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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Otto Ackerl, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Brünnerstraße 37/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 10. September 2004, Zl. Fr 2022/04, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 49 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab. Die Niederlassungsbewilligung sei zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" begehrt worden. Das Bezirksgericht Mödling habe die Adoption des Beschwerdeführers durch österreichische Wahleltern bewilligt. Gemäß § 49 Abs. 1 FrG seien die Bestimmungen über begünstigte Drittstaatsangehörige auch auf den Beschwerdeführer als Adoptivsohn von österreichischen Wahleltern anzuwenden. Die Wahleltern des Beschwerdeführers seien "zu einer faktischen Unterhaltsgewährung in der Lage".
Im Rahmen der freien Beweiswürdigung nehme die erkennende Behörde an, dass sich der Beschwerdeführer adoptieren habe lassen, um in den Besitz einer Niederlassungsbewilligung zu kommen und somit die Erlangung des Aufenthaltstitels ausschließlicher bzw. der vorwiegende Grund für die Adoption gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe bezüglich der behaupteten engen Beziehung zu seinen Wahleltern das Pflegschaftsgericht über die wahren Verhältnisse getäuscht. Wegen des die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigenden fremdenrechtlichen Fehlverhaltens sei die Verweigerung der Niederlassungsbewilligung zulässig und notwendig.
Der Verfassungsgerichtshof hat die an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 29. November 2005, B 1386/04-12, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten über die ergänzte Beschwerde erwogen:
Vor der von der belangten Behörde behandelten Frage, ob es sich vorliegend um eine "Scheinadoption" handelt, ist zunächst zu klären, ob für die Erledigung des vorliegenden Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 89 Abs. 1 FrG der Landeshauptmann bzw. die von ihm ermächtigte Bezirksverwaltungsbehörde oder gemäß § 89 Abs. 2 Z 1 FrG die Bezirksverwaltungsbehörde bzw. die Bundespolizeibehörde zuständig gewesen wäre. Die Lösung dieser Zuständigkeitsfrage hängt von der Vorfrage ab, ob es sich beim Beschwerdeführer um einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem 4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt.
Nach § 49 Abs. 1 FrG gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige, die nach dem 4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießen, auch für Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 FrG.
§ 47 Abs. 3 FrG bezeichnet folgende Angehörige eines EWR-Bürgers als begünstigte Drittstaatsangehörige:
"1. Ehegatten;
2. Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung
des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt
gewährt wird;
3. Verwandte und Verwandte des Ehegatten in
aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird."
Da der Beschwerdeführer das 21. Lebensjahr bereits vollendet hat, käme ihm die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen somit nur dann zu, wenn ihm von seinen Wahleltern Unterhalt gewährt wird. Mit der Frage der Unterhaltsgewährung hat sich die belangte Behörde aber nicht auseinander gesetzt, sondern lediglich festgestellt, dass die Wahleltern zu einer faktischen Unterhaltsgewährung in der Lage seien. Sie unterlag einem Rechtsirrtum, wenn sie meinte, dass der Tatbestand des § 47 Abs. 3 Z 2 FrG schon dann erfüllt sei, wenn die Wahleltern zu einer Unterhaltsleistung (theoretisch) in der Lage sind. Erhält nämlich das - über 21 Jahre alte - Wahlkind (faktisch) keinen Unterhalt, kommt ihm die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen nicht zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, Zl. 2002/18/0146).
Dies wird bei einem rechtsmissbräuchlich geschlossenen Adoptionsvertrag zwar der Regelfall sein. Dann wäre aber gemäß § 89 Abs. 1 FrG in erster Instanz der Landeshauptmann zuständig gewesen und es wäre der hier erstinstanzlich erlassene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling - der nicht im Rahmen einer Ermächtigung nach der zitierten Gesetzesstelle ergangen ist - von der belangten Behörde zu beheben gewesen. Andernfalls - sollte dem Beschwerdeführer tatsächlich Unterhalt geleistet worden sein - würde der Beschwerdefall in Ansehung des erfassten Personenkreises (auch bei einer "Scheinadoption") dem hg. Erkenntnis vom 17. November 2005, Zl. 2005/21/0253, und betreffend die angestrebte Berechtigung demjenigen vom selben Tag zur Zl. 2005/21/0216 gleichen (auf deren Entscheidungsgründe und damit letztlich auf die Überlegungen im hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zlen. 2005/21/0113, 0114, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), woraus ebenfalls eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides abzuleiten wäre.
Wegen des aufgezeigten, auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhenden Feststellungsmangels war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. März 2006, Zl. 2005/21/0435).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 18. Mai 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006210001.X00Im RIS seit
21.06.2006