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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §25 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Otmar Wacek, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 15. Jänner 2003, Zl. 20504-13/390/20-2003, betreffend Lenkverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage wurde der (im Jahr 1922 geborenen) Beschwerdeführerin nach einer eitrigen Meningitis und zwei folgenden Schlaganfällen mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 23. Juli 1997 die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B und F gemäß § 73 KFG 1967 entzogen und ausgesprochen, dass ihr für die Dauer der geistigen und körperlichen Nichteignung eine neue Lenkberechtigung nicht erteilt werden dürfe.
In der Folge stellte die Beschwerdeführerin Anträge auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Führerscheinklasse B, die - zuletzt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. September 2001 - rechtskräftig abgewiesen wurden. Im genannten Bescheid wurde der Beschwerdeführerin außerdem verboten, für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge zu lenken (§ 32 FSG). Begründet wurde dieser Bescheid damit, dass auf Grund eines verkehrspsychologischen Befundes und eines amtsärztlichen Gutachtens feststehe, dass der Beschwerdeführerin die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung fehle.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2001 beantragte die Beschwerdeführerin die "Erteilung der Berechtigung zum Lenken eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges". Aus dem Verwaltungsakt (Akt Seite 183 ff) geht weiters hervor, dass der Beschwerdeführerin am 12. Februar 2002 über ihren Antrag vom 30. Jänner 2002 von einer Fahrschule ein Mopedausweis für ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug (§ 31 Abs. 3a FSG) ausgestellt wurde und dass die Beschwerdeführerin beim Versuch der Behörde, diesen Ausweis einzuziehen, Selbstmordabsichten geäußert hat.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der als Antrag auf Aufhebung des Lenkverbotes zu deutende Antrag der Beschwerdeführerin vom 31. Oktober 2001 abgewiesen und die Beschwerdeführerin gemäß § 32 Abs. 2 FSG verpflichtet, den Mopedausweis für vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge bei der Behörde unverzüglich abzugeben. In der Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 19. Februar 2002, die zusammenfassend zu folgendem Ergebnis gelangte:
"Die Beschwerdeführerin, geb. am 7.8.1922, bot den Befund einer unterdurchschnittlichen Intelligenzleistung. Sie zeigte eine ihrem Alter nicht adäquate Gedächtnis- und Merkfähigkeitsleistung. Es sind deutliche Zeichen eines vorzeitigen Altersabbaus zu erheben.
Bei der kraftfahrspezifischen Leistungsprüfung zeigt sie insgesamt eine deutlich reduzierte Leistungsfähigkeit. Mängel zeigte sie vor allem im Bereich der verkehrsspezifischen Wahrnehmung wie auch bzgl. der konzentrierten, gezielten Wahrnehmung. Weiters hat sie erhebliche Probleme in der Reaktionssicherheit und sie ist reaktiv und konzentrativ nicht mehr belastbar.
Die Persönlichkeitsuntersuchung ergab laut Selbstbeschreibung den Befund eines emotional labilen Persönlichkeitstypus mit geringer Entschlussbereitschaft und der Neigung zur Besorgnis, wobei ihre Fähigkeit der Selbstbehauptung einer Selbstüberschätzung entspricht. Bei einem verkehrsspezifischen Persönlichkeitstest zeigte sie Anzeichen einer erhöhten Risikobereitschaft. Die Beschwerdeführerin hat keine Einsicht bezüglich ihrer Leistungsdefizite und auch kein Problembewusstsein, vielmehr sieht sie sich als Opfer der Ungerechtigkeit.
Auf Grund der erheblichen kognitiven, der reaktiven Defizite wie auch der allgemeinen Verlangsamung ist eine Fahrprobe wenig sinnvoll.
Aus verkehrspsychologischer Sicht ist die Beschwerdeführerin derzeit nicht geeignet, Kraftfahrzeuge zu lenken."
Dem in der Folge erteilten Auftrag der Berufungsbehörde, ein Gutachten über die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen zu erstatten, sei der amtsärztliche Sachverständige mit dem (im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen) Gutachten vom 11. September 2002 nachgekommen. Der Amtsarzt sei darin nach begonnener Untersuchung vom 24. April 2002, die wegen (abermals) geäußerter Selbstmordabsichten der Beschwerdeführerin abgebrochen worden sei, und auf der Grundlage der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 19. Februar 2002 zum Ergebnis gelangt, dass die Beschwerdeführerin "auf Grund des vorzeitigen Altersabbaus, welcher zu eindeutig nicht mehr ausreichenden kraftfahrspezifischen Leistungen führe", nicht geeignet sei, Kraftfahrzeuge zu lenken. Dieses Ergebnis, so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, habe die Beschwerdeführerin mit dem von ihr vorgelegten Gegengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 3. Oktober 2002 nicht entkräften können, weil, wie der Amtsarzt in seiner dazu abgegebenen Stellungnahme zutreffend ausgeführt habe, die dem Gegengutachten vorangegangenen Untersuchungen nicht jene umfassenden verkehrspsychologischen Untersuchungen ersetzen könnten, die dem amtsärztlichen Gutachten vom 11. September 2002 zu Grunde gelegen seien. Vor diesem Hintergrund habe nach Ansicht der belangten Behörde auch eine praktische Fahrprobe unterbleiben können.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 10. Juni 2003, B 409/03-4, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die von der Beschwerdeführerin ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des FSG maßgebend:
"Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) ...
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:
'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. ...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) ...
(2) Bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.
(3) ...
Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen
§ 32. (1) Personen, die (...) nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ (...) 25 (...) entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges
1. ausdrücklich zu verbieten,
...
Das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges entgegen einer behördlichen Verfügung nach Z 1, 2 oder 3 ist unzulässig. Eine solche Verfügung ist aufzuheben, wenn der Grund für ihre Erlassung nicht mehr gegeben ist.
(2) Besitzer eines Mopedausweises haben diesen für die Dauer der Maßnahmen gemäß Abs. 1 Z 1 (...) abzuliefern."
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass gegenüber der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 17. September 2001 ein rechtskräftiges Lenkverbot für vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge wegen des Fehlens und für die Dauer des Fehlens (§ 32 Abs. 1 iVm § 25 Abs. 2 FSG) ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken solcher Kraftfahrzeuge verfügt wurde. Demnach setzt das Außerkrafttreten dieses Lenkverbotes das Wiedererlangen der gesundheitlichen Eignung der Beschwerdeführerin voraus, das gemäß § 32 Abs. 1 letzter Satz FSG zur Aufhebung des das Lenkverbot verfügenden Bescheides führt. Da das rechtskräftige Lenkverbot mit dem Fehlen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin und mit dem Fehlen ihrer Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, daher mit verkehrspsychologisch relevanten Umständen, begründet wurde, war - anders als die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde meint - die Frage der Wiedererlangung ihrer gesundheitlichen Eignung gemäß § 8 Abs. 2 FSG auf der Grundlage des Gutachtens eines Amtsarztes zu beurteilen.
Das Hauptgewicht der Beschwerde liegt im Vorbringen, die belangte Behörde hätte dem angefochtenen Bescheid das amtsärztliche Gutachten vom 11. September 2002 nicht zu Grunde legen dürfen, weil dessen Erstellung einerseits keine amtsärztliche Untersuchung der Beschwerdeführerin vorangegangen sei und weil die belangte Behörde andererseits das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gegengutachten, nach dem dieser die Fahrtauglichkeit nicht abzusprechen sei, hätte beachten müssen.
Zum ersten Einwand ist der Beschwerdeführerin zu entgegnen, dass das amtsärztliche Gutachten vom 11. September 2002, wie dort auch ausgeführt wird, auf einem Untersuchungsgespräch mit der Beschwerdeführerin vom 24. April 2002 beruhte. Dass dieses Untersuchungsgespräch wegen der dabei geäußerten Selbstmordgedanken der Beschwerdeführers abgebrochen werden musste, bewirkt nicht, dass die bis zum Abbruch der Untersuchung gewonnenen Ergebnisse im späteren amtsärztlichen Gutachten nicht verwertet werden durften. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin mit dem bei der Behörde am 1. Juli 2002 eingelangten Anwaltschriftsatz erklärt hat, sie werde sich nur mehr den von ihr genannten (nicht amtlichen) Sachverständigen anvertrauen, wodurch sie ihre weitere Mitwirkung an der amtsärztlichen Untersuchung verweigert hat. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde das Gutachten des Amtsarztes vom 11. September 2002, der dieses auch mit den Ergebnissen der verkehrspsychologischen Untersuchung begründet hat, als Entscheidungsgrundlage heranzog.
Gegen die Schlüssigkeit des amtsärztlichen Gutachtens verweist die Beschwerdeführerin, wie erwähnt, auf das von ihr vorgelegte Gegengutachten vom 3. Oktober 2002. Dieser Hinweis ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat nämlich (beruhend auf einer Stellungnahme des Amtsarztes zum vorgelegten Gegengutachten) den Standpunkt vertreten, dem amtsärztlichen Gutachten komme größeres Gewicht zu, weil sich dieses auf die Ergebnisse der im Akt ausführlich dokumentierten Untersuchung der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle über die reduzierte Reaktionssicherheit und die herabgesetzte Konzentrationsfähigkeit der Beschwerdeführerin stütze. Dem gegenüber lägen dem Gegengutachten derart umfassende Untersuchungen nicht zu Grunde. Diese Beweiswürdigung kann seitens des Verwaltungsgerichtshofes nicht als unschlüssig erkannt werden. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob - wie im erwähnten Gegengutachten ausgeführt wird - ein Gedächtnistest ein sehr gutes Resultat "für eine 80-Jährige" erbracht habe und ob die Reaktionszeiten "im Hinblick auf das Alter" der Beschwerdeführerin gut sind, sondern ob die Beschwerdeführerin die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit aufweist, die für das Lenken der hier in Rede stehenden Kraftfahrzeuge ausreicht.
Schließlich trifft auch der Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde hätte vor Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 2 FSG eine Beobachtungsfahrt anordnen müssen, nicht zu, weil die belangte Behörde nach dem Gesagten auf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens - nach dem die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin "eindeutig" nicht mehr ausreiche - eine sichere Entscheidung über die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin treffen konnte.
Da die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides demnach nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des Antrages der belangten Behörde auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 20. Juni 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003110179.X00Im RIS seit
19.07.2006