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68/01 Behinderteneinstellung;Norm
BEinstG §14 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Gertrude Weidinger, Rechtsanwalt in 2120 Wolkersdorf, Bahnallee 18, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 17. Jänner 2006, Zl. 41.550/402- 9/05, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 27. Juni 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Jänner 1999 auf Feststellung seiner Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) abgewiesen. Begründend wurde der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf im Akt erliegende ärztliche Gutachten, nach denen der Beschwerdeführer nach einer Bandscheibenoperation im Wesentlichen unter einer degenerativen Veränderung der Lendenbandscheiben und daraus resultierenden Schmerzen (postoperatives Lumbalsyndrom; Akt Seite 40 und 43) leide, mit 40 v.H. festgestellt.
Mit Schreiben vom 29. Jänner 2002 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Feststellung der Zugehörigkeit zum genannten Personenkreis. Dieser Antrag wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundessozialamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. August 2002 gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG abgewiesen. Die Behörde begründete ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf im Ermittlungsverfahren eingeholte ärztliche Gutachten und einen sich daraus ergebenden Grad der Behinderung des Beschwerdeführers in Höhe von 20 v.H.
Mit einem am 5. Jänner 2005 bei der Behörde eingelangten Schreiben stellte der Beschwerdeführer abermals einen Antrag auf Feststellung gemäß § 14 BEinstG. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag ab und stellte gleichzeitig fest, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30 v.H. betrage. In der Begründung verwies sie auf die Sachverständigengutachten einerseits eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und andererseits eines Arztes für Allgemeinmedizin, jeweils vom 25. Juli 2005, und gab diese zusammengefasst wie folgt wieder:
"Untere Extremitäten:
Rechts:
Hüftgelenk: frei
Kniegelenk: frei
Sprunggelenk: frei
Links:
Hüftgelenk: frei
Kniegelenk: frei
Sprunggelenk: frei
Varizen: keine
Füße: Spreizfuß beidseits
Zehen- und Fersenstand: beidseits möglich
Zehen- und Fersengang: beidseits möglich
Gangbild: Schmerzhinken rechts, Abrollen unauffällig
Lfd.
Nr.
Art der Gesundheitsschädigung
Position in den
Richtsätzen
GdB
1.
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen und Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 rechts und rezenter Problaps C 6/7
Oberer Rahmensatz, da Funktionseinschränkung in der Hals- und Lendenwirbelsäule
190
30 vH
2.
Postlaminektomiesyndrom ohne Parese bei zusätzlichen Bandscheibenvorfällen im Halswirbelsäulenbereich
Oberer Rahmensatz, das sowohl an der Lenden- als auch an der Halswirbelsäule nun klinisch nachvollziehbare Beschwerden eingetreten sind
g.Z. 533
20 vH
Gesamtgrad der Behinderung
30 vH
Folgende Gesundheitsschädigungen mit einem GdB von weniger als 20 vH, die auch im Zusammenwirken mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachen, werden gemäß § 3 BEinstG bei der Einschätzung des GdB nicht berücksichtigt:
Lfd.
Nr.
Art der Gesundheitsschädigung
Position in den
Richtsätzen
GdB
3.
Reaktiv depressives Syndrom mit Somatisierung
fixer Richtsatz
583
0 vH
Beurteilung:
Da der Berufungswerber keine Beschwerden in Füßen und Beckenbereich angegeben hat und auch klinisch keine Funktionseinschränkungen zu finden waren, wurde im zweitinstanzlichen Gutachten kein diesbezüglicher Grad der Behinderung erreicht.
Das erstinstanzlich von neurologischer Seite festgestellte Postlaminektomiesyndrom wird nach wie vor mit 20 vH bewertet, es bewirkt jedoch auf Grund der Leidensüberschneidung mit der Hauptdiagnose keine Erhöhung des führenden Grades der Behinderung.
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH, weil auf Grund der Leidensüberschneidung eine Erhöhung des führenden Grades der Behinderung der Gesundheitsschädigung unter der laufenden Nummer 1 durch die Gesundheitsschädigung unter der laufenden Nummer 2 nicht gerechtfertigt ist."
Der vom Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegte Befund eines Facharztes für Orthopädie, so die belangte Behörde weiter unter Bezugnahme auf eine von ihr eingeholte weitere Stellungnahme eines medizinischen Sachverständigen, stehe mit den erwähnten Gutachten vom 25. Juli 2005 nicht im Widerspruch. Nach Darstellung der maßgebenden Rechtsvorschriften und nach einem Hinweis auf die gemäß § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Richtsatzverordnung vom 9. Juni 1965 über die Einschätzung des Grades der Behinderung sowie nach Bezugnahme auf die hg. Rechtsprechung gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass auf Grundlage der ihr vorliegenden schlüssigen Sachverständigengutachten von einem Grad der Behinderung des Beschwerdeführers von 30 v.H. auszugehen sei und dass dieser daher nicht zum Kreis der begünstigten Behinderten zähle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des BEinstG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2005 lauten (auszugsweise):
"Begünstigte Behinderte
§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. Österreichischen Staatsbürgern sind Flüchtlinge mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H., denen Asyl gewährt worden ist, gleichgestellt, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. ...
Feststellung der Begünstigung
§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 v.H.
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;
b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;
c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;
d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z. 2 Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.
(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Behinderten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (Abs. 3) festzustellen. ...
(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.
(4) ...
Übergangsbestimmungen
§ 27. (1) Bis zum Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
(2) ..."
Da eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 BEinstG noch nicht erlassen wurde, hat die belangte Behörde zu Recht (§ 27 Abs. 1 BEinstG) die auf Grund des § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und die in der Anlage zu dieser Verordnung genannten Richtsätze herangezogen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2003, Zl. 2002/11/0186).
Die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände hat nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach § 3 der oben genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis, Zl. 2002/11/0186, und darauf Bezug nehmend das Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/11/0304).
Der Beschwerdeführer behauptet in der Beschwerde nicht, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von der in der zitierten Rechtsprechung beschriebenen Vorgangsweise abgewichen wäre. Vielmehr führt er ins Treffen, dass der Grad seiner Behinderung im Bescheid vom 27. Juni 2000 bereits mit 40 v.H. festgestellt worden sei, sodass eine "Herabsetzung" seines Behinderungsgrades nur im Falle einer wesentlichen Besserung des Leidenszustandes, die von der Behörde aber nicht festgestellt worden sei, zulässig gewesen wäre. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe sich im Jahr 2002 sogar verschlechtert, sodass nicht nachvollziehbar sei, weshalb die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Behinderungsgrad nicht von 40 v.H. auf 50 v.H. erhöht habe.
Zunächst steht die Behauptung, mit dem angefochtenen Bescheid sei der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers herabgesetzt worden, mit der Aktenlage nicht im Einklang, weil dem angefochtenen Bescheid einerseits der erwähnte Bescheid des Bundessozialamtes vom 9. August 2002 voranging, dem ein angenommener Grad der Behinderung des Beschwerdeführers von 20 v.H. zugrunde lag, und weil dieser Behinderungsgrad andererseits laut angefochtenem Bescheid nunmehr 30 v.H. beträgt. Wenn der Beschwerdeführer daher gegen den angefochtenen Bescheid eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes einwendet, so ist er darauf hinzuweisen, dass sich diese Veränderung ohnedies in der aufgezeigten Entwicklung seines Behinderungsgrades (von zuletzt 20 v.H. auf nunmehr 30 v.H.) widerspiegelt. Im Übrigen vermag der Beschwerdeführer mit dem bloß allgemein gehaltenen Hinweis auf die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes die Schlüssigkeit der wiedergegebenen Sachverständigengutachten und die Stichhaltigkeit der darauf aufbauenden Begründung des angefochtenen Bescheides nicht in Zweifel zu ziehen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 20. Juni 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006110043.X00Im RIS seit
17.07.2006