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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der S GmbH in P, vertreten durch Rechtsanwälte Steflitsch OEG in 7400 Oberwart, Hauptplatz 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. März 2006, Zl. A14- 30/1521-06/1, betreffend Zustellung eines Bescheides über die Entziehung der Gewerbeberechtigung (mitbeteiligte Partei: W in E), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hartberg vom 5. Dezember 2005 wurde die Gewerbeberechtigung des Mitbeteiligten zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei gepfändet. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag wurde im Beschluss über die Exekutionsbewilligung ausdrücklich vorbehalten. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 11. Jänner 2006 wurde die Gewerbeberechtigung des Mitbeteiligten, nachdem über ihn der Konkurs mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens nicht eröffnet worden war, gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 entzogen. Daraufhin beantragte die beschwerdeführende Partei am 17. Februar 2006 die Zustellung des Entziehungsbescheides, um diesen bekämpfen zu können. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 22. Februar 2006 wurde dieser Antrag mangels Parteistellung abgewiesen.
Die gegen den letztgenannten Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Zur Begründung führte sie aus, dass durch die behördliche Entscheidung über den Bestand der Gewerbeberechtigung des Mitbeteiligten nicht in rechtliche, sondern nur in faktische Interessen der beschwerdeführenden Partei als Pfandgläubigerin eingegriffen werde. Im Übrigen hindere die Entziehung der Gewerbeberechtigung deren exekutive Verwertung im Zuge einer Zwangsverwaltung nicht, weil gemäß § 45 GewO 1994 durch die gerichtliche Bestellung eines Zwangsverwalters ein Fortbetriebsrecht entstehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die beschwerdeführende Partei vertritt in ihrer Beschwerde den Rechtsstandpunkt, dass ihr als exekutive Pfandgläubigerin Parteistellung nach § 8 AVG im gegenständlichen Gewerbeverfahren zukomme. In diesem Zusammenhang verweist sie auf § 87 Abs. 2 GewO, wonach die Behörde von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 absehen kann, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist. Um das Gläubigerinteresse überhaupt beurteilen und dieses gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Entziehung abwägen zu können, müsse der beschwerdeführenden Partei im gegenständlichen Verwaltungsverfahren die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt werden. Ein rechtliches Interesse der beschwerdeführenden Partei ergebe sich aber auch aus den zwingenden gesetzlichen Konsequenzen, die mit der Entziehung der Gewerbeberechtigung für den Pfandgläubiger verbunden seien. Werde die Gewerbeberechtigung nämlich nach der gerichtlichen Pfändung von der Gewerbebehörde entzogen, so müsse das Gericht das Exekutionsverfahren gemäß § 39 EO einstellen. Hingegen komme der beschwerdeführenden Partei das im angefochtenen Bescheid genannte Fortbetriebsrecht nicht zugute, weil dieses voraussetze, dass ein Zwangsverwalter bereits bestellt sei, was gegenständlich nicht der Fall sei. Durch die Entziehung der Gewerbeberechtigung werde daher in die bereits erlangte Rechtsposition der beschwerdeführenden Partei nachteilig eingegriffen.
Zunächst ist für die Frage der Parteistellung der beschwerdeführenden Partei aus § 361 GewO 1994, der das Verfahren bei Entziehung der Gewerbeberechtigung regelt, nichts zu gewinnen. Die beschwerdeführende Partei verweist daher auf § 8 AVG. Diese Bestimmung setzt für die Parteistellung einen Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse an der Sache voraus. Ob jemandem ein Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse an der Sache zukommt, ergibt sich nicht schon aus § 8 AVG, sondern muss aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensvorschriften I2 unter E 31 zu § 8 AVG referierte hg. Judikatur).
In diesem Zusammenhang hat die beschwerdeführende Partei auf § 87 Abs. 2 GewO 1994 verwiesen. Diese Bestimmung und die damit im Zusammenhang stehenden Vorschriften der Gewerbeordnung 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 131/2004, lauten (auszugsweise):
"§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
1.
...
2.
einer der im § 13 Abs. 3 bis 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegt oder
3. ...
(2) Die Behörde kann von der im Abs. 1 Z 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen rechtskräftiger Nichteröffnung eines Konkurses mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens (...) absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.
§ 13.
...
(3) Rechtsträger sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen, wenn
1. der Konkurs mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet wurde und
2. der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist.
Dies gilt auch, wenn ein mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde."
Die beschwerdeführende Partei meint, aus § 87 Abs. 2 GewO 1994 ein rechtliches Interesse ableiten zu können, weil diese Bestimmung das Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung vom Interesse der Gläubiger abhängig mache. Ein solches Gläubigerinteresse komme der beschwerdeführenden Partei zu, weil ihr bereits gerichtlich die Exekution auf die Gewerbeberechtigung des Mitbeteiligten bewilligt worden sei.
Mit dieser Rechtsansicht verkennt die beschwerdeführende Partei den normativen Gehalt des § 87 Abs. 2 GewO 1994, der schon nach seinem Wortlaut auf das Interesse "der Gläubiger" abstellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu die in Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung, unter Rz 32 ff zu § 87 referierte Judikatur) kommt es in § 87 Abs. 2 GewO auf das Interesse aller Gläubiger des Gewerbeinhabers an, und zwar ohne Unterschied, ob es sich um früher entstandene oder im Zuge der Gewerbeausübung gegenwärtig oder zukünftig neu entstehende Schuldverhältnisse handelt. Entscheidend für ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 ist nach dieser Rechtsprechung, dass alle Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit erfüllt werden können, da ansonst nicht sicher gestellt ist, dass nicht etwa durch den exekutiven Zugriff eines Gläubigers auf das Vermögen des Gewerbeinhabers die Befriedigung der übrigen Forderungen, insbesondere auch jener, die im Zuge der Weiterführung des Gewerbebetriebes entstanden sind, in Frage gestellt wird.
Vor diesem Hintergrund hielt es der Verwaltungsgerichtshof daher als rechtswidrig, das Tatbestandsmerkmal, ob ein Gläubigerinteresse im Sinn des § 87 Abs. 2 GewO 1994 vorliegt, auf Grund einer Befragung der Gläubiger nach ihrem Interesse an der Fortführung des Betriebes des Schuldners zu beurteilen. Vielmehr hat die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 nach Eruierung des objektivierten Gläubigerinteresses (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, Rz 39) zu beurteilen.
Daraus folgt, dass das Interesse eines (einzelnen) Gläubigers am Erhalt der Gewerbeberechtigung des Mitbeteiligten noch kein rechtliches Interesse im Sinn des § 8 AVG in Verbindung mit § 87 Abs. 2 GewO 1994 begründet, sondern bloß ein wirtschaftliches Interesse am Erhalt eines Vermögenswertes. Bloße wirtschaftliche Interessen an einer Verwaltungsangelegenheit sind aber nach der Judikatur nicht geeignet, die Parteistellung zu begründen (vgl. Walter/Thienel, aaO, E 162 ff zu § 8 AVG).
Die belangte Behörde ist daher zutreffend zum Ergebnis gelangt, der beschwerdeführenden Partei komme im Verfahren zur Entziehung der Gewerbeberechtigung des Mitbeteiligten keine Parteistellung zu. Der Umstand, dass der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zustellung des Entziehungsbescheides zurückgewiesen (anstatt abgewiesen) hätte werden müssen, vermag die beschwerdeführende Partei nicht in Rechten zu verletzen.
Da somit bereits die Beschwerde erkennen lässt, dass dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 24. Mai 2006
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein GewerberechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006040055.X00Im RIS seit
22.06.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008