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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §24 Abs4 idF 2001/I/112;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. Erich Trachtenberg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Hegelgasse 17, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. Februar 2003, Zl. RU6-St-P-0214/1, betreffend Wiederausfolgung des Führerscheins, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 20. April 1999 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen A, B, C, E, F und G, nachdem ihm sein Führerschein am 17. April 1999 vorläufig abgenommen worden war, bis einschließlich 17. September 1999 gemäß § 26 Abs. 2 FSG entzogen.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 13. Oktober 1999 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die genannten Klassen ab dem 18. September 1999 für die Dauer seiner gesundheitlichen Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 25 Abs. 2 FSG entzogen und einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt. Dieser Bescheid ist nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen.
Am 16. März 2000 beantragte der Beschwerdeführer die "Wiedererteilung" der Lenkberechtigung. Mit mündlich verkündetem Bescheid der genannten Behörde vom 17. März 2000 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen A, B und F bis 14. März 2001 befristet und dem Beschwerdeführer der Führerschein für diese Klassen am 17. März 2000 ausgefolgt (Akt Seite 34 verso).
Den Antrag des Beschwerdeführers vom 16. März 2000, soweit er sich auf die Lenkberechtigung für die Klassen C, E und G bezog, wies die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten mit Bescheid vom 13. Jänner 2003 gemäß § 28 Abs. 1 FSG ab, weil die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers länger als 18 Monate war. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. In der Begründung verwies sie auf den Entziehungsbescheid vom 13. Oktober 1999 und führte sodann aus:
"Da Ihnen die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen C, E und G bis zum 17. Oktober 2000 nicht (wieder) erteilt wurde, muss davon ausgegangen werden, dass diese gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG erloschen ist."
Nach Ansicht der belangten Behörde sei daher die in § 28 Abs. 1 Z. 1 FSG genannte Voraussetzung für die Wiederausfolgung des Führerscheins für die genannten Klassen nicht erfüllt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes idF BGBl. I Nr. 129/2002 lauten auszugsweise:
"Dauer der Entziehung
§ 25. (1) ...
(2) Bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.
(3) ...
Erlöschen der Lenkberechtigung
§ 27. (1) Eine Lenkberechtigung erlischt:
1.
nach Ablauf einer Entziehungsdauer von mehr als 18 Monaten;
2.
...
Ablauf der Entziehungsdauer
§ 28. (1) Der Führerschein ist nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn
1.
die Entziehungsdauer nicht länger als 18 Monate war und
2.
keine weitere Entziehung der Lenkberechtigung angeordnet wird.
(2) ..."
Zunächst ist zur sachlichen Zuständigkeit der belangten Behörde festzuhalten, dass das gegenständliche Verfahren zum gemäß § 43 Abs. 11 letzter Satz FSG maßgebenden Zeitpunkt, nämlich am 1. August 2002 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2006, Zl. 2003/11/0025, mwN), bereits anhängig war.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde, was die Voraussetzung für das Erlöschen der Lenkberechtigung gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG und daher die Voraussetzung für die hier gegenständliche Wiederausfolgung des Führerscheins gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. betrifft, die Auffassung vertreten, die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen C, E und G sei deshalb erloschen, weil dem Beschwerdeführer diese Lenkberechtigung "bis zum 17. Oktober 2000 nicht (wieder) erteilt wurde". Damit verkennt die belangte Behörde die Rechtslage.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. Mai 2003, Zl. 2002/11/0060, wie folgt ausgeführt:
"§ 25 Abs. 2 FSG sieht vor, dass bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen ist. Diese Bestimmung ermöglicht für jene Fälle, in denen die Dauer der Nichteignung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung genau bestimmbar ist, eine Festsetzung der Entziehungsdauer mit einem bestimmten Zeitraum. In jenen Fällen aber, in denen dies nicht möglich ist, ist - entsprechend der bereits im Geltungsbereich des KFG 1967 (§ 73 Abs. 2) geübten Praxis - die Dauer der Entziehung für die Dauer der Nichteignung festzusetzen. Davon gehen erkennbar auch die Erläuterungen zu § 25 der Regierungsvorlage zum FSG, 714 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR, XX. GP, aus. In solchen Fällen bedarf es eines ärztlichen Gutachtens, um die Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung annehmen zu können. Dies hat aber nicht zur Folge, dass die Entziehungsdauer in jedem Fall so lange läuft, bis im Verfahren über einen Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines ein Gutachten vorliegt, das die gesundheitliche Eignung des Betreffenden bestätigt. Die Festsetzung der Entziehungsdauer für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung bedeutet, dass die Entziehungsdauer mit der Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung endet. Diesen Zeitpunkt hat die Behörde zu ermitteln, wenn sie (...) einen vor Ablauf einer Entziehungsdauer von 18 Monaten gestellten Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines, in dem die Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung behauptet wird, mit der Begründung abweisen will, die Lenkberechtigung sei gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG erloschen. Ist ihr die Feststellung dieses Zeitpunktes nicht möglich, kann sie in einem solchen Fall nicht davon ausgehen, die Lenkberechtigung sei infolge Ablaufes einer Entziehungsdauer von 18 Monaten gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG erloschen."
Im vorliegenden Fall setzte die Wiederausfolgung des Führerscheins des Beschwerdeführers für die Klassen C, E und G entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde nicht voraus, dass dem Beschwerdeführer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die
"Lenkberechtigung ... (wieder) erteilt wurde", weil die
Lenkberechtigung mit dem Wiedererlangen der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers - ipso iure - wieder auflebte, somit auch unabhängig davon, ob dem Beschwerdeführer der Führerschein tatsächlich ausgefolgt wurde (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 2002/11/0060). Aufgabe der belangten Behörde wäre es daher gewesen, auf der Grundlage der im Akt befindlichen verkehrspsychologischen Stellungnahmen und eines darauf aufbauenden schlüssigen Gutachtens eines Amtsarztes (§ 8 Abs. 2 FSG) festzustellen, ob der Beschwerdeführer die gesundheitliche Eignung für das Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen C, E und G vor dem Ablauf der im § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG genannten Frist wiedererlangt hat. (Für das fortzusetzende Verfahren wird darauf hingewiesen, dass die im Akt befindlichen amtsärztlichen Gutachten, die in der Begründung nur Stichworte enthalten, dem Erfordernis der Schlüssigkeit nicht entsprechen.)
Da die belangte Behörde - ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht - diese Feststellungen unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die begehrte Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits enthalten ist.
Wien, am 23. Mai 2006
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003110061.X00Im RIS seit
26.06.2006Zuletzt aktualisiert am
10.11.2011