdung und/oder Bedrohung nach § 57 Abs. 2 bzw. 2 FrG aufzeigendes Vorbringen erstattet wird (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 19. November 2002, Zl. 2002/21/0185, mwN). Der belangten Behörde sind demnach keine Ermittlungsfehler unterlaufen.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 18. Mai 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005210034.X00Im RIS seit
16.06.2006