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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, geboren 1975, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. März 2006, Zl. SD 221/06, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. März 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 22. Juni 2004 wegen der Vergehen nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz (SMG) und § 50 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz sowie des teils vollendeten und teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs. 2, Abs. 3 erster Fall und Abs. 4 Z. 3 SMG zu einer vierjährigen unbedingten Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden.
Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2002 und 2003 sowie 1992 und 1993 wiederholt mit Suchtgiften gehandelt habe. Die von ihm auf diese Weise zu verantwortende Suchtgiftmenge mache zumindest das 25- fache der Grenzmenge gemäß § 28 Abs. 6 SMG aus. Überdies habe der Beschwerdeführer von 1988 bis 17. Oktober 2003 eine unbekannte Menge an Kokain und Cannabisprodukten erworben und besessen. Weiters habe er im Zeitraum von August 2003 bis 17. Oktober 2003 fahrlässig eine genehmigungspflichtige Schusswaffe besessen.
In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, bereits im Alter von zwei Jahren nach Österreich eingereist zu sein und sich von 1977 bis 1994 auf Grund von Aufenthaltstiteln rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Er hätte in seiner Heimat weder Verwandte noch Bekannte, spräche die serbokroatische Sprache nicht und hätte auch sonst keinerlei Bezug zu diesem Staat, in welchem er seit 1977 nie mehr gewesen wäre.
Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei erfüllt. Zweifellos stelle das zu Grunde liegende Fehlverhalten eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbots insbesondere zur Verhütung von Straftaten und zum Schutz der Rechte anderer zulässig sei.
Aus dem den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 2005, Zl. 2004/21/0149, ergebe sich, dass sich der Beschwerdeführer in den Jahren 1993 bis 1998 in Deutschland aufgehalten habe. Seit dem Jahr 1998 halte er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer könne nicht als im Sinn von § 55 FPG langjährig im Bundesgebiet niedergelassen angesehen werden, weil eine derartige Niederlassung den rechtmäßigen Aufenthalt voraussetze. Ein rechtmäßiger Aufenthalt liege aber bereits seit 1994 nicht mehr vor.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG sei der langjährige inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers und der Umstand zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer kaum noch Bindungen zu seinem Heimatstaat habe. Die beachtlichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet würden in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass sich der Beschwerdeführer seit 1998 unrechtmäßig in Österreich aufhalte und über einen längeren Zeitraum besonders gravierende Straftaten begangen habe. Daher sei das Aufenthaltsverbot auch angesichts des hohen Integrationsgrades des Beschwerdeführers zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt.
2. Der Beschwerdeführer hat bereits in den Jahren 1992 und 1993 sowie - nach seiner unberechtigten Rückkehr nach Österreich - in den Jahren 2002 und 2003 mit Suchtgift gehandelt. Aus der Verurteilung auch wegen § 28 Abs. 3 erster Fall SMG ergibt sich, dass er dabei gewerbsmäßig, also in der Absicht vorgegangen ist, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Insgesamt hat der Beschwerdeführer mit einer Suchtgiftmenge gehandelt, die zumindest das 25-fache der gemäß § 28 Abs. 6 SMG u.a. unter Bedachtnahme auf die Eignung, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit in großem Ausmaß herbeizuführen, festzusetzenden Untergrenze einer großen Suchtgiftmenge ausmacht. Darüber hinaus hat er von 1988 bis 2003, also über einen Zeitraum von 15 Jahren, eine unbekannte Menge an Kokain und Cannabisprodukten erworben und besessen.
Der besonders lange Deliktszeitraum und die gewerbsmäßige Vorgangsweise dokumentieren vorliegend die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende große Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0225). Vom weiteren Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers geht daher eine sehr große Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität aus.
Soweit der Beschwerdeführer dagegen ins Treffen führt, von der derzeitigen Strafverbüßung sei eine entsprechende general- und spezialpräventive Wirkung zu erwarten, ist ihm zu entgegnen, dass die bloße Strafverbüßung eine positive Prognose nicht zu rechtfertigen vermag.
Eine weitere nicht unerhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen resultiert aus dem unberechtigten Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1998.
Die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme ist daher gerechtfertigt.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers die lange inländische Aufenthaltsdauer und die kaum noch vorhandenen Beziehungen zu seiner Heimat berücksichtigt.
Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration wird in ihrem Gewicht dadurch deutlich geschmälert, dass sich der Beschwerdeführer unstrittig ab 1993 in Deutschland aufgehalten hat und seit seiner Wiedereinreise im Jahr 1998 über keine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Eine weitere deutliche Minderung der Integration in ihrer sozialen Komponente resultiert aus dem langjährigen gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Im Hinblick darauf und mit Rücksicht auf das Fehlen von - auch in der Beschwerde nicht behaupteten - familiären und beruflichen Bindungen im Bundesgebiet kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland trotz der langen Aufenthaltsdauer kein allzu großes Gewicht zu.
Diesen persönlichen Interessen steht die dargestellte sehr große Gefährdung öffentlicher Interessen durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegenüber. Von daher ist die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG); die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wiegen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.). Die Ansicht der belangte Behörde, dass § 66 FPG dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen stehe, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.
4. Hinzugefügt sei, dass § 61 Z. 4 FPG dem Aufenthaltsverbot schon deshalb nicht entgegen steht, weil der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von mehr als zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.
5. Auf Grund der Verurteilung iSd § 55 Abs. 3 FPG kommt - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots aus den im hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0066, dargelegten Gründen nicht in Betracht.
6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 13. Juni 2006
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006180135.X00Im RIS seit
13.07.2006Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009