TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/8 2004/01/0155

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Veröffentlicht am 08.06.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
MRK Art3;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der MB in L, geboren 1959, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. Februar 2004, Zl. 244.708/0-VII/20/03, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Asylgesetz 1997 abgewiesen und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "in die unter internationaler Verwaltung stehende, vormalig autonome Provinz Kosovo (Serbien und Montenegro)" festgestellt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen (Bestätigung der Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 Asylgesetz 1997) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine der albanischen Volksgruppe angehörende Staatsbürgerin von Serbien und Montenegro aus Südserbien, reiste im Oktober 2003 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Als Fluchtgrund gab sie an, sie habe zusammen mit ihren Kindern zu ihrem in Österreich lebenden Ehemann kommen wollen. In Südserbien habe sie kein Haus und keine Wohnung. Sie habe bei den Eltern ihres Ehemannes in einem alten Haus mit nur zwei Zimmern gewohnt und wolle jetzt bei ihrem Mann in Österreich bleiben. Verfolgt gefühlt habe sie sich in Südserbien nicht.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 22. Oktober 2003 den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "nach Serbien-Montenegro" gemäß § 8 AsylG für zulässig. Es legte dieser Entscheidung die Angaben der Beschwerdeführerin sowie Feststellungen über die Lage sowohl in Südserbien als auch im Kosovo zugrunde, verneinte eine Gefährdung der Beschwerdeführerin in Südserbien und führte "in eventu" an, der Beschwerdeführerin stehe "auch jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative in der ... Provinz Kosovo" offen.

In der Berufung gegen diese Entscheidung führte die Beschwerdeführerin aus, ihr Ehemann sei schon seit mehr als zwei Jahren in Österreich und nur die schwere Krankheit ihrer Mutter habe die Beschwerdeführerin davon abgehalten, schon früher mit den Kindern nachzukommen. Zu Hause habe es an allem gefehlt, was man zum Leben brauche. Das Sozialsystem funktioniere nur auf dem Papier.

Mit dem angefochtenen, ohne vorausgegangene Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die erstinstanzliche Entscheidung mit der Modifikation, dass die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin auf den Kosovo einzuschränken sei. Im Übrigen verwies sie auch in rechtlicher Hinsicht auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, dessen Sachverhaltsfeststellungen sie zur Gänze übernahm. Die Ausführungen in der Berufung seien nicht geeignet, zu einem anderen Bescheid zu führen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insoweit die belangte Behörde - dem Bundesasylamt folgend - eine asylrelevante Gefährdung der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat (im Besonderen in Südserbien) verneint hat, gelingt es der Beschwerde nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Wesentlich ist dabei, dass auch die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, soweit es die Abweisung des Asylantrages anlangt, durch die Übernahme der diesbezüglichen Teile des erstinstanzlichen Bescheides nur "in eventu" auf den Kosovo verwiesen und primär eine asylrelevante Verfolgung in Südserbien verneint hat, was der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auch bei Bedachtnahme auf die Ausführungen in der Beschwerde standhält. Die nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 9. Juli 2002, Zl. 2001/01/0550, und die Folgejudikatur dazu) falsche Annahme einer "inländischen Fluchtalternative" im Kosovo für die nicht aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführerin ist für die angefochtene Entscheidung insoweit nicht tragend.

Mit Recht weist die Beschwerde aber darauf hin, dass der Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Kosovo mit dieser Judikatur nicht vereinbar ist (vgl. in Bezug auf die Entscheidung gemäß § 8 AsylG zuletzt das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/01/0327). Die Zulässigkeit der erwähnten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hätte die belangte Behörde im vorliegenden Fall nur in Bezug auf Serbien und Montenegro unter Ausschluss des Kosovo und nur unter der - dem angefochtenen Bescheid nicht zugrunde liegenden - Voraussetzung feststellen dürfen, dass dem insoweit kein rechtliches Hindernis entgegenstehe. War diese Voraussetzung - etwa aus Gründen des Art. 3 EMRK - nach Ansicht der belangten Behörde nicht erfüllt, so hätte sie die erwähnten Maßnahmen für unzulässig erklären und über die Zuerkennung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung entscheiden müssen.

Es war daher der angefochtene Bescheid in dem zuletzt erörterten Punkt gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 8. Juni 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004010155.X00

Im RIS seit

12.07.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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