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64/03 Landeslehrer;Norm
LDG 1984 §106 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Mag. Nussbaumer-Hinterauer, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der Mag. R in L, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. November 2003, Bi-010335/2-2003-Zei/Hol, betreffend Anrechnung von Ruhegenussvordienstzeiten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendung in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die im Jahre 1948 in Jugoslawien geborene Beschwerdeführerin stand vom 10. Jänner 1987 bis zum 31. Dezember 1999 als Lehrerin in einem Vertragsbedienstetenverhältnis und steht seit 1. Jänner 2000 als Sonderschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich.
In den Jahren 1964 bis 1968 hatte sie in Sarajewo ein Gymnasium und von September 1968 bis September 1970 die Pädagogische Akademie absolviert. Sie war vom 1. September 1970 bis zum 9. Jänner 1987 in Novi Travnik (ehem. Pucarevo), ebenfalls im nunmehrigen Bosnien und Herzegowina gelegen, als Hauptschullehrerin und Schulpsychologin beschäftigt.
Anlässlich ihrer Aufnahme in das öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2000 gab die Beschwerdeführerin in einem "Fragebogen für die Anrechnung von Ruhegenussverdienstzeiten" u.a. ihre Ausbildungszeiten und bisherigen Beschäftigungsverhältnisse an.
Der Landesschulrat Oberösterreich (als Dienstbehörde erster Instanz) teilte der Beschwerdeführerin mit Erledigung vom 20. November 2001 mit, dass sie gemäß § 54 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965 (im Folgenden: PG 1965) die Möglichkeit habe, die Anrechnung jener Ruhegenussvordienstzeiten auszuschließen, für die sie einen besonderen Pensionsbeitrag zu entrichten hätte. In ihrem Fall handle es sich um folgende Zeiten:
"J
M
T
vom 16.01.1966 bis 25.06.1968
2
5
10
vom 01.09.1968 bis 31.08.1970
2
-
-
vom 01.09.1970 bis 09.01.1987
16
4
9
zusammen:
20
9
19
Der besondere Pensionsbeitrag würde ca. ATS 1.166.500,-- (= 84.772,86 EUR) betragen.
Der Abzug ist in max. 90 Monatsraten vorgesehen und wirkt sich lohnsteuerbegünstigend aus."
Die Beschwerdeführerin teilte der Dienstbehörde erster Instanz in ihrer Eingabe vom 22. Juli 2003 mit, dass sie sich einen besonderen Pensionsbeitrag für die Ruhegenussvordienstzeiten nicht leisten könne und bitte, die Zeiten aufgrund der beiliegenden Mitteilung aus Bosnien und Herzegowina anzurechen bzw. einen Pensionsanspruch bei der Pensionsversicherungsanstalt in Bosnien und Herzegowina auf dem Dienstweg zu erheben, wobei die Pensionsverlustzulage sowie Valorisierungsunterschiede berücksichtigt werden könnten.
Die Dienstbehörde erster Instanz sprach mit Bescheid vom 1. September 2003 aus, dass ihr bis zum Beginn ihrer ruhegenussfähigen Dienstzeit, dem 1. Jänner 2000, 12 Jahre 11 Monate und 21 Tage als Vordienstzeit angerechnet werden würden. Der Begründung des Bescheides ist zu entnehmen, dass sich diese Vordienstzeit auf Grund der Beschäftigung der Beschwerdeführerin als "Vertragslehrerin" vom 10. Jänner 1987 bis zum 31. Dezember 1999 bemisst.
Die Beschwerdeführerin machte in ihrer Berufung geltend, dass gemäß Art. 10 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit (im Folgenden: Abkommen BGBl. III Nr. 229/2001) Versicherungszeiten, die in beiden Staaten erworben worden seien, zusammenzurechnen seien. Gemäß Art. 20 habe bei der Berechnung des Leistungsanspruches der Vertragsstaat die Zurücklegung von Versicherungszeiten eines anderen Vertragsstaates so zu berücksichtigen, als wären es nach den von ihm anzuwendenden Rechtvorschriften zurückgelegte Versicherungszeiten. Ein gleich lautendes Abkommen zwischen der Republik Österreich über soziale Sicherheit bestehe auch mit der Bundesrepublik Jugoslawien, (im Folgenden: Abkommen BGBl. III Nr. 130/2002). Da es sich bei diesen Abkommen um "self-executing"- Verträge handle, seien sie unmittelbar anzuwenden. Sie beantrage, dass der Zeitraum vom 16. Jänner 1966 bis zum 21. Dezember 1997 als Vordienstzeit angerechnet werde.
Die Oberösterreichische Landesregierung (belangte Behörde) teilte der Beschwerdeführerin mit Erledigung vom 13. Oktober 2003 mit, dass die in der Berufung beantragte Anrechnung der Zeiten vom 16. Jänner 1966 bis 9. Jänner 1987 "im Grunde der Bestimmung des § 53 Abs. 3 lit. b Pensionsgesetz 1965 grundsätzlich möglich" sei, die Beschwerdeführerin aber einen besonderen Pensionsbeitrag zahlen müsse, da laut Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt Mostar vom 29. Jänner 2003 die Auszahlung von Pensionsversicherungsbeiträgen nicht möglich sei, die Beschwerdeführerin jedoch einen zusätzlichen Pensionsanspruch auf Grund der in Bosnien und Herzegowina geleisteten Dienstzeiten stellen könne, wenn sie die Voraussetzungen erfülle und in den Ruhestand versetzt werden wolle. Im Falle der Anrechnung dieser Zeiten als Ruhegenussvordienstzeiten könne jedoch auf das aus dem Anrechnungsbescheid erwachsene Recht gemäß § 54 Abs. 4 PG 1965 sodann nicht mehr verzichtet und würde ein besonderer Pensionsbeitrag vorgeschrieben werden.
In ihrer Eingabe vom 28. Oktober 2003 brachte die Beschwerdeführerin hiezu vor, dass ihre Berufung ausschließlich auf die Anwendung der entsprechenden Abkommen über die soziale Sicherheit mit Bosnien und Herzegowina bzw. mit der Bundesrepublik Jugoslawien gestützt worden sei, die als so genannte "selfexecuting"-Verträge unmittelbar anwendbar seien. In diesen Abkommen sei ausdrücklich normiert, dass bei der Berechnung des Leistungsanspruches der Vertragsstaat die Rücklegung von Versicherungszeiten eines anderen Vertragsstaates so zu berücksichtigen habe, als wären es nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften zurückgelegte Versicherungszeiten. Die Beschwerdeführerin habe selbstverständlich keinen Antrag auf Anrechnung von Ruhegenussvordienstzeiten auf der Basis der von der belangten Behörde angeführten gesetzlichen Bestimmungen mit der weiteren Konsequenz der Vorschreibung eines besonderen Pensionsbeitrages gestellt. Die Anrechnung werde weiterhin ausschließlich auf die unmittelbare Anwendung der angeführten Abkommen und nicht auf die von der belangten Behörde angeführten gesetzlichen Bestimmungen gestützt. Sollten der Erledigung des Ansuchens gesetzliche Hindernisse entgegenstehen, werde wohl der Verfassungsgerichtshof den Widerspruch zwischen dem Abkommen einerseits und einer allenfalls widersprechenden Gesetzeslage aufgreifen müssen. Die Beschwerdeführerin habe für ihre Tätigkeit von September 1970 bis Jänner 1987 "im früheren Jugoslawien bzw. Bosnien und Herzegowina" selbstverständlich die entsprechenden Pensionsbeiträge geleistet. Es sei ausschließlich Sache der Behörde, die dargelegten zwischenstaatlichen Abkommen dadurch zu erfüllen, dass diese erworbenen Leistungsansprüche bei der Pensionsberechnung berücksichtigt würden. Wenn es hiefür erforderlich sei, dass die geleisteten Pensionsbeiträge von dem Vertragsstaat des Abkommens eingefordert würde, obliege diese Verantwortung keinesfalls der Beschwerdeführerin, sondern der von der Behörde zu veranlassenden Umsetzung des Abkommens.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie führte nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens begründend aus, auf Grund der gegebenen Sachlage hätte im Falle der Anrechnung der genannten Zeiten als Ruhegenussvordienstzeiten nach § 53 PG 1965 die Dienstbehörde erster Instanz in einem weiteren Verfahren die Vorschreibung eines besonderen Pensionsbeitrages im Grunde der Bestimmung des § 56 PG 1965 zwingend vornehmen müssen, weil für die von der Beschwerdeführerin zurückgelegten Auslandszeiten kein Überweisungsbetrag nach sozialversicherungsrechtlichen Bestimmung von Bosnien und Herzegowina überwiesen werde. Zu dem Abkommen BGBl. III Nr. 229/2001 werde festgehalten, dass, sofern nach den österreichischen Rechtsvorschriften auch ohne Anwendung seines Art. 20 (Zusammenrechnung der Versicherungszeiten) ein Leistungsanspruch bestehe, der zuständige österreichische Träger die Leistung ausschließlich auf Grund der nach österreichischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Versicherungszeiten festzustellen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde jedoch mit Beschluss vom 7. Juni 2005, B 1747/03, mit folgender tragender Begründung ablehnte - und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat:
"Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wäre diese Rechtsverletzung aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit von Bestimmungen des Abkommens der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit, BGBl. III 2001/229, behauptet wird, lässt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:
Eine staatsvertragliche Regelung (sollte sie im vorliegenden Fall überhaupt von Relevanz sein), der zu Folge in Fällen, in denen ein Leistungsanspruch schon auf Grund der in Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten besteht, die Höhe der Leistung ausschließlich auf Grund der nach österreichischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Versicherungszeiten - und ohne Berücksichtigung der nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates zurückgelegten Zeiten - festzustellen ist, ist nicht gleichheitswidrig.
Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen."
In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeergänzung erachtet sich die Beschwerdeführerin erkennbar in ihrem Recht auf Anrechnung ihrer im Ausland zurückgelegten, gegenständlichen Zeiten als Ruhegenussvordienstzeiten verletzt; sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 106 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 302 lautet auszugsweise:
"Anwendung von für Bundeslehrer geltenden besoldungs- und pensionsrechtlichen Vorschriften
§ 106. (1) Für das Besoldungs- und Pensionsrecht gelten unter Bedachtnahme auf Abs. 2 folgende Vorschriften, soweit nicht in diesem Bundesgesetz anderes bestimmt wird:
1.
Das Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54,
2.
das Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340,
..."
§ 2 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340, lautet (in seiner Stammfassung):
"§ 2. (1) Der Beamte erwirbt mit dem Tag des Dienstantrittes Anwartschaft auf Pensionsversorgung für sich und seine Angehörigen, es sei denn, dass er vorher auf die Pensionsversorgung verzichtet hat."
§ 3 Abs. 1 PG 1965 lautet in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995:
"§ 3. (1) Dem Beamten des Ruhestandes gebührt ein monatlicher Ruhegenuss, wenn seine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit mindestens 15 Jahre beträgt."
§ 6 Abs. 1 PG 1965 lautet (in seiner Stammfassung):
"§ 6. (1) Die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit setzt sich zusammen aus
a)
der ruhegenussfähigen Bundesdienstzeit,
b)
den angerechneten Ruhegenussvordienstzeiten,
c)
den angerechneten Ruhestandszeiten,
d)
den zugerechneten Zeiträumen,
e)
den durch besondere gesetzliche Bestimmungen oder auf Grund solcher Bestimmungen als ruhegenussfähig erklärten Zeiten."
§ 53 PG 1965 (Abs. 3 in der Fassung des Kompetenzbereinigungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 256/1993) lautet auszugsweise:
"§ 53. (1) Ruhegenussvordienstzeiten sind die in den Abs. 2 bis 4 genannten Zeiten, soweit sie vor dem Tag liegen, von dem an die ruhegenussfähige Bundesdienstzeit rechnet. Sie werden durch Anrechnung ruhegenussfähige Zeiten.
(2) Folgende Ruhegenussvordienstzeiten sind anzurechnen:
a) die in einem Dienstverhältnis bei einem inländischen öffentlich-rechtlichen Dienstgeber zurückgelegte Zeit,
b) ...
...
(3) Folgende Ruhegenussvordienstzeiten können angerechnet werden:
...
b) die im Ausland im öffentlichen oder privaten Dienst oder in einem Berufsausbildungsverhältnis zurückgelegte Zeit,
..."
§ 54 Abs. 3 PG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 288/1988 lautet auszugsweise:
" (3) Der Beamte kann die Anrechnung von Ruhegenussvordienstzeiten in jenen Fällen, in denen er einen besonderen Pensionsbeitrag zu entrichten hätte, durch schriftliche Erklärung ganz oder teilweise ausschließen. Dasselbe können seine Hinterbliebenen, wenn er vor der Anrechnung der Ruhegenussvordienstzeiten gestorben ist."
§ 56 PG 1965 lautet auszugsweise:
"§ 56. (1) Soweit der Bund für die angerechneten Ruhegenussvordienstzeiten keinen Überweisungsbetrag nach den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen erhält, hat der Beamte einen besonderen Pensionsbeitrag zu leisten. ...
(2) Ein besonderer Pensionsbeitrag ist nicht zu entrichten,
..."
Die Bestimmung des § 88 PG 1965 - durch das Strukturanpassungsgesetz als § 62b eingefügt, die Überschrift in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl I Nr. 142/2000, die Paragraphenbezeichnung in der Fassung des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119 - lautet auszugsweise:
"Übergangsbestimmungen zu den Novellen BGBl. Nr. 297/1995 und BGBl. I Nr. 142/2000
§ 88. (1) Die §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 1, 8 und 20 Abs. 1 sind auf Beamte, die vor dem 1. Mai 1995 in ein Dienstverhältnis zu einer österreichischen Gebietskörperschaft aufgenommen worden sind und seit dem Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Dienststand oder ihres Todes ununterbrochen in einem Dienstverhältnis zu einer österreichischen Gebietskörperschaft stehen, sowie deren Hinterbliebene mit folgenden Maßgaben anzuwenden:
1. Die zur Entstehung des Anspruches auf Ruhegenuss erforderliche Gesamtdienstzeit beträgt abweichend von § 3 Abs. 1 zehn Jahre.
..."
Das - zufolge seines Art. 37 Abs. 2 mit 1. Oktober 2001 in Kraft getretene - Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit, BGBl. III Nr. 229/2001, lautet auszugsweise:
"Abschnitt I
Allgemeine Bestimmungen
Artikel 2
Sachlicher Geltungsbereich
(1) Dieses Abkommen bezieht sich
1. auf die österreichischen Rechtsvorschriften über
...
c) die Pensionsversicherung mit Ausnahme der Sonderversicherung für das Notariat,
...
Artikel 3
Persönlicher Geltungsbereich
Dieses Abkommen gilt
a) für Personen, für die die Rechtsvorschriften eines oder beider Vertragsstaaten gelten oder galten;
...
Abschnitt II
Bestimmungen über die anzuwendenden Rechtsvorschriften
Artikel 6
Allgemeine Regelung
(1) ...
(2) Für Beamte und ihnen gleichgestellte Personen gelten die Rechtsvorschriften des Vertragsstaates, bei dessen Verwaltung sie beschäftigt sind.
...
Abschnitt III
Besondere Bestimmungen
...
Alter, Invalidität und Tod (Pensionen)
Artikel 20
Zusammenrechnung der Versicherungszeiten
(1) Hängt nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben eines Leistungsanspruches von der Zurücklegung von Versicherungszeiten ab, so hat der zuständige Träger dieses Vertragsstaates, soweit erforderlich, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen, als wären es nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften zurückgelegte Versicherungszeiten, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen.
(2) Hängt nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates die Gewährung bestimmter Leistungen von der Zurücklegung der Versicherungszeiten in einem Beruf, für den ein Sondersystem besteht, oder in einem bestimmten Beruf oder in einer bestimmten Beschäftigung ab, so sind für die Gewährung dieser Leistungen die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates zurückgelegten Versicherungszeiten nur zu berücksichtigen, wenn sie in einem entsprechenden System oder, wenn ein solches nicht besteht, im gleichen Beruf oder in der gleichen Beschäftigung zurückgelegt worden sind.
(3) Verlängern nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates Zeiten der Pensionsgewährung den Zeitraum, in dem die Versicherungszeiten zurückgelegt sein müssen, so verlängert sich dieser Zeitraum auch durch entsprechende Zeiten der Pensionsgewährung nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates.
...
Artikel 22
Feststellung der österreichischen Leistungen
(1) Besteht nach den österreichischen Rechtsvorschriften auch ohne Anwendung des Artikels 20 ein Leistungsanspruch, so hat der zuständige österreichische Träger die Leistung ausschließlich auf Grund der nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Versicherungszeiten festzustellen.
(2) Besteht nach den österreichischen Rechtsvorschriften nur unter Anwendung des Artikels 20 ein Leistungsanspruch, so hat der zuständige österreichische Träger die Leistung ausschließlich auf Grund der nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Versicherungszeiten sowie unter Berücksichtigung der folgenden Bestimmungen festzustellen:
1. Leistungen oder Leistungsteile, deren Betrag nicht von der Dauer der zurückgelegten Versicherungszeiten abhängig ist, gebühren im Verhältnis der nach den österreichischen Rechtsvorschriften für die Berechnung der Leistung zu berücksichtigenden Versicherungszeiten zu 30 Jahren, höchstens jedoch bis zur Höhe des vollen Betrages.
2. Sind bei der Berechnung von Leistungen bei Invalidität oder an Hinterbliebene nach dem Eintritt des Versicherungsfalles liegende Zeiten zu berücksichtigen, so sind diese Zeiten nur im Verhältnis der nach den österreichischen Rechtsvorschriften für die Berechnung der Leistung zu berücksichtigenden Versicherungszeiten zu zwei Dritteln der vollen Kalendermonate von der Vollendung des 16. Lebensjahres der betreffenden Person bis zum Eintritt des Versicherungsfalles zu berücksichtigen, höchstens jedoch bis zum vollen Ausmaß.
3. Ziffer 1 gilt nicht
a)
hinsichtlich von Leistungen aus einer Höherversicherung;
b)
hinsichtlich von einkommensabhängigen Leistungen oder Leistungsteilen zur Sicherstellung eines Mindesteinkommens.
...
Abschnitt V
Übergangs- und Schlussbestimmungen
Artikel 37
Inkrafttreten
...
(3) Die Bestimmungen dieses Abkommens, die sich auf den Erwerb und die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Sicherheit beziehen, sind ab dem 1. Oktober 1996 auf Personen anzuwenden, auf die das zwischen den beiden Vertragsstaaten vor diesem Zeitpunkt in Geltung gestandene Abkommen über soziale Sicherheit anzuwenden war. Soweit in der Zeit vor Inkrafttreten dieses Abkommens hinsichtlich der Gewährung von Sachleistungen anders verfahren wurde, hat es dabei sein Bewenden."
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht die Beschwerdeführerin geltend, die Auslegung des Abkommens BGBl. III Nr. 229/2001 durch die belangte Behörde würde in konsequenter Weise bedeuten, dass ein Versicherungsnehmer, der zunächst in Bosnien und Herzegowina viele Jahre gearbeitet habe, danach jedoch in Österreich nicht lange genug, um einen eigenständigen Versicherungsanspruch zu erwerben, dadurch besser gestellt werde, dass die Versicherungszeiten in Bosnien und Herzegowina (mangels entsprechender Einschränkung) zur Gänze angerechnet würden. Umgekehrt würden beitragsrelevante Jahre in Bosnien und Herzegowina nur dann, wenn im Anschluss daran gerade genug in Österreich gearbeitet worden sei, um hier einen eigenständigen minimalen Pensionsanspruch zu begründen, gänzlich unberücksichtigt bleiben. Diese unzulässige Auslegung würde dazu führen, dass die Beschwerdeführerin besser gestellt werde, wenn sie in Österreich nicht lange genug gearbeitet hätte, um einen eigenständigen Pensionsanspruch nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu erwerben. Bei der Rechtsansicht der belangten Behörde handle es sich daher um eine "grob unrichtige Anwendung bzw. Auslegung des zitierten Abkommens", dem dadurch ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt werde. Die "Stellungnahme im Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 07.06.2005, diese Auslegung wäre nicht gleichheitswidrig", könne von der Beschwerdeführerin nicht geteilt werden. Sie richte daher an den Verwaltungsgerichtshof die Anregung, die Normbedenken zu teilen und ein Gesetzesprüfungsverfahren nach Art. 140 B-VG bzw. eine Prüfung des Abkommens nach Art. 140a B-VG beim Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der in Rede stehenden Bestimmungen zu beantragen.
Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit, BGBl. III Nr. 229/2001 (im Folgenden: Abkommen), sieht eine (beitragsfreie) Anrechnung von Zeiten als Ruhegenussvordienstzeiten im Verständnis des PG 1965 nicht vor. Art. 20 iVm Art. 22 Abs. 1 des Abkommens wirken sich daher auf die Berechnung der Ruhegenussvordienstzeiten nach österreichischem Recht nicht aus. Aus dem Abkommen ergibt sich, dass dieses ausschließlich aus Anlass der Ruhegenussbemessung Anwendung findet.
Der angefochtene Bescheid steht einer allfälligen Anwendung des Abkommens im Rahmen der Ruhegenussbemessung nicht entgegen. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin (ohne Anrechnung nach Art. 20 iVm. Art. 22 Abs. 1 des Abkommens) ohnehin nach österreichischem Recht die zur Entstehung ihres Anspruches auf Ruhegenuss erforderliche Gesamtdienstzeit erworben.
Das von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorgebrachte verfassungsrechtliche Bedenken geht somit ins Leere.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darin sieht, dass die belangte Behörde Ermittlungen und eine Begründung zu der Frage unterlassen habe, warum bzw. auf welcher gesetzlichen Basis die Auszahlung von Pensionsversicherungsbeiträgen von der Pensionsversicherungsanstalt in Mostar verweigert worden wäre, entbehrt dies in Anbetracht des Gesagten jeglicher Relevanz.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung steht dem in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, weil die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich Rechtsfragen betroffen hat (vgl. die Unzulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 2. September 2004, Alois Hofbauer vs. Austria).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. Mai 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005120156.X00Im RIS seit
14.07.2006