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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1974, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Dezember 2004, Zl. SD 418/04, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesh, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm § 8 Abs. 4a und § 10 Abs. 2 Z. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Der Beschwerdeführer sei am 29. Dezember 2001 auf Grund einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student", gültig bis 31. März 2002, nach Österreich eingereist. Diese Aufenthaltserlaubnis sei bis 31. Oktober 2002 verlängert worden.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 11. September 2002 sei der Vertrag über die Adoption des Beschwerdeführers durch eine österreichische Staatsbürgerin bewilligt worden. Daraufhin habe der Beschwerdeführer am 20. September 2002 einen (Erst-)Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" eingebracht.
Vorerst sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer die ihm aufgetragene Ergänzungsprüfung aus Deutsch nicht erfolgreich abgelegt habe und deshalb nie zum ordentlichen Studium zugelassen worden sei. Unmittelbar nach seiner Adoption - nur neun Monate nach seiner Einreise - habe der Beschwerdeführer nicht nur den Zweck seines Aufenthalts geändert, sondern sei auch in keiner Weise mehr einem Studium nachgegangen. Angesichts dieses Sachverhalts sei die Annahme berechtigt, dass der Beschwerdeführer nicht aus dem Grund nach Österreich gekommen sei, um hier zu studieren.
Gemäß § 8 Abs. 4a FrG dürften sich eigenberechtigte an Kindesstatt angenommene Fremde bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln nur dann auf die Adoption berufen, wenn die Erlangung des Aufenthaltstitels nicht der ausschließliche oder vorwiegende Grund für die Annahme an Kindesstatt gewesen sei. Vorliegend zweifle die Behörde zwar nicht daran, dass sich zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Wahlmutter eine dem Mutter-Sohn-Verhältnis entsprechende Beziehung entwickelt habe. Diese Tatsache könne jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Annahme des Beschwerdeführers an Kindesstatt aus dem Grund durchgeführt und notwendig gewesen sei, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt in Österreich fortsetzen könne. Dies werde auch dadurch bestärkt, dass der Beschwerdeführer nach seiner Annahme an Kindesstatt sein Studium nicht mehr fortgesetzt habe. Auch das die Adoption bewilligende Gericht habe ausdrücklich festgehalten, dass durch die Adoption das Fortkommen des Beschwerdeführers in Österreich gefördert werden solle. Die Behörde gelange daher zur Überzeugung, dass der eigentliche Zweck der Adoption des Beschwerdeführers jener gewesen sei, dem Beschwerdeführer den Aufenthalt im Bundesgebiet und den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Diese Ansicht werde dadurch bestärkt, dass die Adoptivmutter den Beschwerdeführer beim "Zettelverteilen" kennen gelernt habe und der Beschwerdeführer zumindest auch am 5. Juni 2003 einer Beschäftigung nachgegangen sei.
Bei einer Gesamtbetrachtung dieser Umstände gelange die Behörde zur Ansicht, dass zumindest der vorwiegende Grund für die Adoption des Beschwerdeführers die Erlangung eines Aufenthaltstitels gewesen sei, damit der Beschwerdeführer sich im Bundesgebiet aufhalten dürfe und hier "einem wirtschaftlichen Interesse nachgehen" könne.
Eine solche Vorgangsweise widerspreche den Intentionen des Gesetzgebers. Damit erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für den von ihm begehrten Aufenthaltstitel nicht und verstoße gegen fremdenrechtliche Regelungen, deren Einhaltung ein hoher Stellenwert zukomme. Der Erteilung eines weiteren Aufenthalttitels stehe der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG entgegen. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG seien daher erfüllt.
Der Beschwerdeführer lebe seit knapp drei Jahren im Bundesgebiet und verfüge über eine familiäre Bindung zu seiner Wahlmutter. Die Ausweisung sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten. Es würde öffentlichen Interessen grob zuwiderlaufen, wenn ein Fremder durch die Vorgabe, in Österreich studieren zu wollen, die Einreiseerlaubnis ins Bundesgebiet erhalte, um sich anschließend mit Hilfe einer Adoption den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu verschaffen.
Bei der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers von vornherein nicht auf Dauer angelegt gewesen sei, sondern dem Zweck der Ausbildung gedient habe. Der Beschwerdeführer habe gerade diesen Zweck dadurch unterlaufen, dass er keinerlei Studienerfolg erbracht habe. Den solcherart geschmälerten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenüber. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer ist unstrittig der Adoptivsohn einer österreichischen Staatsbürgerin. Gemäß § 49 Abs. 1 erster Satz FrG genießen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 leg. cit., die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt.
Gemäß § 47 Abs. 3 FrG sind begünstigte Drittstaatsangehörige u. a. folgende Angehörige eines EWR-Bürgers: (Z. 2) Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird.
Gemäß § 48 Abs. 2 FrG ist die Ausweisung eines EWR-Bürgers oder eines begünstigten Drittstaatsangehörigen außer in den Fällen des § 34 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. nur zulässig, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 33 Abs. 1 leg. cit.).
Die vorliegende Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG wäre daher gemäß § 48 Abs. 2 leg. cit. nicht zulässig, wenn der Beschwerdeführer begünstigter Angehöriger einer Österreicherin im Sinn von § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 leg. cit. wäre.
Da der Beschwerdeführer das 21. Lebensjahr bereits vollendet hat, würde er die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 FrG nur erfüllen, wenn er von seiner Adoptivmutter Unterhalt gewährt erhielte.
Im Bescheid der Behörde erster Instanz, auf den der angefochtene Bescheid verweist, ist dazu auf Grundlage einer Aussage der Adoptivmutter des Beschwerdeführers festgestellt, dass anlässlich der Adoption ein Vertrag geschlossen worden sei, wonach die Adoptivmutter gegenüber dem Beschwerdeführer keinerlei finanzielle Verpflichtungen eingehe. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren weder diese Feststellung bestritten, noch vorgebracht, von seiner Adoptivmutter Unterhalt zu erhalten.
Die dem angefochtenen Bescheid erkennbar zu Grunde liegende Auffassung der belangten Behörde, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen begünstigten Angehörigen einer Österreicherin handelt, ist unbedenklich.
2. Unstrittig steht fest, dass der Beschwerdeführer auf Grund einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student" nach Österreich eingereist ist. Er hat jedoch die ihm vorgeschriebene Ergänzungsprüfung aus Deutsch nicht erfolgreich abgelegt und daher nicht einmal die Voraussetzungen für die Zulassung zum ordentlichem Studium erfüllt. Bei seiner Erwerbstätigkeit als "Zettelverteiler" hat er seine spätere Adoptivmutter kennen gelernt. Nach den auf die Aussage der Adoptivmutter gegründeten Feststellungen der Behörde erster Instanz, auf die im angefochtenen Bescheid verwiesen wird, ist der Beschwerdeführer hiebei an die spätere Wahlmutter mit der Bitte herangetreten, ob sie ihn nicht adoptieren wolle, weil er arm sei und es ihm in Österreich wirtschaftlich besser ginge als in seiner Heimat. Wie oben 1. dargestellt wurde anlässlich der Adoption ein Vertrag geschlossen, wonach die Adoptivmutter gegenüber dem Beschwerdeführer keine finanziellen Verpflichtungen eingehe. Nach der gerichtlichen Bewilligung der Adoption hat der Beschwerdeführer sein Studium nicht fortgesetzt.
Der Beschwerdeführer ist also bereits in der Zeit, in der er - als außerordentlicher Hörer - inskribiert war, einer Beschäftigung nachgegangen. Er hat eine Österreicherin gebeten, ihn zu adoptieren, wobei er damit einverstanden war, dass diese Österreicherin damit keine finanziellen Verpflichtungen eingehe. Sobald er auf Grund der gerichtlichen Genehmigung der Adoption die Möglichkeit gesehen hat, auf andere Weise als mit der Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student" in Österreich zu verbleiben, hat er sein Studium nicht mehr fortgesetzt.
Auf diese Umstände gründete die belangte Behörde ihre Feststellungen, der Beschwerdeführer habe von Anfang an nicht die Absicht gehabt, in Österreich zu studieren, und der vorwiegende Zweck der Adoption sei gewesen, dem Beschwerdeführer die Erlangung bzw. Beibehaltung eines Aufenthaltstitels zu ermöglichen. Diese Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis (vgl. zum Umfang dieser Befugnis insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Das Beschwerdevorbringen, es komme auch bei Österreichern, die im Ausland studierten, vor, dass sie auf Dauer im Ausland verblieben, ist nicht geeignet, die Schlüssigkeit dieser Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen.
Der Beschwerdeführer hat also eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums erwirkt, ohne tatsächlich die Absicht gehabt zu haben, das Studium nachhaltig zu betreiben. Weiters hat er sich zum vorwiegenden Zweck, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, von einer Österreicherin adoptieren lassen und sich zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung entgegen § 8 Abs. 4a FrG auf diese Adoption berufen.
Dieses gesamte Fehlverhalten stellt eine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des Versagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.
3. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist in Fällen, in denen - wie vorliegend (siehe unten 4.) - eine Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 37 FrG durchzuführen ist, eine zusätzliche Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens eines Versagungsgrundes nicht erforderlich (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. Oktober 2002, Zl. 2002/18/0174).
4. Die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesen) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.) kann aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides nicht als rechtswidrig erkannt werden.
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 13. Juni 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005180028.X00Im RIS seit
06.07.2006