Index
E2D Assoziierung Türkei;Norm
ARB1/80 Art7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der 1.) A und
2.) H, beide in Bludenz, beide vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 11. Juni 2004, Zl. Fr-4250b-17/04, betreffend Feststellung einer Aufenthaltsberechtigung und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerinnen nicht die Voraussetzungen gemäß Art. 6 und 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei erfüllten und sich daher unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhielten, und wies den "auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung" gemäß § 10 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gerichteten Antrag der Beschwerdeführerinnen zurück.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass die Beschwerdeführerinnen, türkische Staatsangehörige, die Ehefrau bzw. Tochter des in Österreich lebenden türkischen Staatsangehörigen X. seien. Sie seien mit einem Reisevisum "C", das vom 22. Juni bis 15. September 2003 gültig gewesen sei, in das Bundesgebiet eingereist und hätten hier - neben einem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - eventual die im Spruch genannten Anträge gestellt. Die sichtvermerkspflichtigen Fremden verfügten über keinen gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitel. Sie seien "nach Ablauf ihres Reisevisums" am 15. September 2003 im österreichischen Bundesgebiet verblieben. Ihre Primäranträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung seien mit Bescheiden des BM für Inneres vom 10. Mai 2004 rechtskräftig abgewiesen worden.
Der Ansicht der Beschwerdeführerinnen, ihr Ehegatte bzw. Vater, der türkische Staatsangehörige X., sei im Sinn des Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80-ARB als assoziationsintegriert anzusehen, sodass ihnen auf Grund des genannten ARB auch ein Aufenthaltsrecht zustünde, könne nicht gefolgt werden: Der ARB regle nicht den Familiennachzug, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familienangehörigen, die auf Grund anderer Rechtsgrundlagen der Mitgliedstaaten die Genehmigung erhalten haben, zu einem türkischen Arbeitnehmer zuzuziehen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) habe auch in seiner jüngsten Rechtsprechung keinen Zweifel daran gelassen, dass beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Mitgliedstaaten nach wie vor befugt seien, sowohl die Vorschriften über die Einreise der Familienangehörigen türkischer (gemäß Art. 6 ARB 1/80 berechtigter) Arbeitnehmer in ihr Hoheitsgebiet zu erlassen, als auch die Bedingungen ihres Aufenthaltes während der ersten drei Jahre zu regeln. Da die Beschwerdeführerinnen lediglich ein Reisevisum für einen kurzfristigen Besuch und keine Genehmigung zum Zuzug nach Österreich erhalten haben, könnten sie insbesondere aus Art. 7 des ARB kein Aufenthaltsrecht für sich ableiten. Freizügigkeit nach Gemeinschaftsrecht würden die Fremden auch nicht genießen, weil ihr Heimatstaat, die Türkei, nicht Mitglied der Europäischen Union sei. Ihr Aufenthalt sei daher mit dem Ablauf ihres Reisevisums am 15. September 2003 als unrechtmäßig anzusehen.
Eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG aus humanitären Gründen könne "von Amts wegen" erteilt werden, ein Antrag einer Partei sei nicht zulässig und lediglich als Anregung zu werten. Der dennoch gestellte Antrag sei somit zurückzuweisen. Zudem habe das BM für Inneres in seinen Bescheiden vom 10. Mai 2004 festgestellt, dass keine ausreichenden Gründe im Sinn der genannten Gesetzesstelle vorliegen.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 1. März 2005, B 1035/04-7, ablehnte und die Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 7. Juni 2005 dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
Über die von den Beschwerdeführerinnen ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerinnen erachten sich in ihren "einfachgesetzlichen Rechten" auf Entscheidung durch die zuständige Behörde, Feststellung der Aufenthaltsberechtigung, Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK, Beachtung ihres assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts, ordnungsgemäße Verfahrensführung und ordnungsgemäße Bescheidbegründung verletzt.
Sie machen - auf das Wesentlichste zusammengefasst - geltend, sie seien allein deshalb nach Österreich gekommen, weil ihr Ehemann bzw. Vater seit 15 Jahren ununterbrochen in Österreich lebe und arbeite. Eine Rückkehr in die Türkei sei ihm auf Grund der erreichten Vollintegration in Österreich nicht zumutbar. Die Ankerperson sei unbestritten assoziationsintegriert, sodass sie ihren assoziationsrechtlichen Anspruch auf Familienzusammenführung geltend machten. Ihr Verstoß gegen das reine Formalkriterium der Auslandsantragstellung könne niemals zum gänzlichen Verlust "des Aufenthaltsrechts aus Assoziationsrecht" führen.
Ein Rechtsanspruch nach § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG auf Erteilung einer quotenfreien Erstniederlassungsbewilligung bei zulässiger Inlandsantragstellung bestehe, wenn das Privat- oder Familienleben nach Art. 8 EMRK eine Familienzusammenführung gebiete. Da ihr Ehemann bzw. Vater, ein assoziationsintegrierter und aufenthaltsverfestigter türkischer Staatsangehöriger, im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsbewilligung und eines Befreiungsscheines sei, sei er nach nationalem Fremdenrecht dauerhaft aufenthaltsverfestigt und nach Art. 6 dritter Fall ARB unbeschränkt assoziationsintegriert. Den Beschwerdeführerinnen komme damit ein von der behördlichen Erteilung unabhängiges Aufenthaltsrecht zu. Der "Ort der Familieneinheit" liege klar in Österreich. Der Ehemann bzw. Vater lebe seit mehr als 15 Jahren in diesem Staat, sei seither ununterbrochen beschäftigt und daher "voll aufenthaltsverfestigt und integriert". Eine Ausreise sei ihm und damit den Beschwerdeführerinnen nach den Kriterien des Art. 8 EMRK unzumutbar.
Über ihre Ansprüche wäre von einer unabhängigen Stelle, die nicht "nur ein rudimentäres schriftliches Verfahren führt", und mit aufschiebender Wirkung einer Beschwerde zu entscheiden gewesen.
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Die in der Beschwerde vorgetragene Argumentation wurde der Sache nach bereits mit den hg. Erkenntnissen vom 22. Februar 2005, Zl. 2004/21/0178 (betreffend die Ausweisung der Beschwerdeführerinnen), und vom 15. März 2005, Zlen. 2005/21/0007 und 0008 (betreffend die von den Beschwerdeführerinnen beantragte Niederlassungsbewilligung), beantwortet. Zunächst sei daher gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse verwiesen. Im Übrigen ist Folgendes festzuhalten:
Ein Antrag auf Feststellung eines Aufenthaltsrechtes nach dem ARB (wie einleitend dargestellt) ist zwar unzulässig und wäre somit zurückzuweisen gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2003, Zl. 99/21/0263). Durch die Abweisung ihres Antrages sind die Beschwerdeführerinnen jedoch, zumal der Verwaltungsgerichtshof ihre Ausweisung bereits im Erkenntnis vom 22. Februar 2005, Zl. 2004/21/0178, als zulässig erachtet hat, nicht in dem in der Beschwerde (in diesem Zusammenhang) geltend gemachten Recht auf "Feststellung der Aufenthaltsberechtigung" beeinträchtigt.
Der Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ohne Berücksichtigung von Quoten aus humanitären Gründen im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003, G 119/03 = VfSlg. 17.013) wurde bereits im Erkenntnis vom 15. März 2005, Zlen. 2005/21/0007 und 0008, inhaltlich geprüft und dessen Vorliegen verneint.
Eine im Inland beantragte Niederlassungsbewilligung, die keiner Quotenpflicht unterliegt, hat gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 iVm § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG insoweit dieselben Voraussetzungen wie eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG, als in dieser Gesetzesstelle genannte humanitäre Gründe vorliegen müssen. Da die Beschwerdeführerinnen solche "humanitären Gründe" nicht mit Erfolg geltend machen können (vgl. näher das zitierte Erkenntnis Zlen. 2005/21/0007, 0008), wurden sie durch die Zurückweisung ihres Antrages "auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung" nicht in Rechten verletzt.
Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerdeschrift erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 22. Juni 2006
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005210115.X00Im RIS seit
15.08.2006Zuletzt aktualisiert am
07.12.2011