TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/29 2005/09/0013

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Veröffentlicht am 29.05.2006
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Index

L40017 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Tirol;
L40057 Prostitution Sittlichkeitspolizei Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
LPolG Tir 1976 §15 Abs3 lita;
LPolG Tir 1976 §15 Abs3 litb;
LPolG Tir 1976 §15 Abs3;
LPolG Tir 1976 §15 Abs4;
LPolG Tir 1976 §15 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der Gemeinde N, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer, Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Tirolerstraße 30/2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. Jänner 2005, Zl. Ib-17258/1-2004, betreffend Bordellbewilligung (mitbeteiligte Partei: K in N, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard Breitner Straße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 30. September 2004 wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung einer Bordellbewilligung mit Standort N, gemäß § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 15 Abs. 3 und Art. 7 des Tiroler Landespolizeigesetzes im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, weder die Voraussetzung des § 15 Abs. 3 lit. a Tiroler LPG, noch jene des § 15 Abs. 3 lit. b leg. cit. seien erfüllt. Ein Bedarf an einer (weiteren) derartigen Institution sei im Hinblick auf das 16 km entfernte, in der Gemeinde O (Kärnten) errichtete Bordell nicht gegeben, für welches im Jahr 2004 neuerlich eine Bewilligung habe erwirkt werden können. Im Bezirk Lienz sei in den letzten Jahren keine einzige Anzeige wegen illegaler Prostitution erstattet worden. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der geplante Bordellbetrieb in einem Gebäude, welches nicht auch anderen Zwecken diene, untergebracht sei, weil sich im Gebäude neben dem geplanten Bordellbetrieb auch noch ein genehmigter Schießstand sowie das vom Mitbeteiligten betriebene Autohaus samt Kfz-Werkstätte befinde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung, welche mit Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 24. November 2004 abgewiesen wurde. Dabei folgte die Berufungsbehörde im Wesentlichen der Argumentation der Behörde erster Instanz unter Hinweis auf die sich aus den Einwohnerlisten ergebende Anzahl der in Betracht kommenden männlichen Bevölkerung des Bezirks Lienz.

Gegen den Berufungsbescheid vom 24. November 2004 erhob der Mitbeteiligte Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, behob den Bescheid der Berufungsbehörde und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diese zurück. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der von ihr angewendeten Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, eine Bordellbewilligung dürfe nur dann erteilt werden, wenn ein Bedarf vorliege. Bezüglich der Bedarfsprüfung hätten sich die Gemeindeinstanzen einerseits auf die Ausführungen der Osttiroler Sicherheitsbehörden und andererseits auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 2000, Zl. 97/17/0030, gestützt, in welchem der Verwaltungsgerichtshof zu § 15 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit Abs. 4 des Tiroler Landespolizeigesetzes Stellung genommen und ausgeführt habe, dass ein Bedarf am Betrieb eines Bordells im Sinne dieser Gesetzesbestimmungen dann angenommen werden könne, wenn durch den Betrieb des beantragten Bordells im fraglichen Einzugsgebiet andernfalls auftretende verbotene Erscheinungsformen der Prostitution, wie Straßen- und Wohnungsprostitution durch nicht kontrollierte Prostituierte, vermieden werden könne. Die in § 15 Abs. 4 Tiroler Landespolizeigesetz genannten Bezugsgrößen (Einwohnerzahl, Bevölkerungsstruktur und Bestehen anderer Bordelle) bildeten neben der Beobachtung der tatsächlichen gegenwärtigen Verhältnisse Anhaltspunkte für die Prognose eines Bedarfes in diesem Sinne. Das bloße Vorhandensein einer männlichen Bevölkerung einer bestimmten Altersgruppe begründe noch keinen Bedarf am Betrieb eines Bordells. Die oberste Gemeindebehörde sei davon ausgegangen, dass auf Grund der vorliegenden Berichte der Osttiroler Sicherheitsbehörden die Behauptung des Mitbeteiligten, es gäbe illegale bzw. behördlich nicht genehmigte Prostitution im Bezirk, unrichtig sei. Es seien keinerlei Anzeigen wegen illegaler Prostitutionsausübung bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft erstattet worden. Im Hinblick auf das im benachbarten Kärntner O liegende Bordell habe die oberste Gemeindebehörde daher den Bedarf an käuflicher Liebe in Osttirol verneint. Die Beobachtung der tatsächlichen gegenwärtigen Verhältnisse stelle jedoch gemäß § 15 Abs. 4 leg. cit. neben den Bezugsgrößen Einwohnerzahl, Bevölkerungsstruktur und Bestehen anderer Bordelle, lediglich Anhaltspunkte für die Prognose eines Bedarfes dar. Dabei habe die oberste Gemeindebehörde zwar diese Komponenten gewürdigt, jedoch nicht unter Berücksichtigung des im Gesetz normierten Begriffes des Einzugsgebietes. Sie habe es daher unterlassen, ein nach der allgemeinen Lebenserfahrung festzulegendes Einzugsgebiet zu bestimmen, wobei auch allenfalls angrenzende Gebiete eines fremden Staates oder eines anderen Bundeslandes zu berücksichtigen seien. Daher könne dem Argument der obersten Gemeindebehörde, wonach ein Bedarf durch das bestehende Bordell in O bereits abgedeckt sei, nicht beigetreten werden.

Die Vorstellungsbehörde teile hingegen die Bedenken der obersten Gemeindebehörde betreffend den Konflikt mit § 15 Abs. 3 lit. b des Tiroler Landespolizeigesetzes, wonach eine Bordellbewilligung nur dann erteilt werden dürfe, wenn das Bordell in einem nicht auch zu anderen Zwecken dienenden Gebäude untergebracht sei. Mit Bescheid vom 18. Juni 2004 sei dem Mitbeteiligten die baurechtliche Genehmigung zur Abtrennung des östlichen Teiles des erdgeschössigen Autohaus-Ausstellungsraumes mittels einer brandbeständigen Wand erteilt worden. In dem nunmehr abgetrennten Bereich sei die Errichtung von vier Zimmern samt Sanitäreinrichtungen, eines Umkleideraumes, eines Überwachungsraumes, eines Raumes für die Unterbringung des Heizungsverteilers, eines Lagers, einer Diele und eines Ganges vorgesehen. Hinsichtlich des Betriebes des Autohauses sei dem Mitbeteiligten beizupflichten, dass eine die öffentliche Sittlichkeit bedrohende, gegenüber der Öffentlichkeit in Erscheinung tretende Prostitution auf Grund der unterschiedlichen Öffnungszeiten des Autohauses und des Bordells nicht angenommen werden könne. Der vom Autohaus abgetrennte Teil im Erdgeschoss sowie der im Keller befindliche "Club X", der über eine bestehende Wendeltreppe mit dem Erdgeschoss verbunden sei, sollten hinkünftig gemeinsam als Bordell genutzt werden; eine entsprechende Verwendungszweckänderung sei mit dem Baubewilligungsbescheid vom 18. Juni 2004 ebenfalls baurechtlich genehmigt worden. Weder dem Befund des Baubewilligungsbescheides vom 18. Juni 2004, noch den dazugehörigen Plänen und Unterlagen sei jedoch zu entnehmen, dass von der mit diesem Bescheid vorgenommenen Verwendungszweckänderung auch der im selben Gebäude befindliche Schießstand mitumfasst sei. Dabei handle es sich um einen "potentiellen Magneten für die einheimische Bevölkerung", der sich in seinem Wesen gänzlich von dem einer Bar bzw. einer Diskothek unterscheide, weshalb nicht unerheblich sei, dass diese Differenzierung auf den Plänen bzw. im Befund des Baubewilligungsbescheides nicht aufscheine. Daher könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die mit dem Baubewilligungsbescheid vom 18. Juni 2004 ausgesprochene Bewilligung der Änderung des Verwendungszweckes in "Bordell" auch den Schießstand umfasse, zumal dieser im genannten Bescheid keine Erwähnung finde. Solange aber der Schießstand in der derzeitigen Form betrieben werde, stehe dessen Verwendung "ein im selben Gebäude angesiedeltes Bordell im Wege", was "aus Sicht der Vorstellungsbehörde ein offenes, noch zu lösendes Problem darstellt".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Marktgemeinde erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf inhaltliche Enderledigung bzw. auf Abweisung des Antrages des Mitbeteiligten auf Erteilung einer Bordellbewilligung am bezeichneten Standort verletzt.

Sowohl die belangte Behörde als auch der Mitbeteiligte erstatteten Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen, die belangte Behörde legte überdies die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der § 15 des Tiroler Landes-Polizeigesetzes (L-PG), LGBl. Nr. 60/1976 lautet:

"Bordellbewilligung

(1) Ein Bordell darf nur mit behördlicher Bewilligung (Bordellbewilligung) betrieben werden.

(2) Eine Bordellbewilligung darf nur Personen erteilt werden, die

a)

voll handlungsfähig und verlässlich sind;

b)

die Staatsbürgerschaft einer Vertragspartei des EWR-Abkommens besitzen. Als nicht verlässlich sind Personen anzusehen, die

              1.              wegen einer mit Vorsatz begangenen Tat gerichtlich verurteilt worden sind, es sei denn, dass die Verurteilung getilgt ist oder der Beschränkung über die Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister nach § 6 des Tilgungsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 68, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 44/2001, oder einer vergleichbaren Vorschrift eines anderen Staates unterliegt, oder

              2.              wenigstens dreimal wegen einer Übertretung von Vorschriften auf dem Gebiet der Prostitution, des Veranstaltungswesens oder des Jugendschutzes bestraft worden sind.

(3) Eine Bordellbewilligung darf nur erteilt werden, wenn

a)

ein Bedarf nach dem Betrieb eines Bordells (Abs. 4) besteht,

b)

das Bordell in einem nicht auch anderen Zwecken dienenden Gebäude betrieben werden soll und

              c)              öffentliche Interessen nicht dagegen sprechen, insbesondere nicht zu befürchten ist, dass der Betrieb eines Bordells zu Missständen führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben in unzumutbarer Weise stören. Hiebei ist insbesondere auf mögliche Beeinträchtigungen der in der Nachbarschaft lebenden oder sonst sich längere Zeit dort aufhaltenden Personen, insbesondere Jugendlicher, Bedacht zu nehmen.

(4) Ob ein Bedarf nach dem Betrieb eines Bordells besteht, ist insbesondere unter Bedachtnahme auf die Einwohnerzahl und die Bevölkerungsstruktur des voraussichtlichen Einzugsgebietes sowie unter Bedachtnahme darauf zu beurteilen, ob in einer benachbarten Gemeinde bereits ein Bordell betrieben wird.

(5) Eine Bordellbewilligung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen nach Abs. 2 und 3 vorliegen.

(6) Eine Bordellbewilligung ist befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies zur Wahrung öffentlicher Interessen im Sinne des Abs. 3 erforderlich ist.

(7) Eine Bordellbewilligung ist zu versagen, wenn auch nur eine der Voraussetzungen nach Abs. 2 und 3 nicht vorliegt.

(8) Eine Bordellbewilligung erlischt, wenn der Betrieb des Bordells nicht binnen zwei Jahren nach Eintritt ihrer Rechtskraft aufgenommen oder für mehr als acht Monate unterbrochen wurde.

(9) Eine Bordellbewilligung ist zu widerrufen, wenn auch nur eine der Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 2 ist von der Behörde in Abständen von höchstens fünf Jahren, beginnend mit dem Eintritt der Rechtskraft der Bordellbewilligung, zu überprüfen.

(10) Wird ein Bordell ohne Bewilligung betrieben, so hat die Behörde dessen Schließung zu verfügen. Von der Schließung ist die zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen nach § 19 zuständige Behörde (§ 23 Abs. 2) zu verständigen. "

Die beschwerdeführende Marktgemeinde macht in ihrer - zulässigen - Beschwerde zunächst sinngemäß geltend, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, ein "Einzugsgebiet" im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 2000, Zl. 97/17/0030 (richtig: 97/10/0030) sei nicht festgestellt worden, und habe aus den in diesem Erkenntnis aufgestellten Kriterien für eine Bedarfsprognose die unrichtige Schlussfolgerung gezogen, die Gemeindebehörden hätten auch ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren "allenfalls auch unter Überschreitung der Landes- bzw. Bezirksgrenzen" durchzuführen, was allein schon aus hoheitsrechtlichen Gründen scheitern würde. Der erste bevölkerungsmäßig relevante Ort nach der Staatsgrenze in Italien sei vom geplanten Standort etwa 50 bis 60 km entfernt und könne zudem auch aus sprachlichen Gründen nicht als Einzugsgebiet eingerechnet werden. In einer Entfernung von über 80 bis 90 km seien nur kleinere Städte und Märkte Italiens gelegen. Den Bescheiden der Gemeindeinstanzen sei eindeutig zu entnehmen, dass als Einzugsgebiet für das geplante Bordell jeweils der politische Bezirk Lienz (= Osttirol) angenommen worden sei. Eine Erhebung im angrenzenden Kärntner Bereich scheide schon deshalb aus, weil sich dort ca. 16 km vom geplanten Bordellstandort entfernt das erste Bordell im Kärntner Bereich befinde. Die vom Mitbeteiligten angesprochenen Bereiche des Mölltales würden durch die Bordellbetriebe in S (Bezirk Spittal) bzw. in den unmittelbar angrenzenden Salzburger Bezirken (Entfernungen von jeweils 130 km) abgedeckt. Da auch aus den Berichten der Osttiroler Sicherheitsbehörden die vom Mitbeteiligten geltend gemachte Begründung, es gäbe bereits im Bezirk Lienz illegale, behördlich nicht genehmigte Prostitution, als unrichtig erkannt wurde, fehle es an einem weiteren wesentlichen Teilaspekt des Bedarfs, weshalb bereits aus dem Grunde des § 15 Abs. 3 lit. a L-PG der Vorstellung keine Folge hätte gegeben werden dürfen.

Darüber hinaus sei auch die Voraussetzung des § 15 Abs. 3 lit. b L-PG nicht erfüllt. Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 13. Oktober 1999 sei dem Beschwerdeführer die baubehördliche Genehmigung für eine Verwendungszweckänderung der im Kellergeschoss befindlichen Räumlichkeiten des auf Grund der Baubewilligung vom 27. April 1998 errichteten Neubaus mit dem Verwendungszweck "Autohaus mit Kfz-Werkstätte" auf "Gastlokal in der Betriebsart Bar und Schießstand" erteilt worden. Mit dem Baubewilligungsbescheid vom 18. Juni 2004 sei die Verwendungszweckänderung auf "Bordell" lediglich für einen aus den beigelegten Plänen ersichtlichen Teil des auf dieser Grundparzelle stehenden Gebäudes erteilt worden, wobei es sich insgesamt um neu zu adaptierende Räumlichkeiten im Erdgeschoss und um bestehende Räumlichkeiten im Kellergeschoss ("Club X") handle. Die bewilligte Verwendungszweckänderung beziehe sich ausschließlich auf die erdgeschoßigen Teile der Autohaus-Ausstellungshalle unter Einschluss des derzeitigen Kellerlokals, "Club X", nicht aber auf den ebenfalls im Keller untergebrachten Schießstand. Nach dem Akteninhalt diene das bestehende Gebäude daher auch nach der Einrichtung des Bordellbetriebes weiterhin dem Kfz-Handel und der Kfz-Reparatur sowie u.a. auch dem Schießstandbetrieb. Die belangte Behörde sei selbst davon ausgegangen, dass sich der Schießstand im selben Gebäude mit dem Bordell befinde; damit liege aber die Voraussetzung des § 15 Abs. 3 lit. b LPG nicht vor. Es sei daher auch rechtswidrig gewesen, den Bescheid der Gemeindebehörde zu beheben, weil ein "offenes, noch zu lösendes Problem" hinsichtlich des Schießstandes nicht vorliege, sondern eben lediglich die Bewilligung des Bordellbetriebes zu versagen gewesen wäre. Daran ändere auch nichts, dass der Mitbeteiligte in seiner Stellungnahme vom 2. September 2004 angekündigt habe, den Kfz-Betrieb und den Schießstand zu schließen. Nach den Bestimmungen im Bauverfahren sei das Gebäude derzeit eben auch anderen Zwecken zugeordnet.

1. Zur Frage der Gebäudenutzung im Sinne des § 15 Abs. 3 lit. b des TirLPolG:

Nach der zitierten Vorschrift darf eine Bordellbewilligung nur erteilt werden, wenn das Bordell in einem nicht auch anderen Zwecken dienenden Gebäude betrieben werden soll. Während die oberste Gemeindebehörde die Bewilligung - gestützt unter Anderem auf diese Vorschrift - deswegen versagte, weil sich im betreffenden Gebäude auch ein Schießstand und ein Autohaus mit Kfz - Werkstätte befänden, vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es könne "eine die öffentliche Sittlichkeit bedrohende, gegenüber der Öffentlichkeit in Erscheinung tretende Prostitution auf Grund der unterschiedlichen Öffnungszeiten des Autohauses und des Bordells wohl nicht angenommen werden". Diese Darlegungen dürften in die Richtung zu deuten sein, dass der Versagungsgrund des "Betriebes eines Bordells in einem auch anderen Zwecken dienenden Gebäude" nicht vorliege. Diese Auffassung ist schon deshalb verfehlt, weil kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass der Gesetzgeber mit der oben wiedergegebenen Anordnung auf "Betriebszeiten" des Bordells abgestellt hätte. Im Übrigen ist nicht erkennbar, von welchen Annahmen hinsichtlich der "Betriebszeiten" des Bordells und des "Autohauses mit Kfz - Werkstätte" die Vorstellungsbehörde ausgegangen ist.

Hingegen stehe - so die belangte Behörde weiter - der Verwendung des Schießstandes, so lange dieser "in der derzeitigen Form betrieben" werde, "ein im selben Gebäude angesiedeltes Bordell im Wege und stellt dies aus Sicht der Vorstellungsbehörde ein offenes noch zu lösendes Problem dar". Damit meint die Vorstellungsbehörde offenbar, dass die Bordellbewilligung - im Hinblick darauf, dass das Gebäude, in dem das geplante Bordell errichtet werden solle, auch für Zwecke eines Schießstandes verwendet werde, nicht erteilt werden könne. Was mit ihrem Hinweis auf ein "noch zu lösendes Problem" gemeint ist, bleibt unklar; möglicher Weise meint die belangte Behörde - ihre Aufgabe, über die Verletzung subjektiver Rechte des Vorstellungswerbers durch den bekämpften Bescheid zu entscheiden, verkennend - dass im Fall einer (das "Problem lösenden") Änderung des Vorhabens eine Bewilligung erteilt werden könne.

Die belangte Behörde übersieht dabei, dass der Mitbeteiligte bereits im Verfahren vor den Gemeindebehörden mehrfach erklärt hat, er werde im Fall der Erteilung der Bordellbewilligung die Verwendung von Teilen des Gebäudes als Autohaus und Schießstand unverzüglich einstellen. Das Verfahren auf Erteilung einer Bordellbewilligung nach dem TirLPolG ist ein Projektverfahren; wie der Gegenstand des Vorhabens beschaffen ist, richtet sich nach den Erklärungen des Projektwerbers. Es ist daher die soeben wiedergegebene Erklärung des Mitbeteiligten als sein Vorhaben gestaltende Angabe beachtlich. Bei dieser Sachlage durfte die Gemeindebehörde nicht mit einer Versagung der Bewilligung im Grunde des § 15 Abs. 3 lit. b TirLPolG vorgehen, zumal das Gesetz die Behörde ermächtigt, eine Bordellbewilligung .... mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies zur Wahrung öffentlicher Interessen im Sinne des Abs. 3 erforderlich ist (§ 15 Abs. 6 leg. cit.) und die Behörde daher, soweit die Bewilligungsvoraussetzung nach § 15 Abs. 3 lit. b in Rede steht, die Bewilligung unter der Vorschreibung der Einstellung des Betriebes von Autohaus und Schießstätte bei Aufnahme des Bordellbetriebes hätte erteilen können. Soweit die Beschwerde der Gemeinde daher - unter Berufung auf aufrechte baubehördliche Genehmigungen für den Betrieb von Schießstand und Autohaus - geltend macht, es liege die Bewilligungsvoraussetzung nach § 15 Abs. 3 lit. b TirLPolG nicht vor, ist sie nicht im Recht.

2. Zur Frage des Bedarfs im Sinne des § 15 Abs. 3 lit. a iVm Abs. 4 TirLPolG:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2002/09/149, unter Hinweis auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 27. März 2000, Zl. 97/10/0030 = Slg. Nr. 15739/A, zur Frage des "Bedarfs" im Sinn des § 15 Abs. 4 TirLPolG ausgeführt, dass "Bedarf" im Sinne dieser Gesetzesstellen nicht etwa überall dort angenommen werden könne, wo eine - nicht zuletzt angebotsindizierte - Nachfrage bestehe, die die gewinnbringende bzw. wirtschaftliche Führung eines Bordellbetriebes zuließe. Dem Gesetz liege keineswegs die Zielvorstellung zu Grunde, es solle die "Versorgung der Bevölkerung" mit Bordellbetrieben (überall dort, wo ausreichende Nachfrage bestehe) sichergestellt werden. Auch in Ansehung des Bedarfsbegriffes habe die Auslegung den erklärten Gesetzeszweck zu beachten, die Prostitution, die als nicht wünschenswerte Erscheinung bezeichnet werde, auf das unvermeidliche Ausmaß einzuschränken. Nach den Zielvorstellungen des Gesetzes solle die Prostitution insgesamt auf bewilligte Bordelle beschränkt werden; dem liege offenbar die Überlegung zu Grunde, dass es für die öffentliche Ordnung günstiger sei, wenn die Prostitution nur an einigen wenigen, behördlich genehmigten und behördlichen Kontrollen leicht zugänglichen Orten in Erscheinung trete. Angesichts dieses Gesetzeszweckes könne Bedarf nach dem Betrieb eines Bordells angenommen werden, wenn jener angezeigt erscheine, um andernfalls im fraglichen Einzugsgebiet auftretende verbotene Erscheinungsformen der Prostitution, wie Straßen- und Wohnungsprostitution durch nicht kontrollierte Prostituierte zu vermeiden. Die in § 15 Abs. 4 L-PG genannten Bezugsgrößen (Einwohnerzahl, Bevölkerungsstruktur, Bestehen anderer Bordelle) bildeten - nach der Beobachtung der tatsächlichen gegenwärtigen Verhältnisse - Anhaltspunkte für die Prognose eines Bedarfes im soeben dargelegten Sinn.

Davon ausgehend waren die Darlegungen des Mitbeteiligten in der von ihm erhobenen Vorstellung nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des Bescheides der obersten Gemeindebehörde aufzuzeigen. In der Vorstellung wird zur Frage des "Bedarfes" vorgebracht, der Mitbeteiligte hätte "reichlich darüber Auskunft geben können, dass bekanntermaßen im Raum Lienz/F. entgeltliche geschlechtliche Hingabe betrieben wird, die vom Nachfragepublikum zutreffend als Hausfrauenpuff bezeichnet wird". Der bekämpfte Bescheid habe nur die Bevölkerungsstruktur von Osttirol erfasst; nach dem Gesetz wären aber auch die Nächtigungsgäste, die Eintagesgäste, durchreisende Gäste und die aus Kärnten und Südtirol "heranströmenden Kunden" einzubeziehen. Der "Anstrom" von Kärntner und Südtiroler Sextouristen habe in den letzten Jahren "unerträgliche Ausmaße" erreicht. Aus "beiden Einzugsgebieten" führen allnächtlich männliche Kunden auf der "ausschließlichen Suche nach Sex" in den Raum Osttirol. Für die "Südtiroler Sextouristen" sei der Umstand "bedarfsauslösend", dass die Prostitution in Italien verboten sei, die "Kärntner Sextouristen" sähen sich damit konfrontiert, dass im Raum Mölltal kein Bordell zur Verfügung stehe und das Bordell in O nicht bedarfsdeckend sei. Immer wieder werde der Mitbeteiligte im Rahmen seines "Club X", wo legaler und behördlich bewilligter Tanzbetrieb stattfinde, "vom genannten Anfragekreis gezielt darauf angesprochen, wo man denn nun Prostitution ausüben könne". Es käme "nahezu allnächtlich vor, dass dieses fahrzeugmobile Publikum nach einigen Stunden Ausschwärmen zwecks Suche nach Bedarfsbefriedigung wieder im Club X auftritt und den Vorstellungswerber umso nachhaltiger mit der Frage nach Sex bedrängt". ... Durch das "sexuell unbefriedigte, jedoch mit Kraftfahrzeugen ausgestattete Nachfragepublikum" werde ein sich mehr und mehr vergrößernder Unruheherd gebildet, der hochgradig geeignet sei, die "gesetzlich verpönte Erscheinungsform der verbotenen Prostitution" zu fördern. Die Ausübung der Geheimprostitution sei in Osttirol bereits Tatsache; dass dies der Behörde nicht bekannt sei, bestätige nur "die Effizienz dieser Geheimprostitution", die vom Mitbeteiligten hätte "verifiziert" werden können, "katalysiert dieser doch in dem von ihm betriebenen Club X das einschlägige Publikum und erhält somit unmittelbare, unverfälschte milieutypische Information über die Geschehnisse unter dem Rotlicht von Osttirol". Das "mangels genehmigtem Bordell verursachte nächtliche Unruheverhalten der vor allem Kärntner und Südtiroler nächtlichen Sextouristen hat sogar tödliche Folgen". Auf der Rückfahrt nach einem "für sexuelle Befriedigung völlig ungeeigneten O Bordellbesuch" käme es immer wieder zu tödlichen Verkehrsunfällen auf der B 100. Der "zwangsweise unterdrückte Sexualtrieb" werde nach der "als frustriert abgebrochenen Bedarfssuche" sodann mit Gewalt - und Alkoholexzessen ausgelebt. Bei der Auslegung von § 15 TirLPolG müssten im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch derartige "verbotene Erscheinungsformen" ins Kalkül gezogen werden.

Die belangte Behörde veranlasste eine niederschriftliche Befragung des Mitbeteiligten zum oben wiedergegebenen Vorbringen. Dieser legte dar, es sei ihm aus Gesprächen von Gästen bekannt, dass "gewisse Taxifahrer aus dem Raum Lienz Adressen kennen, wo sie Fahrgäste hinbringen, damit diese dort gegen Entgelt Sex haben". Die Namen der Gäste und der Taxifahrer wie auch die betreffenden Adressen kenne er nicht, er könne auch keine weiteren Angaben über Geheimprostitution im Raum Lienz machen. Er gehe davon aus, dass es sich nicht nur um Gerüchte handle, weil man von gewissen Gästen erwarten könne, dass sie die Wahrheit sagen.

Die oben wiedergegebenen Darlegungen der Vorstellung waren nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des Bescheides der obersten Gemeindebehörde aufzuzeigen. Diese Darlegungen zielten in erster Linie darauf ab, aufzuzeigen, dass am geplanten Standort eine nicht zuletzt angebotsinduzierte Nachfrage nach den Leistungen eines Bordellbetriebes bestünde. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits dargelegt, dass Bedarf im Sinne des § 15 Abs. 3 lit. a, Abs. 4 TirLPolG nicht etwa überall dort besteht, wo eine nicht zuletzt angebotsinduzierte Nachfrage nach den Leistungen eines Bordellbetriebes besteht, die die gewinnbringende bzw. wirtschaftliche Führung eines Bordellbetriebes zuließe (vgl. die bereits erwähnten Erkenntnisse vom 27. März 2000, Zl. 97/10/0030 = Slg. Nr. 15739/A, und vom 21. September 2005, Zl. 2002/09/149). Die Vorstellung zeigte mit diesen Darlegungen daher auch - anders als die belangte Behörde meint - nicht auf, dass Ermittlungen in der Richtung, ob in der Kärntner und Südtiroler Bevölkerung eine Nachfrage nach Leistungen eines im Raum Lienz situierten Bordellbetriebes besteht, geboten gewesen wären.

Ebenso wenig vermochte der Mitbeteiligte mit jenen Darlegungen der Vorstellung, die in die Richtung des Vorkommens von Geheimprostitution im Raum Lienz gehen, eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides der obersten Gemeindebehörde aufzuzeigen. Die Gemeindebehörden haben die Frage nach dem Vorkommen von "Missständen" im Sinne der mehrfach erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf Grund von Ermittlungen verneint, die auf Grund des oben wiedergegebenen Vorbringens nicht als mangelhaft zu erkennen sind. Dem Vorbringen konnte nämlich kein hinreichend konkretisierter Sachverhalt entnommen werden, der darauf hingedeutet hätte, dass die Gemeindebehörden hätten feststellen können, es träten im fraglichen Bereich verbotene Erscheinungsformen der Prostitution auf, die durch den Betrieb eines Bordells vermieden werden könnten; im Übrigen war der Mitbeteiligte bei eingehender Befragung nicht in der Lage, die Behauptungen der Vorstellung zu konkretisieren.

Das Vorbringen der Vorstellung war daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides der obersten Gemeindebehörde im Zusammenhang mit der Beurteilung des Begriffes "Bedarf" aufzuzeigen; die von der belangten Behörde vermissten (weiter gehenden) Ermittlungen zum "voraussichtlichen Einzugsgebiet" waren bei dieser Sachlage - wie schon in dem dem Erkenntnis vom 27. März 2000 zu Grunde liegenden Fall - entbehrlich. Es war daher verfehlt, dass die belangte Behörde den bekämpften Bescheid auf Grund ihrer Auffassung aufhob, die Gemeindebehörde habe es unterlassen, "ein nach den Regeln der allgemeinen Lebenserfahrung festzulegendes Einzugsgebiet zu bestimmen, wobei auch allenfalls angrenzende Gebiete eines fremden Staates oder eines anderen Bundeslandes zu berücksichtigen sind".

Die Bordellbewilligung nach § 15 Abs. 3 TirLPolG ist zu versagen, wenn auch nur eine der in der zitierten Gesetzesstelle normierten Bewilligungsvoraussetzungen nicht vorliegt. Im vorliegenden Fall hatte die oberste Gemeindebehörde aufgrund der von ihr durchgeführten Ermittlungen angenommen, es bestehe kein "Bedarf" nach dem geplanten Bordell im Sinne des § 15 Abs. 3 lit. a TirLPolG. Der Vorstellung war es nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit dieser Beurteilung aufzuzeigen; die belangte Behörde hätte die Vorstellung daher schon aus diesem Grund - unbeschadet der verfehlten Rechtsansicht, die die oberste Gemeindebehörde in der weiteren Frage der Gebäudenutzung vertreten hatte - abweisen müssen, weil die beantragte Bewilligung von der obersten Gemeindebehörde mangels Vorliegens eines "Bedarfes" zu Recht versagt worden war.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. Mai 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005090013.X00

Im RIS seit

27.09.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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