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L82000 Bauordnung;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der MG in S, vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Vogelweiderstraße 55, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 4. Juni 2002, Zl. 1/02-35.851/10- 2002, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. KL, S, und 2. Marktgemeinde S, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef W. Aichlreiter, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55/1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- und der mitbeteiligten Marktgemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Die Erstmitbeteiligte ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 79 und der darauf befindlichen Bauparzelle .31/2, die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des östlich angrenzenden Grundstücks Nr. 75, jeweils KG S.
Auf dem Grundstück der Erstmitbeteiligten befindet sich das verfahrensgegenständliche Wohnhaus, für welches mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 7. Jänner 1988 die Baubewilligung zur Errichtung eines Umbaues und Zubaues (Adaptierung) und hiefür auch gemäß § 25 Abs. 8 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes die Bewilligung zur Unterschreitung des gesetzlichen Nachbarabstandes zum Grundstück der Beschwerdeführerin erteilt worden ist. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 15. Dezember 1989 wurde der Erstmitbeteiligten auf Grund ihres Antrages die baubehördliche Bewilligung für den
"a) Ausbau des Dachgeschoßes durch Errichtung von zwei Wohneinheiten gemäß dem Einreichplan vom Juli 1989 des Baumeisters AL, M", b) die Errichtung einer Einfriedung an der ostseitigen Grundstücksgrenze gemäß einem Projekt vom 11. Oktober 1989 und
c) die Sanierung des ostseitigen Anbaues (Stiegenpodest) und Ausbildung als Terrasse gemäß einem Einreichplan vom 11. Oktober 1989 unter näher angeführten Auflagen und Bedingungen erteilt. Dieser Bescheid erwuchs ebenfalls in Rechtskraft.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde gab mit Bescheid vom 27. November 1992 dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Baubewilligungsbescheid vom 15. Dezember 1989 gemäß § 69 Abs. 4 AVG statt. Dies wurde damit begründet, dass mit dem Bescheid vom 15. Dezember 1989 die Erhöhung der Dachtraufe beim Zubau unbeabsichtigt bewilligt worden sei.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 4. August 1993 wurde auf Grund der Berufung der Erstmitbeteiligten der Spruch des Wiederaufnahmebescheides vom 27. November 1992 dahingehend ergänzt, dass sich die Wiederaufnahme des Verfahrens "auf den im Bescheid vom 15.12.1989 ... bewilligten Dachgeschoßausbau beim ostseitigen Anbau" des Wohnhauses der Erstmitbeteiligten beziehe.
Die Salzburger Landesregierung wies die dagegen erhobene Vorstellung der Erstmitbeteiligten mit Bescheid vom 30. Dezember 1993 ab.
Im wieder aufgenommenen Baubewilligungsverfahren erging nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 9. August 1994 der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. Juni 1995, mit welchem der Erstmitbeteiligten "die nachträgliche baupolizeiliche Bewilligung zur abgeänderten Ausführung des Wohnhauses" auf dem angeführten Grundstück erteilt und im Spruch ausgeführt wurde, dass dieser Bewilligung "das ursprüngliche Einreichprojekt vom Juli 1989 bzw. der Bestandsplan des Baumeisters AL vom 21.01.1995 und die Detailzeichnung des techn. Büros EG vom 26.1.1995 GZ. 133" zu Grunde liege.
Dieser Bescheid wurde auf Grund der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 19. Juli 1996 aufgehoben und es wurde die beantragte nachträgliche baupolizeiliche Bewilligung versagt.
Auf Grund der dagegen von der Erstmitbeteiligten erhobenen Vorstellung wurde der Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 19. Juli 1996 von der Salzburger Landesregierung mit Bescheid vom 4. November 1996 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde zurückverwiesen.
In der Folge erging der Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 8. Jänner 1998, mit welchem der Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. Juni 1995 aufgehoben und der Antrag der Erstmitbeteiligen auf Erteilung der nachträglichen baupolizeilichen Bewilligung zur abgeänderten Ausführung ihres Wohnhauses versagt wurde.
Auf Grund der dagegen von der Erstmitbeteiligten erhobenen Vorstellung wurde dieser Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 8. Jänner 1998 von der Salzburger Landesregierung mit Bescheid vom 3. März 2000 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde zurückverwiesen. Zur Begründung führte die Salzburger Landesregierung als Aufsichtsbehörde zusammengefasst aus, dass die Berufungsbehörde nicht abschließend aufklären habe können bzw. festgestellt habe, in welchem Ausmaß und in welcher Höhe mit dem zu beurteilenden Bauvorhaben von dem mit Bescheid vom 7. Jänner 1988 bewilligten Vorhaben abgewichen werde. Genau diese Abweichungen (Erhöhungen) bildeten aber den Gegenstand des gegenständlichen nachträglich durchzuführenden Baubewilligungsverfahrens.
Im fortgesetzten Verfahren vor der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde richtete die Erstmitbeteiligte an diese ein Schreiben vom 20. November 2000, mit welchem sie ihr Bauansuchen unter Anschluss einer Plandarstellung des Baumeisters AL vom 1. November 2000 insofern modifizierte, als nunmehr die Dachtraufe (Tropfkante) durch den Einbau eines neuen Traufen-Tropfbleches verändert und dergestalt die Absoluthöhe der beantragten Änderung um 10 cm verringert werde.
Die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde holte ein Gutachten der Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg Dipl.Ing. HS vom 5. Februar 2001 ein. Diese kam zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der mit Eingabe vom 1. November 2000 vorgeschlagenen Senkung der Dachtraufe die Traufhöhe absolut gemessen der mit Bescheid vom 16. Dezember 1987 (gemeint: vom 7. Jänner 1988) genehmigten Traufhöhe entspreche. Auch die Vordachbreite entspreche dem genehmigten Projekt. Der First des Vorhabens werde um ca. 17 cm angehoben. Die Anhebung der Traufe im Quertrakt betrage 2,32 m gegenüber dem ursprünglich bewilligten Projekt, der geringste Nachbarabstand im Bereich dieses Quergiebels zur östlich gelegenen Grundstücksgrenze der Beschwerdeführerin betrage 3,15 m.
Zu den Bedingungen im Abstandsbereich auf den beiden Grundstücken führte die Sachverständige aus, dass das Wohnhaus der Beschwerdeführerin von der Grenze des Bauplatzes und vom gegenständlichen Gebäude etwa 7 m entfernt liege. Zwischen den Häusern der Beschwerdeführerin und der Erstmitbeteiligten befänden sich die Grundstückseinfahrt und die Zufahrt zu den Garagen der Beschwerdeführerin. Die Entfernung vom abgeänderten Quertrakt betrage 10,5 m. Im unmittelbaren Grenzbereich zur gegenständlichen Grundstücksparzelle sei am Grundstück der Beschwerdeführerin eine Doppelgarage angeordnet. Diese sei etwa 3,30 m vom Quergiebel entfernt.
Bezüglich der Besonnung sei festzustellen, dass durch das gegenständliche Gebäude vor allem im Zufahrtsbereich eine Beschattung der Nachbarparzelle der Beschwerdeführerin am Nachmittag gegeben sei. Die Anhebung des Firstes um etwa 15 cm stelle jedoch nur eine geringfügige Abänderung dar. Eine wesentliche zusätzliche Beeinträchtigung sei aus Sachverständigensicht dadurch nicht gegeben, zumal das bestehende Wohnhaus der Beschwerdeführerin etwa 7 m entfernt sei, südöstlich des gegenständlichen Wohnhauses gelegen sei und an der Südseite zusätzliche Belichtungsmöglichkeiten aufweise. Die Anhebung des nordwestlichen Gebäudetraktes stelle bezüglich Besonnung eine geringfügige zusätzliche Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes dar, wobei sich dies auf den Bereich der Garage, auf welcher von der Beschwerdeführerin ein Nebengebäude aufgebaut worden sei, beziehe. Im Bereich des Wohnhauses sei diesbezüglich keine wesentliche Beeinträchtigung auf Grund der Entfernung von mehr als 10 m und der deutlichen Versetzung Richtung Südosten gegeben. Ein wesentlicher Nachteil des Nachbarn durch diese zusätzliche Anhebung liege somit aus Sachverständigensicht nicht vor. Die Einhaltung des gesetzlichen Nachbarabstandes durch das Haupthaus der Erstmitbeteiligten würde eine Verschiebung von 4 m bedeuten und würde eine Härte darstellen.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 12. November 2001 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. Juni 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Baubewilligung auch die mit dem Anbringen vom 20. November 2000 vorgelegte Modifizierung des Vorhabens zu Grunde gelegt werde. Dieser Bescheid wurde nach ausführlicher Darstellung des bisherigen Verfahrensganges, der Parteienvorbringen und der von mehreren Sachverständigen erstatteten Gutachten im Wesentlichen damit begründet, dass sich die Traufenhöhe des genehmigten Vorhabens mit der Traufenhöhe des mit der Baubewilligung vom 7. Jänner 1988 genehmigten Vorhabens decke. Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens seien ausschließlich die Abweichungen gegenüber der auch tatsächlich ausgeschöpften, also konsumierten Baubewilligung vom 7. Jänner 1988. Der frühere Bestand scheide als Verfahrensgegenstand bei der Beurteilung des gegenständlichen Ansuchens aus. Auch bei Gebäudeteilen, die mit ihrer Giebelfront zum Nachbargrundstück hinwiesen, habe die Berechnung der Traufenhöhe nicht am höchsten Punkt der Giebelfront, also der Firste, zu erfolgen, sondern an Hand der an der Giebelfront gegebenen seitlichen Traufe (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0227).
Die Änderung des Stiegenpodestes samt Geländer sowie die Frage der Nutzung des Objekts oder die von der Beschwerdeführerin geforderte Nutzungsbeschränkung für die Kellerzugangstüre seien nicht mehr Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens, insoferne gehöre nämlich die Baubewilligung vom 15. Dezember 1989 weiterhin dem Rechtsbestand an. Die mit Berufungsbescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 4. August 1993 ausgesprochene Wiederaufnahme des Verfahrens habe sich nämlich nur auf den mit Bescheid vom 15. Dezember 1989 bewilligten Dachgeschoßausbau bezogen.
Eine Beeinträchtigung der Berufungswerberin sei im Umfang der gemäß § 25 Abs. 8 lit. b des Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG) zu berücksichtigenden Umstände nicht gegeben. Auf Grund der Darlegungen der bautechnischen Amtssachverständigen sei der Vorteil der Erstmitbeteiligten insgesamt größer als der Nachteil für die Grundstücke, Bauten und Anlagen der Beschwerdeführerin. Weder erführen die Nutzung der Grundflächen oder Baulichkeiten beispielsweise infolge Verschlechterung der maßgeblichen Belichtungsverhältnisse (bezogen auf die Traufe und nicht auf die Firste) eine wesentliche Beeinträchtigung noch werde von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass sich durch die gegenständlichen baulichen Maßnahmen die Ertragslage aus der Nutzung ihrer Grundflächen verschlechterte. Die Eigentümer der im gegenständlichen Verfahren betroffenen Grundstücke, also die Erstmitbeteiligte und die Beschwerdeführerin, hätten immer wieder bauliche Maßnahmen projektiert und gesetzt, denen die jeweils andere Partei hinsichtlich der Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes zugestimmt hätten. Dies gelte auch für die mit Bescheid vom 14. Oktober 1990 erfolgte Aufstockung auf der Garage der Beschwerdeführerin. Davor, nämlich mit dem Bescheid vom 15. Dezember 1989 seien jene baulichen Maßnahmen genehmigt worden, die auch Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens seien. Der Bescheid vom 15. Dezember 1989 sei allen Verfahrensparteien zugestellt worden und unbekämpft geblieben. Die damit genehmigten baulichen Maßnahmen hätten daher auch verwirklicht werden dürfen. Die nachfolgende Wiederaufnahme des Verfahrens sei zwar einer Überprüfung im Zuge des gegenständlichen Verfahrens entzogen. Unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen Härte sei aber durchaus zu berücksichtigen, dass dem Wiederaufnahmeverfahren der Wiederaufnahmegrund "Irrtum bzw. die irreführende Aufklärung" (der Beschwerdeführerin) herangezogen worden sei, was jedoch keine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG darstelle. Bei einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles (Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0033) könne davon ausgegangen werden, dass der Tatbestand der lit. a des § 25 Abs. 8 BGG erfüllt sei, wobei der Erstmitbeteiligten die Beseitigung der in Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes gesetzten baulichen Maßnahmen auch wirtschaftlich nicht zumutbar erscheine, weshalb das durch § 25 Abs. 8 BGG eingeräumte Ermessen im Sinne des Begehrens der Erstmitbeteiligten gehandhabt hätte werden können.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juni 2002 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Dies wurde nach Darstellung des Verfahrensganges zusammengefasst damit begründet, dass die Erstmitbeteiligte einerseits und die Beschwerdeführerin andererseits in einem Naheverhältnis stünden und die anstandslose Verwirklichung von Bauwünschen der Beschwerdeführerin (in anderen Verfahren) von der Zustimmung der Erstmitbeteiligten abhängig gewesen sei. Im Aufzeigen dieser Umstände sei keine Mangelhaftigkeit des Berufungsbescheides zu sehen, vielmehr der Versuch, dem Einzelfall gerecht zu werden.
Die Ermessensentscheidung auf Grund des § 25 Abs. 8 BGG sei angesichts des Umfanges der Wiederaufnahme eingeschränkt auf den "Dachgeschoßausbau" bzw. die damit verbundene und bewilligte Erhöhung zu beurteilen. Auch stehe es dem Bewilligungswerber frei, sein Projekt auch im Berufungsverfahren zu modifizieren. Die Absenkung der Dachtraufe um 10 cm sei daher eine zulässige Projektsmodifikation.
Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, dass die Berechnung der Höhen des Projekts der Erstmitbeteiligten durch die Amtssachverständige nicht richtig vorgenommen worden sei, weil die Sachverständige nicht berücksichtigt habe, dass der Bescheid vom 7. Jänner 1988 die Auflage enthalte: "Beibehaltung der bestehenden Höhe und der Dachform", so könne die belangte Behörde diese Betrachtungen nicht nachvollziehen, weil auch die Baubewilligung vom 15. Dezember 1989 miteinzubeziehen sei.
Die Berufungsbehörde habe das Maß der Erhöhung zutreffend ermittelt und in ihre Ermessensentscheidung einbezogen. Zwar könnten exakte Höhenangaben weder dem Projekt vom 7. Jänner 1988 noch dem vom 15. Dezember 1989 entnommen werden, die Beurteilung der Berufungsbehörde bleibe daher in gewisser Weise anzweifelbar. Dieser Mangel könne auch nicht - wie von der Beschwerdeführerin gefordert - durch die Einholung eines weiteren Obergutachtens saniert werden. Es könne daher nur die Schlüssigkeit der bekämpften Entscheidung bzw. des zu Grunde liegenden Sachverständigengutachtens einer Prüfung unterzogen werden. Bei dieser Vorgangsweise sei den Betrachtungen der Berufungsbehörde der Vorzug einzuräumen.
Die Fragestellung der Beschwerdeführerin in Bezug auf eine "exakte Betrachtung" sei irreführend. Es sei gerade nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, ob im Falle eines Ansuchens vor Bauausführung im Jahre 1987 der Bau so wie er in der Natur vorhanden sei, einer Ausnahme im Sinne des § 25 Abs. 8 BGG zugänglich gewesen wäre. Nur die nachträgliche Überhöhung sei Verfahrensgegenstand.
Hinsichtlich der Ermessensentscheidung gemäß § 25 Abs. 8 führte die belangte Behörde aus, dass ihr eine solche Ermessensentscheidung selbst nicht zustehe, sie jedoch in der Übung des Ermessens durch die Berufungsbehörde keine Mangelhaftigkeit erblicken könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Die Erstmitbeteiligte und die mitbeteiligte Marktgemeinde erstatteten zahlreiche Stellungnahmen und Gegenäußerungen, in welchen sie auf ihr jeweiliges Vorbringen replizierten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG), LGBl. Nr. 69/1968 in der Fassung LGBl. Nr. 38/1997, lauten:
"§ 25
...
(2) Soweit nicht durch die im Bebauungsplan festgelegten Bebauungsgrundlagen Bestimmungen über die Lage der Bauten im Bauplatz vorgesehen sind und soweit nicht durch andere Rechtsvorschriften ein größerer Abstand der Bauten zu den Grenzen des Bauplatzes oder der Bauten zueinander vorgeschrieben ist, gelten hinsichtlich der Lage der Bauten im Bauplatz die nachstehenden Bestimmungen.
(3) Für den Abstand der Bauten von der Grundgrenze gegen die Verkehrsfläche gilt die Baufluchtlinie oder die Baulinie. Im Übrigen müssen die Bauten im Bauplatz so gelegen sein, dass ihre Fronten von den Grenzen des Bauplatzes jeweils einen Mindestabstand im Ausmaß von Dreiviertel ihrer Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe, jedenfalls aber von 4 m, haben. Grenzt der Bauplatz an Flächen an, die ihrer Bodenbeschaffenheit nach nicht bebaubar sind (Gewässer, Böschungen u. dgl.), vermindert sich dieser Abstand um die Hälfte der Breite dieser Flächen, nicht jedoch unter 4 m. Die Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe ist an der jeweiligen Front vom gewachsenen Gelände aus zu berechnen. Nicht als oberste Dachtraufe gelten hiebei Traufen von bloß geringfügiger Länge, die keinen negativen Einfluss auf die sonst gegebenen Besonnungs- und Belichtungsverhältnisse ausüben (Traufen von Krüppel- oder Schopfwalmen).
...
(8) Die für die Baubewilligung zuständige Behörde kann auf Antrag die Unterschreitung der in den Abs. 3 und 4 festgesetzten Abstände durch Bescheid ausnahmsweise zulassen, wenn
a) die Einhaltung nach der besonderen Lage des Einzelfalles für den Ausnahmewerber eine unbillige Härte darstellt, wie etwa, wenn bestehende Bauten nicht in einer zur Erhaltung oder zeitgemäßen Wahrung ihrer Funktion dringend erforderlichen Weise geändert werden könnten oder die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche ausgeschlossen oder wesentlich beeinträchtigt wäre;
b) benachbarte Grundstücke oder Bauten und Anlagen
nicht erheblich beeinträchtigt werden, insbesondere nicht ihre
Bebaubarkeit bzw. das gewährleistete und erforderliche Tageslicht
verlieren oder in diesen Belangen wesentlich beeinträchtigt werden;
c) insgesamt der Vorteil des Ausnahmewerbers größer
ist als der Nachteil für die benachbarten Grundstücke, Bauten und
Anlagen und
d) die Lage des Baues sich nicht aus einem
Bebauungsplan ergibt.
Die Ausnahme kann mit der Baubewilligung verbunden werden. Parteien sind die Parteien des Baubewilligungsverfahrens. Jede Ausnahme ist der Aufsichtsbehörde zur Kenntnis zu bringen. Bei der Festlegung der Lage der Bauten in einem Bebauungsplan kann in sinngemäßer Anwendung der vorstehenden Voraussetzungen eine Unterschreitung der Abstände gemäß Abs. 4 festgelegt werden."
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid durch die unrichtige Anwendung des § 25 Abs. 8 lit. a bis d BGG in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung seien nicht gegeben gewesen und die belangte Behörde habe auch durch die Unterlassung der Beiziehung von Sachverständigen und durch ein unzureichendes Ermittlungsverfahren Verfahrensvorschriften verletzt.
Zutreffend sind die Baubehörden und die belangte Behörde von der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 15. Dezember 1989 soweit ausgegangen, als das diesem Bescheid zu Grunde liegende Verfahren nicht durch den Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 4. August 1993 wieder aufgenommen worden ist, also soweit sich die damit erteilte Baubewilligung nicht auf den "bewilligten Dachgeschoßausbau beim ostseitigen Anbau des Objektes" der Erstmitbeteiligten bezieht. Nur in diesem Umfang war in dem dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Baubewilligungsverfahren - neuerlich - zu beurteilen, ob für das mit Antrag vom 29. Juni 1989 eingereichte Projekt der Änderung des Wohnhauses der Erstmitbeteiligten eine baubehördliche Bewilligung zu erteilen und dabei insbesondere eine Abstandsnachsicht auf Grund des § 25 Abs. 8 BGG auszusprechen war.
Weiters zutreffend hat die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde und die belangte Behörde im vorliegenden Fall kein Hindernis für die Erteilung der von der Erstmitbeteiligten beantragten Änderungsbewilligung darin gesehen, dass diese ihr Wohnhaus - so bringt es die Beschwerdeführerin vor -
im Zuge der Realisierung der ihr erteilten Änderungsbewilligungen vom 7. Jänner 1988 und vom 15. Dezember 1989 weitgehend abgerissen und neu errichtet haben mag. In ihrem - insoweit bindenden - Bescheid vom 3. März 2000 hat nämlich die Salzburger Landesregierung als Vorstellungsbehörde den Gegenstand des im vorliegenden Fall durchzuführenden Baubewilligungsverfahrens dahingehend umschrieben, dass darin zu beurteilen sei, in welchem Ausmaß und in welcher Höhe mit dem zu beurteilenden Änderungsantrag von dem mit Bescheid vom 7. Jänner 1988 bewilligten Vorhaben abgewichen werde.
Soweit die Beschwerdeführerin meint, die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde sei bei Erlassung ihres Bescheides vom 12. November 2001 von unzutreffenden Annahmen der Höhe des Änderungsprojekts gegenüber dem genehmigten Bestand ausgegangen, zeigt sie keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Ihr Argument, das Bauvorhaben sei tatsächlich höher als in den Bescheiden vom 7. Jänner 1988 bzw. vom 15. Dezember 1989 bewilligt errichtet worden, kann deswegen nicht zum Erfolg der Beschwerde führen, weil es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, bei welchem das vom Bauwerber beantragte Projekt, nicht aber das Vorhaben in jener Form, in welcher er es allenfalls in die Wirklichkeit umgesetzt hat, zu beurteilen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1997, Zl. 96/06/0230).
Die Beschwerdeführerin hat ins Treffen geführt, in der Begründung der Baubewilligung vom 7. Jänner 1988 werde ausgeführt, das damit genehmigte Projekt sehe "die Beibehaltung der bestehenden Höhe und Dachform vor". Mit dem Bescheid vom 7. Jänner 1988 könne daher keine Erhöhung des Wohnhauses über den zu diesem Zeitpunkt gegebenen Bestand hinaus erteilt worden sein. Die Beschwerdeführerin beruft sich insofern auf Feststellungen der Höhe des damaligen (vor Erteilung der Baubewilligung vom 7. Jänner 1988) existierenden Bestandes auf Grund von Lichtbildern und auf Grund einer Stereoauswertung alter Luftbildaufnahmen und meint, daraus gehe hervor, mit dem Bescheid vom 7. Jänner 1988 seien - durch eben diesen Hinweis auf die damals bestehende Höhe - Änderungen in geringerer Höhe genehmigt worden, als dies aus den dem Bescheid vom 7. Jänner 1988 zu Grunde liegenden Plänen hervorgehe. Dies habe die Baubehörde zweiter Instanz verkannt und deswegen mit der Erteilung ihres Baubescheides eine wesentlich größere Erhöhung gegenüber der mit Bescheid vom 7. Jänner 1988 genehmigten Höhe bewilligt.
Auch mit diesem Vorwurf zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Beurteilung der Sachverständigen R und S und diesen folgend auch der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde und der belangten Behörde gehen nämlich von der zutreffenden Annahme aus, dass es für die Auslegung des Baubewilligungsbescheides vom 7. Jänner 1988 und der mit dieser genehmigten Höhe des zu Grunde liegenden Änderungsvorhabens auf die dem Bescheid zu Grunde liegenden und in dessen Spruch verwiesenen Baupläne ankommt. Diese lagen dem auf ihnen angebrachten Genehmigungsvermerk zufolge der Bauverhandlung vom 16. Dezember 1987 zu Grunde. Für die Beurteilung sowohl der Zulässigkeit eines Bauvorhabens als auch des Gegenstands der beantragten Baubewilligung sind nämlich der Bauantrag und die damit verbundenen eingereichten Pläne maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2004, Zl. 2002/06/0126, zur Tiroler Bauordnung 1998), dies gilt im vorliegenden Fall auch für die Auslegung der mit Bescheid vom 7. Jänner 1988 erteilten Baubewilligung für das diesem zu Grunde liegende Änderungsvorhaben der Erstmitbeteiligten. Der Verwaltungsgerichtshof kann es daher nicht als rechtswidrig erkennen, wenn die belangte Behörde die Beurteilung der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 12. November 2001, die Feststellungen der Sachverständigen R und S seien insofern als schlüssig anzusehen und ihnen sei zu folgen, als rechtskonform erachtet hat.
Hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 BGG bringt die Beschwerdeführerin vor, dass diese im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen wären. Zwar kann eine Ausnahmebewilligung nach § 25 Abs. 8 BGG gleich einer Baubewilligung auch zwecks nachträglicher rechtlicher Sanierung konsenswidrig bzw. konsenslos errichteter Bauten erteilt werden. Ob in derartigen Fällen eine "unbillige Härte" im Sinne des § 25 Abs. 8 lit. a BGG anzunehmen ist, ist aus einer Gesamtschau unter Bedachtnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2006, Zl. 2004/06/0059, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat die Erstmitbeteiligte ihr Bauvorhaben offensichtlich auf der Grundlage der rechtskräftig erteilten Baubewilligungen vom 7. Jänner 1988 und vom 15. Dezember 1989 verwirklicht. Die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich eines Teils der mit dem Bescheid vom 15. Dezember 1989 erteilten Baubewilligung durch Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 4. August 1993 ist unbestritten erst nach der Durchführung des Bauvorhabens erfolgt.
Es kann nun weder der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde noch der belangten Behörde mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie diesen Umstand bei der Beurteilung, ob die Einhaltung der in § 25 BGG festgesetzten Abstände gemäß § 25 Abs. 8 lit. a nach der besonderen Lage des Einzelfalles für die Erstmitbeteiligte eine unbillige Härte darstellte, in Betracht zog. Zutreffend wird von der Baubehörde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Erstmitbeteiligte im vorliegenden Fall durchaus auf die Rechtskraft der ihr erteilten Baubewilligung vertrauen konnte. Dabei fällt nicht wesentlich ins Gewicht, ob die der Beschwerdeführerin letztlich gewährte Wiederaufnahme des Verfahrens dem Gesetz entsprach. Entscheidend ist im vorliegenden Fall vielmehr der Umstand, dass ein solcher Vertrauenstatbestand gegeben war. Der Verwaltungsgerichtshof kann es daher im Ergebnis nicht als rechtswidrig finden, wenn die belangte Behörde die Beschwerdeführerin durch die Beurteilung der Berufungsbehörde im Grunde des § 25 Abs. 8 lit. a BGG nicht in ihren subjektivöffentlichen Rechten verletzt sah.
Auch kann der Verwaltungsgerichtshof der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 12. November 2001 hinsichtlich der Erfüllung der Kriterien der § 25 Abs. 8 lit. b und c BGG nicht entgegen treten. Auch die Beschwerdeführerin ist nämlich der auf das Gutachten der Sachverständigen DI S gegründeten Feststellung, dass mit dem gegenständlichen Bauvorhaben nur eine geringfügige Beeinträchtigung im Hinblick auf das Tageslicht für das Garagengebäude der Beschwerdeführerin verbunden ist, nicht entgegen getreten. Die im Grunde des § 25 Abs. 8 lit. c BGG getroffene Gesamtbeurteilung des Vorteils der Erstmitbeteiligten im Vergleich zu dem von der Beschwerdeführerin durch die Erhöhung des gegenständlichen Gebäudes zu erleidenden Nachteils ist im Rahmen der gemäß § 25 Abs. 8 leg. cit. von der Baubehörde zu treffenden Ermessensentscheidung ebenfalls nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Bei dieser Sachlage erweist sich somit, dass die Beschwerdeführerin durch die Beurteilung der belangten Behörde, dass sie als Nachbarin des gegenständlichen Bauvorhabens durch die erteilte Ausnahmebewilligung nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wurde, nicht in subjektiv-öffentlich rechtlichen Rechten verletzt worden ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Dem Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand war im Hinblick darauf keine Folge zu geben, dass die Note der belangten Behörde vom 9. Oktober 2002 keine beschwerdebezogenen Ausführungen enthält.
Wien, am 30. Mai 2006
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2 Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete BaurechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2002060125.X00Im RIS seit
26.06.2006