Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des A in W, geboren 1969, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. November 2004, Zl. 251.619/0-III/07/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein aus der Provinz Yozgat stammender Kurde und türkischer Staatsangehöriger, reiste gemäß seinen Angaben am 27. März 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte mit Schreiben vom selben Tag einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme am 12. Juli 2004 gab er zu seinen Fluchtgründen - zusammengefasst - an, er habe als selbständiger Unternehmer mit zwanzig Arbeitern einen Bauauftrag (über umfangreiche Spachtelarbeiten) im Jahre 2001 in Istanbul ausgeführt. Der Auftraggeber habe jedoch den Rechnungsbetrag (von umgerechnet etwa EUR 22.000) nicht beglichen, sodass der Beschwerdeführer seinen Arbeitern den Lohn nicht habe bezahlen können. Den Mitarbeitern sei seine wirtschaftliche "Misere" jedoch "egal" gewesen. Sie hätten ihn wegen der ausständigen Zahlungen mehrmals per Telefon bedroht; einmal (um den 20. Dezember 2001) sei er niedergeschlagen worden. Die Polizei habe zwar seine Anzeige am 15. Jänner 2002 entgegen genommen, aber man habe dem Beschwerdeführer erklärt, "dass es schwer werden würde, etwas gegen die Bedrohungen zu unternehmen, da diese nur per Telefon erfolgten und praktisch noch nichts passiert sei." Bis zu seiner Ausreise habe sich der Beschwerdeführer durchgehend in Istanbul bei einem Cousin aufgehalten. Er habe "immer Angst" gehabt, dass "die Leute mich erwischen könnten". Für den Fall der Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, dass er "wieder bedroht werde".
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. November 2004 wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt 1.). Weiters stellte sie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 des Fremdengesetzes 1997 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei fest (Spruchpunkt 2.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt 3.).
Begründend führte die belangte Behörde - unter weitgehender Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung - aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, asylrelevante Fluchtgründe vorzubringen, zumal er "konkret dazu befragt dezidiert das Vorliegen einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention verneinte". Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte "Bedrohungsszenario" (Drohungen seiner Arbeiter wegen nicht geleisteter Lohnzahlungen) sei "nicht seinem Heimatstaat zurechenbar". Im Übrigen verwies die belangte Behörde zu allen Spruchpunkten zur Gänze (ausgenommen eine näher bezeichnete Passage im Rahmen der rechtlichen Beurteilung) auf die Ausführungen der Erstbehörde, die im Asylteil insbesondere von einem mangelnden Konnex zu einem der in der FlKonv genannten Gründe und vom Bestehen einer inländischen Fluchtalternative ausgegangen war, hinsichtlich der Nichtgewährung des Abschiebungsschutzes (in Verbindung mit den diesbezüglichen Ausführungen zur Abweisung des Asylantrages) eine ausreichende staatliche Schutzgewährung vor den befürchteten Nachstellungen durch seine Gläubiger unterstellt und in Bezug auf die Ausweisung keinen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erkannt hatte.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:
Die Beschwerde macht zusammengefasst geltend, die belangte Behörde habe sich mit der mangelnden staatlichen Schutzgewährung vor den Maßnahmen der "Schuldeneintreiber" nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen sind jedoch nicht geeignet, die auf nachvollziehbaren Überlegungen im Erstbescheid gegründete gegenteilige Annahme in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer nennt nämlich weder Quellen (etwa entsprechende Berichte), mit denen sich seine bloßen Behauptungen belegen ließen, noch zeigt er auf, dass es sich insoweit um eine notorische Tatsache handeln könnte. Daher kann auch eine in der Beschwerde in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung der Ermittlungspflicht vom Verwaltungsgerichtshof nicht erkannt werden. Gleiches gilt für das nicht näher konkretisierte und auch keinen ausreichenden Fallbezug herstellende Vorbringen, "Mafiastrukturen" hätten das Inkassowesen in der Türkei "unterwandert". Im Übrigen gelingt es - am Maßstab des Erkenntnisses vom 13. November 2001, Zl. 2000/01/0098, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - damit nicht, einen ausreichenden Zusammenhang mit einem Konventionsgrund herzustellen. Schließlich unterlässt der Beschwerdeführer zu weiteren - seiner Ansicht nach gegebenen - Verfahrensmängeln eine ausreichende Relevanzdarstellung.
Die Beschwerde vermag daher insoweit, als sie sich gegen die ersten beiden Spruchpunkte richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.
Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides). Diesbezüglich hat die belangte Behörde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.
Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 31. Mai 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004200474.X00Im RIS seit
17.07.2006