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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BGBG 1993 §15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, in der Beschwerdesache der Mag. Dr. Z in B, vertreten durch die Gheneff-Rami Rechtsanwälte KEG in 1040 Wien, Favoritenstraße 16, gegen die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über Schadenersatz nach § 15 B-GBG, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 330,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die im Jahre 1944 geborene Beschwerdeführerin steht seit 1. September 2000 als Professorin in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Sie hatte sich im Jahre 1998 neben anderen Lehrerinnen und Lehrern um die Planstelle eines Direktors/einer Direktorin der Verwendungsgruppe L1 am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium B - erfolglos - beworben. Mit ihrem Antrag vom 16. Februar 2000 begehrte sie nach § 15 B-GBG den Ersatz eines Schadens von insgesamt S 1.345.928,--, den ihr die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. Juni 2001 in vollem Umfang versagte. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2004, Zl. 2001/12/0163, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, in seinem ersten Spruchabschnitt (betreffend den Ersatz der Bezugsdifferenz zwischen dem Monatsbezug, der bei erfolgter Betrauung mit der Verwendung und dem tatsächlichen Monatsbezug gebühren würde) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, im Übrigen die Beschwerde (betreffend Spruchabschnitt 2. des Bescheides vom 20. Juni 2001 über die Geltendmachung einer höheren Pensionsleistung, von Fahrtspesen und den Ersatz für die behauptete Kreditschädigung) als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens am 19. August 2004 zugestellt.
In ihrer am 13. Juni 2005 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend. Seit dem Einlangen des Erkenntnisses sei die Entscheidungsfrist des § 27 Abs. 1 VwGG verstrichen.
Mit Verfügung vom 21. Juni 2005 trug der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 der belangten Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege. Über begründetes Ersuchen der belangten Behörde verlängerte der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 28. September 2005 die ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzte Frist um drei Monate.
In ihrer Erledigung vom 20. Dezember 2005 brachte die belangte Behörde zusammengefasst vor, gemäß § 18 DVG (in der Fassung des Deregulierungsgesetzes - öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119) gelte § 2 Z. 8 DVV 1981 (Bestimmung der Landesschulräte als nachgeordnete Dienstbehörden) als Bundesgesetz so lange weiter, bis eine gemäß § 2 Abs. 2 erster Satz DVG erlassene Verordnung in Kraft trete. Weiteres Übergangsrecht bestehe in diesem Zusammenhang nicht. Gemäß § 1 der Dienstrechtsverfahrens- und Personalstellenverordnung-BMBWK 2003 - DVPV-BMBWK 2003, BGBl. II Nr. 588, seien die Landesschulräte als nachgeordnete Dienststellen gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz DVG zuständig. Diese Verordnung sei nach ihrem § 2 Abs. 1 mit 1. Jänner 2004 in Kraft getreten. Gemäß § 2 Abs. 2 dieser Verordnung gehe die Zuständigkeit für die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens anhängigen Verfahren mit 1. Jänner 2004 gemäß § 2 Abs. 5 DVG auf die neuen Dienstbehörden über. Seit 1. Jänner 2003 seien zur Entscheidung über Ersatzansprüche wegen Diskriminierung von Beamtinnen oder Beamten bei beruflichem Aufstieg die Landesschulräte berufen. Die (behaupteten) diskriminierenden Vorgänge, auf die das Ersatzbegehren gründe, lägen vor dem Ausscheiden aus dem Dienststand, sodass die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand zuständig gewesene Aktivdienstbehörde (§ 2 Abs. 6 DVG) berufen sei. Für den im zweiten Rechtsgang zu erlassenden Bescheid sei die Zuständigkeit nicht perpetuiert, sondern an Hand der im Zeitpunkt der Erlassung des neuen Bescheides geltenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen, aus der sich die Zuständigkeit des Landesschulrates für Niederösterreich ergebe. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung habe die belangte Behörde von einer Entscheidung im zweiten Rechtsgang Abstand genommen und die Sache dem Landesschulrat für Niederösterreich zur Entscheidung abgetreten.
In ihrer Äußerung vom 17. Jänner 2006 nimmt die Beschwerdeführerin zur Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde im fortgesetzten Verfahren dahingehend Stellung, § 2 Abs. 2 DVG enthalte hinsichtlich der in der DVPV-BMBWK 2003 enthaltenen Erstreckung auf anhängige Verfahren keine hinreichende Determination im Sinne des Legalitätsprinzips. Darüber hinaus sei auch nicht der Fall bedacht worden, dass "vor der Gesetzesänderung" die damals erste Instanz (belangte Behörde) in einem Bescheid entschieden habe, der nachfolgend durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden sei und die belangte Behörde einen Ersatzbescheid nach der Gesetzesänderung erlassen hätte. Eine Konstellation, bei der nach einer Bescheidaufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof anstatt der belangten Behörde die erstinstanzliche den Ersatzbescheid zu erlassen hätte, sei durch den Gesetz- und Verordnungsgeber nicht beabsichtigt. Genauso wenig sei es beabsichtigt gewesen, für eine solche Fallkonstellation einen zusätzlichen Instanzenzug zu schaffen. Bei "verfassungskonformer Interpretation" sei daher § 2 Abs. 2 DVG in Verbindung mit der DVPV-BMBWK 2003 dahingehend auszulegen, dass in Verfahren, in denen bereits die ehemals erste und letzte Instanz (die belangte Behörde) einen Bescheid erlassen habe, der Ersatzbescheid durch die letztinstanzliche Behörde zu erlassen sei. Sollte der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsansicht nicht teilen, rege die Beschwerdeführerin an, "einen Antrag auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung hinsichtlich § 2 Abs. 2 DVG idF BGBl. I 2002/119 und den §§ 1 und 2 der Dienstrechtsverfahrens- und Planstellenverordnung BGBl. II 2003/588" zu stellen.
In ihrer Stellungnahme vom 17. Februar 2006 bringt die belangte Behörde hiezu vor, das Verfahrensrecht enthalte keine Grundlage dafür, dass es in der vorliegenden, von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Konstellation zu einer perpetuatio fori käme. § 2 Abs. 2 DVG und § 2 Abs. 2 der DVPV-BMBWK 2003 böten weder einen Anhaltspunkt für eine perpetuatio fori noch seien sie die Grundlage für die von der belangten Behörde vertretene Sicht der Zuständigkeit. Eine perpetuatio fori wäre auch aus Gründen des rechtsstaatlichen Prinzips nicht geboten, werde doch der Rechtsschutz der Partei durch die Begründung der Zuständigkeit der Dienstbehörde erster Instanz und das damit entstehende Berufungsrecht nicht beeinträchtigt. Die belangte Behörde beantrage, die vorliegende Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG kostenpflichtig zurückzuweisen.
Durch Art. 16 des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119, erhielt § 2 Abs. 2 DVG folgende Fassung:
"(2) Die obersten Verwaltungsorgane des Bundes sind für die Dienstrechtsangelegenheiten der der Zentralstelle angehörenden Beamten als Dienstbehörde in erster Instanz zuständig. Die den obersten Verwaltungsorganen nachgeordneten, vom jeweiligen Bundesminister durch Verordnung bezeichneten Dienststellen, die nach ihrer Organisation und personellen Besetzung zur Durchführung der Dienstrechtsangelegenheiten geeignet sind, sind innerhalb ihres Wirkungsbereiches als Dienstbehörden erster Instanz zuständig. In zweiter Instanz sind die obersten Verwaltungsorgane innerhalb ihres Wirkungsbereiches als oberste Dienstbehörde zuständig. In Dienstrechtsangelegenheiten eines Beamten, der eine unmittelbar nachgeordnete Dienstbehörde leitet oder der der obersten Dienstbehörde ununterbrochen mehr als zwei Monate zur Dienstleistung zugeteilt ist, ist jedoch die oberste Dienstbehörde in erster Instanz zuständig."
Die ErläutRV zum Deregulierungsgesetz - Öffentlicher Dienst 2002, 1182 BlgNR XXI. GP 75, führen u.a. zur Neufassung des § 2 Abs. 2 DVG aus:
"Die Dienstgeberzuständigkeiten - ausgenommen jene hinsichtlich der Beamten der Zentralstelle und der Leiter unmittelbar nachgeordneter Dienstbehörden - sollen nunmehr kraft Gesetz generell den (mittelbar oder unmittelbar) nachgeordneten Dienststellen als Dienstbehörden erster Instanz übertragen werden. Die Dienststellen, die gleichzeitig Dienstbehörde erster Instanz werden sollen, soll der jeweilige Bundesminister durch Verordnung bestimmen. Es muss sich jeden falls um Dienststellen handeln, die nach ihrer Organisation und personellen Besetzung zur Durchführung der Dienstrechtsangelegenheiten geeignet sind. Der Bundesminister ist als oberste Dienstbehörde in zweiter Instanz zuständig.
Durch diese Neuregelung entfällt der bisher erforderliche Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Befassung der Bundesregierung für die Anpassung der DVV an geänderte Gegebenheiten. ..."
Gemäß § 2 Abs. 6 erster Satz DVG (idF. der Novelle BGBl. Nr. 665/1994) ist bei Personen, die aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand ausgeschieden sind, und bei versorgungsberechtigten Hinterbliebenen und Angehörigen zur Entscheidung in Dienstrechtsangelegenheiten, die aus Tatsachen herrühren, die vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand eingetreten sind, die Dienstbehörde berufen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Bediensteten aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand zuständig gewesen ist.
Gemäß § 19 Abs. 5 DVG trat u.a. § 2 Abs. 2 in der Fassung des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002 mit 1. Jänner 2003 in Kraft.
Die Dienstrechtsverfahrens- und Planstellenverordnung-BMBWK 2003 - DVPV-BMBWK 2003, BGBl. II Nr. 588, lautet, soweit im Beschwerdefall von Relevanz:
"§ 1. Im Bereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur sind
1. die Landesschulräte (der Stadtschulrat für Wien) ... als nachgeordnete Dienststellen gemäß § 2 Abs. 2 zweiter
Satz DVG (Dienstbehörden I. Instanz) ... zuständig.
§ 2. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2004 in Kraft.
(2) Die Zuständigkeit für die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens anhängigen Verfahren geht mit 1. Jänner 2004 gemäß § 2 Abs. 5 DVG auf die neuen Dienstbehörden und Personalstellen über."
Durch die teilweise Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 20. Juni 2001 durch das zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2004 trat die Rechtssache gemäß § 42 Abs. 3 VwGG in die Lage zurück, in der sie sich - im Umfang der Aufhebung - vor Erlassung dieses Bescheides befunden hatte. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, beurteilt sich die Zuständigkeit zur Entscheidung über den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nach § 15 B-GBG für das fortgesetzte Verfahren an Hand des § 2 Abs. 2 und 6 DVG sowie der mit 1. Jänner 2004 in Kraft getretenen § 1 Z. 1, § 2 DVPV-BMBWK 2003.
§ 2 Abs. 6 erster Satz DVG ist im vorliegenden Zusammenhang dahingehend auszulegen, dass bei Beamten des Ruhestandes (und bei versorgungsberechtigten Hinterbliebenen und Angehörigen) zur Entscheidung der dort bezeichneten Angelegenheiten die Aktivdienstbehörde - und nicht etwa die Pensionsbehörde - zuständig sein soll; dagegen sollte darin keine Abgrenzung und Versteinerung der Zuständigkeiten der Dienstbehörden erster und zweiter Instanz für Beamte des Ruhestandes (und für versorgungsberechtigte Hinterbliebene und Angehörige) festgeschrieben werden. Dieses Auslegungsergebnis steht mit den wiedergegebenen ErläutRV zum Deregulierungsgesetz - Öffentlicher Dienst 2002 im Einklang, wonach die Dienstgeberzuständigkeiten - ausgenommen jene hinsichtlich der Beamten der Zentralstelle und der Leiter unmittelbar nachgeordneter Dienstbehörden - nunmehr kraft Gesetz generell den (mittelbar oder unmittelbar) nachgeordneten Dienststellen als Dienstbehörden erster Instanz übertragen werden sollen.
Es unterliegt weiters keinem Zweifel, dass auch das vorliegende, im Gefolge des hg. Erkenntnisses vom 14. Mai 2004 wiederum "anhängige" Verfahren vom Tatbestand des § 2 Abs. 2 DVPV-BMBWK 2003 erfasst wurde, sodass die Zuständigkeit zur Entscheidung über diesen Schadenersatzanspruch auf die in § 1 Z 1 leg. cit. bezeichnete Behörde erster Instanz überging. Die belangte Behörde traf daher in Folge dieses Zuständigkeitsüberganges keine Entscheidungspflicht mehr (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 22. Jänner 2003, Zl. 2002/12/0132, sowie vom 19. Februar 2003, Zl. 2000/12/0073 und Zl. 2002/12/0139, mwN).
Die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene "verfassungskonforme Interpretation" würde sich über den eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 2 DVPV-BMBWK 2003 hinwegsetzen. Welchen verfassungs- und einfachgesetzlichen Bedenken die im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen begegnen, legt auch die Beschwerdeführerin nicht dar.
Da die belangte Behörde die geltend gemachte Pflicht zur Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin in erster Instanz nicht traf, war die vorliegende Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. Mai 2006
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Diverses Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005120118.X00Im RIS seit
27.07.2006