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L72003 Beschaffung Vergabe Niederösterreich;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der T GmbH & Co KG in G, vertreten durch Dr. Gunter Griss, Dr. Gabriele Krenn, Mag. Dr. Edwin Mächler, Mag. Wilhelm Holler, Dr. Christiane Loidl und Mag. Dr. Peter Griss, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Glacisstraße 67, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 28. November 2003, UVS 443.7-5/2003-4, betreffend Nachprüfungsverfahren nach dem Stmk Vergabegesetz 1998 (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Graz z. H. des Herrn Bürgermeisters, 8010 Graz-Rathaus), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.188,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2003 beantragte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung gemäß § 107 StVergG 1998. Diesen Antrag begründete sie im Wesentlichen damit, dass im Vergabeverfahren der mitbeteiligten Partei (betreffend das Bauvorhaben Kläranlage der Stadt Graz, Baulos 41-02-02 "Räumeinrichtungen und Mechanik") der Zuschlag zu Unrecht an die Firma A erteilt worden sei. Weiters werde die Entscheidung der mitbeteiligten Partei bekämpft, die Firmen A und H nicht vom Vergabeverfahren auszuschließen sowie die Entscheidung, das Alternativangebot 5 B der Beschwerdeführerin ohne Begründung und Rückfrage auszuscheiden und daraus resultierend die Entscheidung, die Angebotsvariante der Beschwerdeführerin bestehend aus den Alternativangeboten 5 B, 1 und 3 nicht zu berücksichtigen und dieser Angebotsvariante nicht den Zuschlag zu erteilen.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 28. November 2003 wurde dieser Antrag gemäß den §§ 100, 105 Abs. 2, 107 Abs. 3 und 109 Abs. 4 Steiermärkisches Vergabegesetz 1998 (StVergG 1998) zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe betreffend das vorliegende Vergabeverfahren bereits die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung beantragt. In ihrem nunmehrigen Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung rüge die Beschwerdeführerin gleich wie im bereits entschiedenen Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung, dass sowohl das Angebot der Bestbieterin A als auch jenes der zweitgereihten Firma H auszuscheiden gewesen wären. Auch hiezu sei auf die Begründung des Bescheides der belangten Behörde vom 8. April 2003 verwiesen, in der "klar und deutlich" ausgeführt worden sei, dass in diesem Fall das Angebot der drittgereihten Firma G oder das nächste Angebot der Firma A den Zuschlag erhalten hätte. Wie in diesem Bescheid ausgeführt, ergebe sich, dass der Beschwerdeführerin kein Schaden entstanden sei bzw. entstehen könne und daher die Antragslegitimation zur Durchführung des beantragten Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung nicht vorgelegen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen nach im Recht auf Sachentscheidung verletzt und bringt hiezu zunächst vor, die belangte Behörde habe die ihr gemäß § 60 AVG zukommende Begründungspflicht verletzt, da sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich auf den Bescheid vom 8. April 2003 verweise, sich darüber hinaus aber mit den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Tatsachen und Rechtsausführungen nicht auseinander gesetzt habe. So habe die Beschwerdeführerin insbesondere ausgeführt, dass ihr Alternativangebot 5 B berücksichtigt hätte werden müssen, was dazu geführt hätte, dass ihrer Gesamtalternative 5 B, 1 und 3 der Zuschlag erteilt hätte werden müssen. Daher sei die Begründungslücke im angefochtenen Bescheid wesentlich, weil nicht zu erkennen sei, welche Gründe und Erwägungen die belangte Behörde dazu veranlasst hätten, anzunehmen, warum die von der Beschwerdeführerin gelegte Gesamtalternative 5 B, 1 und 3 nicht als beste Variante "zum Zug" hätte kommen müssen.
Das Alternativangebot 5 B der Beschwerdeführerin sei ohne Prüfung auf seine Gleichwertigkeit ausgeschieden worden. Erst in der Stellungnahme des Kanalbauamtes der mitbeteiligten Partei zum Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung finde sich die Begründung, dass dieses Alternativangebot als nicht gleichwertig ausgeschieden worden sei, da die dort angebotene Regelklappe gegenüber einem Absenkschieber nachteilige Eigenschaften aufweise, die insbesondere die hydraulische Einstellung des "Wasserspiels" erschwere. Derartige "interne Motive" der ausschreibenden Stelle, von denen ein Bieter erst im Nachprüfungsverfahren Kenntnis erlange, dürften nicht zur Beurteilung der Gleichwertigkeit von Alternativangeboten herangezogen werden. Mit der Auffassung, die Beschwerdeführerin hätte keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt, übernehme die belangte Behörde bereits die rechtswidrige Ausscheidung der Alternative 5 B und somit der Gesamtalternative 5 B, 1 und 3 und lege diese ihrer Prüfung der Antragslegitimation zu Grunde, ohne näher auf die Rechtmäßigkeit des Ausscheidens einzugehen.
2. Gemäß § 104 Abs. 2 des Steiermärkischen Vergabegesetzes 1998, LGBl. Nr. 74 in der Fassung LGBl. Nr. 94/2002 (StVergG 1998), kann jeder Unternehmer der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes unterliegenden Vertrages behauptet und dem durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers beim Unabhängigen Verwaltungssenat beantragen.
Gemäß § 105 Abs. 2 StVergG 1998 ist der Unabhängige Verwaltungssenat nach Zuschlagserteilung oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens zuständig festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde oder ob die Ausschreibung entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes widerrufen wurde.
3.1. Die belangte Behörde gründet den angefochtenen Bescheid auf die Auffassung, die Antragslegitimation der Beschwerdeführerin gemäß § 104 Abs. 2 StVergG 1998 sei deshalb nicht gegeben, weil ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit kein Schaden entstanden sei bzw. zu entstehen drohe.
Diese Auffassung begründet die belangte Behörde lediglich mit einem Verweis auf ihren Bescheid vom 8. April 2003, in welchem "klar und deutlich" ausgeführt worden sei, dass im Falle des Ausscheidens des Bestbieters A. und der zweitgereihten Firma H. nicht das Angebot der Beschwerdeführerin, sondern das Angebot der drittgereihten Firma G. oder das nächste Angebot der Firma A. den Zuschlag erhalten hätte.
3.2. Damit hat die Behörde ihrer Begründungspflicht gemäß § 60 AVG nicht entsprochen:
Beim Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung gemäß § 105 Abs. 1 StVergG 1998 und beim Nachprüfungsverfahren nach Zuschlagserteilung gemäß § 105 Abs. 2 StVergG 1998 handelt es sich um unterschiedliche "Sachen" (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem NÖ VergabeG das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0049, mwN). Der jeweils zu stellende Nachprüfungsantrag im Sinne des § 104 Abs. 1 StVergG 1998 hat ein bestimmtes Begehren zu enthalten, an das die Behörde jeweils gebunden ist (vgl. den hg. Beschluss vom 19. November 2003, Zl. 2003/04/0084, mwN).
Im vorliegenden Fall begründet die belangte Behörde ihren kurzen Verweis damit, die Beschwerdeführerin habe in ihrem nunmehrigen Antrag gleich wie im Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung vorgebracht, dass sowohl das Angebot der Bestbieterin A als auch jenes der zweitgereihten Firma H auszuscheiden gewesen wären. Damit übersieht sie aber, dass die Beschwerdeführerin in diesem Antrag auch vorgebracht hat, dass ihr (Alternativ)Angebot 5 B zu Unrecht ausgeschieden worden wäre und daher ihrem (Alternativ)angebot 5 B, 1, 3 - einer Kombination der (Alternativ)Angebote 5 B, 1 und 3 - der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Bieter gemäß § 104 Abs. 2 StVergG 1998 durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, ist von einem unter Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen durchgeführten Vergabeverfahren auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2000, Zl. 2000/04/0050, zur vergleichbaren Rechtslage des § 85 Abs. 2 StVergG).
Daher ist wesentlich, ob die von der belangten Behörde angeführte Reihung der Angebote in einem unter Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen durchgeführten Vergabeverfahren erfolgte und insbesondere das von der Beschwerdeführerin angeführte (Alternativ)Angebot B5 zu Recht ausgeschieden wurde oder nicht.
Hiezu enthält der angefochtene Bescheid jedoch keinerlei Ausführungen. Durch diese Begründungslücke ist der Verwaltungsgerichtshof aber gehindert, den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen.
3.3. Insoweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf den zitierten hg. Beschluss vom 19. November 2003 verweist und behauptet, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei mit diesem Beschluss bereits "entgegengetreten" worden, so ist sie darauf hinzuweisen, dass dieser Beschluss lediglich über das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin im Hinblick auf das dort geltend gemachte Recht "auf Einleitung und Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung" abspricht und die im angefochtenen Bescheid zu behandelnde Rechtsfrage nicht zum Inhalt hat.
3.4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 24. Mai 2006
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004040017.X00Im RIS seit
22.06.2006