TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/20 2003/11/0162

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Veröffentlicht am 20.06.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §28 Abs1 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §28 Abs1 Z1 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §28 Abs1 Z1;
FSG 1997 §28 Abs1 Z2 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §28 Abs1 Z2;
FSG 1997 §28 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des E in B, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 25. März 2003, Zl. Ib-277- 148/1999, betreffend Wiederausfolgung des Führerscheins, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0102, verwiesen. Wie dort näher ausgeführt, wurde dem Beschwerdeführer, nachdem dieser am 10. Juni 1999 eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 (Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf den Alkoholgehalt) begangen hatte, die Lenkberechtigung mit rechtskräftigem Mandatsbescheid vom 15. Juni 1999 für die Dauer von vier Monaten entzogen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 8 FSG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 81/2002) die Absolvierung einer Nachschulung und die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens aufgetragen und ausgesprochen, dass die Entziehungsdauer nur bei Befolgung dieser Anordnungen ende.

Die verkehrspsychologische Untersuchung des Beschwerdeführers am 14. September 1999 und das daran anschließende Gutachten des Amtsarztes vom 18. Oktober 1999 ergaben, dass der Beschwerdeführer damals zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nicht geeignet gewesen sei.

Am 2. Oktober 2000 unterzog sich der Beschwerdeführer neuerlich einer verkehrspsychologischen Untersuchung. Nach der darüber erstatteten Stellungnahme vom 5. Oktober 2000 sei der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Untersuchung aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheinklasse B nicht geeignet gewesen. Auf dieser Stellungnahme aufbauend gelangte der amtsärztliche Sachverständige in seinem Gutachten vom 11. Oktober 2000 zum selben Ergebnis.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. Februar 2001 wies die belangte Behörde - gestützt auf die genannten Untersuchungsergebnisse vom Oktober 2000 - den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederausfolgung des Führerscheins ab. Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit dem zitierten Erkenntnis, Zl. 2001/11/0102, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf und begründete seine Entscheidung mit näher genannten Begründungsmängeln, mit denen die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 5. Oktober 2000 und das darauf aufbauende amtsärztliche Gutachten behaftet seien. Diese Beweisergebnisse bildeten daher für die belangte Behörde noch keine taugliche Entscheidungsgrundlage.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 25. März 2003 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederausfolgung seines Führerscheins neuerlich im Instanzenzug abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, sie habe den Beschwerdeführer, weil dessen letzte Untersuchung schon aus dem Jahr 2000 stamme, mit Schreiben vom 23. September 2002 aufgefordert, sich neuerlich einer verkehrspsychologischen Untersuchung zu unterziehen. Dieser Aufforderung sei der Beschwerdeführer, obwohl er auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen worden sei, nicht nachgekommen. Da aber die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 17 Abs. 1 Z. 2 FSG-GV (iVm § 8 Abs. 2 FSG) eine Voraussetzung für das vom Beschwerdeführer vorzulegende amtsärztliche Gutachten, das gemäß § 8 Abs. 1 FSG im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde nicht älter als ein Jahr sein dürfe, darstelle, fehle es beim Beschwerdeführer - so die belangte Behörde nach Zitierung des § 28 FSG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 81/2002 - an der Voraussetzung für die Wiederausfolgung des Führerscheins.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Zunächst ist zur sachlichen Zuständigkeit der belangten Behörde festzuhalten, dass das gegenständliche Verfahren zum gemäß § 43 Abs. 11 letzter Satz FSG maßgebenden Zeitpunkt, nämlich am 1. August 2002 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2006, Zl. 2003/11/0025, mwN), bereits anhängig war.

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde zusammengefasst vor, die belangte Behörde hätte in Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis, Zl. 2001/11/0102, zunächst die Behebung der Begründungsmängel der verkehrspsychologischen Stellungnahme bzw. des amtsärztlichen Gutachtens veranlassen müssen, weil sich danach ergeben hätte, dass die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers schon bei der letzten amtsärztlichen Untersuchung im Oktober 2000 vorgelegen gewesen sei. Für die Wiederausfolgung des Führerscheins des Beschwerdeführers genüge nämlich, dass dieser die Wiederherstellung der gesundheitlichen Eignung - einmal - nachgewiesen habe. Nur wenn die Sachverständigen auch nach Ergänzung ihrer Stellungnahme bzw. des Gutachtens zum Ergebnis gelangt wären, dass der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht geeignet sei, wäre dieser verpflichtet gewesen, sich neuerlich einer verkehrspsychologischen Untersuchung zu unterziehen.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend.

Durch den auf § 26 Abs. 8 FSG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 81/2002 gestützten Ausspruch des Bescheides vom 15. Juni 1999 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers u. a. bis zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens entzogen. Wie erwähnt vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, er habe der Anordnung gemäß § 26 Abs. 8 leg. cit. bereits durch die verkehrspsychologische Untersuchung vom 2. Oktober 2000 und durch das darauf aufbauende amtsärztliche Gutachten vom 11. Oktober 2000 entsprochen. Fehlerhaft seien nach dem zitierten Erkenntnis, Zl. 2001/11/0102, das amtsärztliche Gutachten bzw. die diesem zugrunde liegende verkehrspsychologische Stellungnahme gewesen, die, hätte deren Begründung den in diesem Erkenntnis genannten Anforderungen entsprochen, das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers bestätigt hätten. Dem gegenüber geht die belangte Behörde offenbar davon aus, es komme für die Wiederausfolgung des Führerscheins nicht auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in der Vergangenheit an, sondern auf das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, hat sie doch eine nochmalige verkehrspsychologische Untersuchung des Beschwerdeführers und ein amtsärztliches Gutachten, das nicht älter als ein Jahr sein dürfe, für notwendig erachtet. Diese Auffassung hat die belangte Behörde auf die im angefochtenen Bescheid zitierte Bestimmung des § 28 FSG in der Fassung vor der 5. Führerscheingesetz - Novelle, BGBl. I Nr. 81/2002, gestützt, die wie folgt lautete:

"Ablauf der Entziehungsdauer

§ 28. (1) Der Führerschein ist nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn die gemäß Abs. 2 angeordneten Nachweise erbracht wurden, keine Gründe für eine Entziehung mehr gegeben sind und die Entziehungsdauer kürzer als 18 Monate war.

(2) ..."

Die Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte bereits nach dem Inkrafttreten der 5. Führerscheingesetz - Novelle, BGBl. I Nr. 81/2002, am 1. Oktober 2002 (§ 43 Abs. 12 FSG). Die belangte Behörde hat daher übersehen, dass sie im Beschwerdefall (mangels anders lautender Übergangsbestimmung) § 28 FSG in der Fassung der genannten Novelle anzuwenden hatte.

§ 28 FSG in der hier maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. I

Nr. 81/2002 lautet:

"Ablauf der Entziehungsdauer

§ 28. (1) Der Führerschein ist nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn

1.

die Entziehungsdauer nicht länger als 18 Monate war und

2.

keine weitere Entziehung der Lenkberechtigung angeordnet wird.

(2) Vor Wiederausfolgung des Führerscheines ist das Lenken von Kraftfahrzeugen unzulässig."

Die Gesetzesmaterialien (1033 BlgNR XXI. GP, 31) führen zu

dieser Novelle Folgendes aus:

"Zu Abs. 1:

Hier werden die Voraussetzungen für die Wiederausfolgung des Führerscheines neu, klarer und übersichtlicher dargestellt. Z 1 wird den nunmehrigen Änderungen im Zusammenhang mit § 27 Abs. 1 Z 1 angepasst und in Z 2 wird die Wendung "keine Gründe für eine Entziehung mehr gegeben sind" durch die klarere Wortfolge der Z 2 ersetzt. Insbesondere soll durch diese Formulierung klargestellt werden, dass die Einbehaltung des Führerscheines nach Ablauf der Entziehungsdauer aus Gründen mangelnder gesundheitlicher Eignung unzulässig ist, sofern dies nicht bescheidmäßig festgehalten wird."

Zunächst ist, was die in § 28 Abs. 1 Z 1 FSG normierte Voraussetzung für die Wiederausfolgung des Führerscheines, nämlich die nicht länger als 18 Monate dauernde Entziehungszeit, betrifft, festzuhalten, dass diese Tatbestandsvoraussetzung im Beschwerdefall erfüllt ist. Die im Mandatsbescheid vom 15. Juni 1999 für die Beendigung der Entziehung der Lenkberechtigung angeordnete Nachschulung hat der Beschwerdeführer nach der Aktenlage bereits im September 1999 absolviert, das im zuletzt genannten Bescheid geforderte amtsärztliche Gutachten stammt vom 18. Oktober 1999.

Was die weitere Voraussetzung für die Ausfolgung des Führerscheines anbelangt, so hat die 5. Führerscheingesetz - Novelle eine wesentliche Änderung der Rechtslage bewirkt:

Während die Ausfolgung des Führerscheines gemäß § 28 Abs. 1 FSG in der Fassung vor der 5. Führerscheingesetz - Novelle schon zu unterbleiben hatte, wenn Gründe für eine (weitere) Entziehung der Lenkberechtigung (bloß) gegeben waren - einen solchen Grund, nämlich das Fehlen der gesundheitlichen Eignung, hatte die belangte Behörde in dem mit dem zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 2001/11/0102, wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehobenen Bescheid angenommen -, setzt das Einbehalten des entzogenen Führerscheines seit dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 81/2002 gemäß § 28 Abs. 1 Z 2 FSG  voraus, dass die weitere Entziehung der Lenkberechtigung mit Bescheid angeordnet wird. Ein solcher Bescheid ist nach der Aktenlage nicht erlassen worden.

Da die belangte Behörde somit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verweigerung der Ausfolgung des Führerscheines verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Juni 2006

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003110162.X00

Im RIS seit

19.07.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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