Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Thoma und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des J S in M, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Jänner 2003, Zl. 50.055/29-I/1/e/03, betreffend Fahrtkostenzuschuss gemäß § 20b des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der Gendarmerieposten Kirchdorf a.d. Krems.
Mit an den Gendarmerieposten Kirchdorf a.d. Krems gerichtetem Schreiben vom 11. August 1997 teilte das Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich mit, dass der vom Beschwerdeführer mit Antrag vom 30. Juli 1997 beanspruchte Fahrtkostenzuschuss hinsichtlich des Anspruches und der Höhe nach (S 101,--) anerkannt werde. Die Besoldungsstelle des BMI sei zur Flüssigmachung dieses Betrages ab dem 1. August 1997 angewiesen worden.
Nachdem mit Schreiben des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich vom 22. August 2001 mitgeteilt worden war, dass dem Beschwerdeführer ab dem 1. September 2001 nur mehr ein Fahrtkostenzuschuss in der Höhe von S 55,-- gebühre, beantragte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5. September 2001 die Erlassung eines Feststellungsbescheides.
Mit Bescheid vom 14. September 2001 stellte das Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich fest, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 20b Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG) ab 1. September 2001 ein monatlicher Fahrtkostenzuschuss in der Höhe von S 55,-- gebühre. Begründend wurde ausgeführt, auf Grund der Fahrplanumstellungen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln mit 10. Juni 2001 seien bestehende Fahrtkostenzuschüsse "auf die weitere Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel überprüft" worden. Dabei sei festgestellt worden, dass laut dem Antrag des Beschwerdeführers zunächst eine fiktive Wegstrecke von 10,5 km bis zur Einstiegstelle in das öffentliche Verkehrsmittel in Klaus zurückzulegen sei. Für die Strecke vom Bahnhof Klaus bis zum Bahnhof Kirchdorf a.d. Krems (10 km) sei die Benützung des Zuges (ÖBB) angeführt. Vom Ausstiegbahnhof in Kirchdorf a.d. Krems bis zur Dienststelle sei dann noch eine fiktive Wegstrecke von 0,8 km zurückzulegen. Das ergebe eine fiktive Wegstrecke von 11,3 km. Da bei der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel "mehr als die Hälfte der Wegstrecke fiktiv" zurückgelegt werden müsse, habe der Fahrtkostenzuschuss des Beschwerdeführers "auf die Zweckmäßigkeit hinsichtlich der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel" überprüft werden müssen. Der Tatbestand des § 20b Abs. 2 GehG schließe auch den Fall ein, dass öffentliche Verkehrsmittel zwar vorhanden seien, ihre Benützung durch den Beamten aber nicht als zweckmäßig angesehen werden könne. Die Frage der Zweckmäßigkeit sei nach der Gesamtheit aller Kriterien zu beurteilen, die für eine solche Entscheidung bei objektiver Betrachtungsweise als erheblich anzusehen seien. Da das GehG über die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel keine näheren Regelungen enthalte, orientiere sich das Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich an den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) über das Pendlerpauschale, weil der Fahrtkostenzuschuss und das Pendlerpauschale einen gegenseitigen Bezug hätten, z.B. bedeute ein Anspruch auf fiktiven Fahrtkostenzuschuss auch gleichzeitig einen Anspruch auf großes Pendlerpauschale. Nach § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 sei die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar, wenn der Anfahrtsweg mehr als die Hälfte der Gesamtstrecke betrage. In diesem Fall stehe daher das große Pendlerpauschale zu. "Als Analogieschluss für den Fahrtkostenzuschuss" sei nun zu sagen, dass ein öffentliches Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar sei, also zweckmäßig sein könne, wenn auf mehr als der Hälfte der gesamten Wegstrecke kein öffentliches Verkehrsmittel benützt werden könne, was im Fall des Beschwerdeführers zutreffe ("11,3 km fiktive Wegstrecke zu 10 km öffentliche Verkehrsmittel"). Vor diesem Hintergrund könne die Benützung der im Antrag angeführten öffentlichen Verkehrsmittel nicht als zweckmäßig im Sinne des § 20b GehG angesehen werden, weshalb der Fahrtkostenzuschuss nach den Bestimmungen des § 20b Abs. 2 GehG zu bemessen sei. Die monatlichen Fahrtauslagen seien demnach nach den billigsten für Personenzüge zweiter Klasse in Betracht kommenden Fahrtkosten - gemessen an der kürzesten Wegstrecke - zu ermitteln. Die kürzeste Wegstrecke zwischen der Wohnung des Beschwerdeführers in M. und der Dienststelle betrage 20 km. Eine Monatskarte der ÖBB für diese Strecke koste S 620,--, sodass nach Abzug des Eigenanteiles von S 560,-- mal 11/12 ab 1. September 2001 ein Fahrtkostenzuschuss von monatlich S 55,-- (EUR 4,--) gebühre.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe bis September 2001 einen Fahrtkostenzuschuss in der Höhe von S 257,-- bezogen. Da es zu keiner Änderung des § 20b GehG gekommen sei, sei es für ihn nicht nachvollziehbar, warum es plötzlich zu einer Kürzung seines Fahrtkostenzuschusses gekommen sei, obwohl er den Fahrtkostenzuschuss in der alten Form seit einigen Jahren bezogen habe.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2002 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung als unzulässig zurück, weil die Berufung zwar den Bescheid bezeichne, gegen den sie sich richte, jedoch keinen begründeten Berufungsantrag enthalte.
Mit dem hg. Erkenntnis vom 19. November 2002, Zl. 2002/12/0155, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Ausschlaggebend für die Aufhebung war, dass § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 im Gegensatz zur bis dahin geltenden Rechtslage nicht mehr auf Formgebrechen abstelle, sondern ganz allgemein auf "Mängel". Damit seien auch solche Mängel, die bisher zur Zurückweisung zu führen hatten, wie etwa das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages, einer Verbesserung zuzuführen. Fehle ein begründender Berufungsantrag, sei die Berufung nach § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung zurückzustellen. Im Übrigen liege aber ohnehin ein begründeter Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG vor. Aus dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers sei erkennbar, was er erreichen habe wollen, nämlich den Entfall der Neufestsetzung seines Fahrtkostenzuschusses. Es sei aber auch (gerade noch) erkennbar, womit er seinen Standpunkt, diese Neufestsetzung habe zu entfallen, stützen zu können glaube, nämlich damit, dass es zu keiner Änderung der maßgeblichen Rechtslage gekommen sei.
Mit Ersatzbescheid vom 24. Jänner 2003 gab der Bundesminister für Inneres der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht statt. Der Fahrtkostenzuschuss gemäß § 20b Abs. 2 GehG betrage ab 1. September 2001 S 55,-- (EUR 4,--). In der Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des § 20b Abs. 1, 2, 3, 8 und 9 GehG ausgeführt, es sei unstrittig, dass der Beschwerdeführer eine Wegstrecke von mehr als 20 km in eine Richtung zurückzulegen habe und dass davon nur 10 km mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zurückgelegt werden könnten. Diese Angaben habe der Beschwerdeführer selbst gemacht und in seiner Berufung noch dahingehend ergänzt, dass er für die Fahrt zum Dienst das Auto benütze. Er habe in keinem Stadium des Verfahrens angegeben, dass die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels für ihn zweckmäßig sei. Somit sei auch die Tatsache, dass die Benützung eines öffentlichen Verkehrmittels für ihn unzweckmäßig sei, außer Streit gestellt. Im Beschwerdefall sei, da der Beschwerdeführer das öffentliche Verkehrsmittel nicht benütze und eine Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels auch nicht zweckmäßig wäre, grundsätzlich § 20b Abs. 2 GehG anzuwenden und der Argumentation der Dienstbehörde erster Instanz zu folgen. Wie sich aus § 20b Abs. 8 erster Satz GehG ergebe, setze eine Neubemessung des Fahrtkostenzuschusses eine Änderung von Tatsachen voraus, die für das Entstehen oder den Wegfall des Anspruches oder für die Änderung seiner Höhe von Bedeutung seien. Die eingetretene Rechtskraft eines Bescheides über den einem Beamten gebührenden Fahrtkostenzuschuss stehe einer (neuen) Entscheidung (Neubemessung) über diesen Gegenstand entgegen, solange keine wesentliche Änderung der Tatsachen eingetreten sei, von denen der Anspruch dem Grunde oder der Höhe nach abhängig sei. Im Beschwerdefall habe die Anweisung des Fahrtkostenzuschusses bis 1. August 2001 nicht auf einem Bescheid über die Gebührlichkeit dieser Nebengebühr beruht. Da kein Bescheid über die Gebührlichkeit des Fahrtkostenzuschusses erlassen worden sei, habe dem Abspruch mit dem nun angefochtenen Bescheid nicht die Rechtskraft einer früheren Entscheidung entgegen gestanden. Es habe daher keiner wesentlichen Änderung der für den Grund und die Höhe dieses Anspruches maßgeblichen Tatsachen bedurft. Dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer bis 1. August 2001 Fahrtkostenzuschuss bezahlt worden sei, könne von vornherein genauso wenig wie dem Umstand, dass die Bezahlung des Fahrtkostenzuschusses durch Jahre hindurch unbestritten gewesen sei, eine rechtliche Verbindlichkeit zukommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. § 20b Abs. 1 und 2 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (GehG), idF. der 24. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 214/1972, Abs. 1 Z. 3 (Absatzzitat) novelliert durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, lauten:
"Fahrtkostenzuschuss
§ 20b. (1) Dem Beamten gebührt ein Fahrtkostenzuschuss, wenn
1. die Wegstrecke zwischen der Dienststelle und der nächstgelegenen Wohnung mehr als zwei Kilometer beträgt,
2. er diese Wegstrecke an den Arbeitstagen regelmäßig zurücklegt und
3. die notwendigen monatlichen Fahrtauslagen für das billigste öffentliche Beförderungsmittel, das für den Beamten zweckmäßigerweise in Betracht kommt, den Fahrtkostenanteil übersteigen, den der Beamte nach Abs. 3 oder 3a selbst zu tragen hat.
(2) Soweit für Wegstrecken zwischen der nächstgelegenen Wohnung und der Dienststelle ein öffentliches Beförderungsmittel nicht in Betracht kommt und diese Wegstrecken in einer Richtung mehr als zwei Kilometer betragen, sind die monatlichen Fahrtauslagen hiefür nach den billigsten für Personenzüge zweiter Klasse in Betracht kommenden Fahrtkosten - gemessen an der kürzesten Wegstrecke - zu ermitteln."
1.2. § 20b Abs. 8 erster Satz GehG lautet (idF. der Novelle BGBl. Nr. 392/1974; Absatzbezeichnung idF. BGBl. Nr. 49/1983):
"§ 20. (1) Der Beamte hat alle Tatsachen, die für das Entstehen oder den Wegfall des Anspruches auf Fahrtkostenzuschuss oder für die Änderung seiner Höhe von Bedeutung sind, binnen einer Woche schriftlich zu melden. ..."
2.1.1. In der Beschwerde wird zunächst vorgebracht, das Schreiben des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich vom 11. August 1997 sei als Bescheid zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer habe durch seine Antragstellung vom 24. Juli 1997 einen Rechtsanspruch auf inhaltliche Erledigung des Antrages erworben und diesem sei mit dem erwähnten Bescheid vom 11. August 1997 entsprochen worden. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, welche eine Neubemessung des Fahrtkostenzuschusses in Entsprechung der Bestimmung des § 20b Abs. 8 erster Satz GehG rechtfertigen würde, habe nicht stattgefunden. Der Erlassung des erstbehördlichen Bescheides, mit welchem eine Herabsetzung des Fahrtkostenzuschusses auf S 55,-- ausgesprochen worden sei, sei daher die Rechtskraft des in der gleichen Sache erlassenen Bescheides vom 11. August 1997 entgegengestanden.
2.1.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der (nicht als Bescheid bezeichneten) Erledigung vom 11. August 1997 schon deswegen nicht um einen Bescheid handelt, weil diese Erledigung ausdrücklich an den Gendarmerieposten Kirchdorf und nicht an den Beschwerdeführer adressiert ist. Es war offensichtlich beabsichtigt, dass der Beschwerdeführer über seine Dienststelle informiert werden sollte, dass ihm ab 1. August 1997 ein Fahrtkostenzuschuss in bestimmter Höhe angewiesen werde.
Da durch die Erledigung vom 11. August 1997 kein Bescheid über die Gebührlichkeit des Fahrtkostenzuschusses erlassen worden war, stand dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid nicht die Rechtskraft einer früheren Entscheidung entgegen. Es bedurfte daher keiner wesentlichen Änderung für den Grund und die Höhe dieses Anspruches maßgeblicher Tatsachen. Dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer ab 1. August 1997 Fahrtkostenzuschuss in einer bestimmten Höhe bezahlt worden war, kann keine rechtliche Verbindlichkeit zukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, Zl. 98/12/0268). Ebenso bestand der in der Beschwerde behauptete Anspruch auf Entscheidung nicht, solange nach erfolgter Auszahlung die Gesetzmäßigkeit der Liquidierung nicht in Frage gestellt worden war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 2005, Zl. 2003/12/0039).
2.2. Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis begründet.
2.2.1. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer von seiner Wohnung bis zum Bahnhof in Klaus eine Wegstrecke von 10,5 km zurücklegen muss und für diese Wegstrecke ein öffentliches Verkehrsmittel nicht in Betracht kommt. Auf der Wegstrecke von Klaus nach Kirchdorf a.d. Krems (10 km) verkehrt ein öffentliches Verkehrsmittel, wobei dem Beschwerdeführer bei dessen Benützung die Einhaltung der Dienstzeit möglich wäre. Vom Bahnhof in Kirchdorf a.d. Krems hat der Beschwerdeführer bis zu seiner Dienststelle noch eine Wegstrecke von 0,8 km (auf dieser Wegstrecke verkehrt kein öffentliches Verkehrsmittel) zurückzulegen. Unstrittig ist schließlich, dass die kürzeste Wegstrecke zwischen der Wohnung des Beschwerdeführers und seiner Dienststelle 20 km beträgt. Der Verwaltungsgerichtshof legt diese unstrittigen Sachverhaltsmomente im Folgenden seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde.
2.2.2. Im Beschwerdefall geht es um die Frage, ob gemäß § 20b Abs. 1 Z. 3 GehG für die Wegstrecke zwischen der Wohnung des Beschwerdeführers und seiner Dienststelle ein öffentliches Beförderungsmittel zweckmäßigerweise in Betracht kommt. Bei dieser Frage handelt es sich um eine Rechtsfrage, weshalb die von der belangten Behörde angenommene Außerstreitstellung durch den Beschwerdeführer nicht in Betracht kommt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. März 1985, Zl. 84/12/0143, unter anderem Folgendes ausgeführt:
"Gemäß § 20b Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 ist der Fahrtkostenzuschuss nach den billigsten für Personenzüge 2. Klasse in Betracht kommenden Fahrtkosten - gemessen an der kürzesten Wegstrecke - zu ermitteln, wenn für die Zurücklegung der Wegstrecke zwischen der nächstgelegenen Wohnung und der Dienststelle ein öffentliches Beförderungsmittel nicht in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt ein öffentliches Verkehrsmittel dann nicht in Betracht, wenn es auf der Wegstrecke zwischen Wohnung und Dienststelle nicht oder nicht an allen Tagen oder zu für den Beamten nicht in Betracht kommenden Verkehrszeiten verkehrt (vgl. Erkenntnis vom 11. September 1975, Zl. 760/75, Slg. N. F. Nr. 8880/A). Der Tatbestand des § 20b Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 schließt auch den Fall ein, dass öffentliche Beförderungsmittel zwar vorhanden sind, ihre Benützung durch den Beamten aber nicht als zweckmäßig angesehen werden kann (vgl. Erkenntnis vom 16. Oktober 1975, Zl. 1713/74, Slg. N. F. Nr. 8900/A).
Im § 20b Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 ist u.a. festgelegt, dass der Fahrtkostenzuschuss in der Höhe der Kosten des billigsten öffentlichen Beförderungsmittels nur dann gebührt, wenn die Benützung dieses öffentlichen Beförderungsmittels für den Beamten auf der Wegstrecke zwischen Dienststelle und nächstgelegener Wohnung zweckmäßigerweise in Betracht kommt. Abs. 2 der vorgenannten Bestimmung regelt den Fall, dass ein solches Beförderungsmittel nicht in Betracht kommt, verwendet den Begriff 'Wegstrecke' aber in der Mehrzahl (nämlich 'soweit für Wegstrecken').
Für den Beschwerdefall folgert daraus einerseits, dass im Hinblick auf Abs. 2 der genannten Bestimmung eine unterschiedliche Betrachtung verschiedener Fortbewegungsmöglichkeiten auf Teilwegstrecken grundsätzlich zulässig ist, andererseits aber, dass die Frage der Zweckmäßigkeit der Benützung der jeweiligen öffentlichen Beförderungsmittel nicht nur für jede Teilwegstrecke einzeln, sondern in ihrem Zusammenhang für die Gesamtwegstrecke zu prüfen ist."
Die Zweckmäßigkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist im Sinne des § 20b Abs. 1 Z. 3 GehG zu verneinen, wenn öffentliche Beförderungsmittel nur für eine relativ kurze Teilstrecke in Frage kämen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/12/0059).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1975, Zl. 1713/74, VwSlg. N. F. Nr. 8900/A) ist es auch nicht zulässig, bei der Beantwortung der Frage, ob ein öffentliches Verkehrsmittel zweckmäßigerweise in Betracht kommt, auf die Vorteile der Verwendung eines eigenen Kraftfahrzeuges Bedacht zu nehmen.
2.3.1. Die Dienstbehörde erster Instanz hat aus § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 im Wege der Analogie abgeleitet, dass die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels nicht zweckmäßig im Sinne des § 20b Abs. 1 Z. 3 GehG sei, wenn auf mehr als der Hälfte der gesamten Wegstrecke kein öffentliches Verkehrsmittel benützt werden könne. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die belangte Behörde dieser Argumentation angeschlossen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nämlich nicht, weil § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 ("großes" Pendlerpauschale) mit § 20b Abs. 1 GehG schon insoweit nicht vergleichbar ist, als nach § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 nicht die Zweckmäßigkeit, sondern die Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu beurteilen ist. Außerdem betrifft die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 - anders als § 20b Abs. 1 GehG - nur Wegstrecken von mehr als 20 km.
2.3.2. Verfehlt ist - angesichts der durch § 20b Abs. 1 Z. 3 GehG vorgegebenen Rechtsfrage - weiters die Schlussfolgerung der belangten Behörde, eine Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels sei im Falle des Beschwerdeführers, da er das öffentliche Verkehrsmittel nicht benütze, auch nicht zweckmäßig, weil es auf die tatsächliche Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht ankommt.
2.3.3. Für den Beschwerdefall ergibt sich vielmehr Folgendes:
Bei der Wegstrecke von 10 km, für die ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung steht, handelt es sich um eine - für sich betrachtet - relativ lange Wegstrecke, die nur knapp weniger als die Hälfte der gesamten Wegstrecke von 21,3 km ausmacht. Es kann also nicht davon die Rede sein, dass ein öffentliches Verkehrsmittel nur für eine relativ kurze Teilwegstrecke (im Sinne des erwähnten hg. Erkenntnisses vom 17. Februar 1993) in Betracht käme. Dazu kommt schließlich, dass die Gesamtstrecke von 21,3 km nur unwesentlich länger ist als die nach § 20b Abs. 2 GehG bemessene kürzeste Wegstrecke von 20 km; der Beschwerdeführer müsste somit, wenn er das öffentliche Verkehrsmittel benützt, keinen wesentlichen Umweg in Kauf nehmen. Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Judikatur kann bei dieser im Beschwerdefall vorliegenden Konstellation nicht davon ausgegangen werden, dass die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels nicht zweckmäßigerweise im Sinne des § 20b Abs. 1 Z. 3 GehG in Betracht kommt.
Die belangte Behörde hätte daher den Fahrtkostenzuschuss
1) für die Teilwegstrecke von Klaus nach Kirchdorf a.d. Krems (10 km) nach § 20b Abs. 1 GehG und 2) für die restlichen Wegstrecken von insgesamt 11,3 km nach § 20b Abs. 2 GehG bemessen müssen.
2.4. Da sie dies unterließ, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihres § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. Mai 2006
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Besondere Rechtsgebiete Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003120044.X00Im RIS seit
12.07.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008