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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BDG 1979 §243 Abs6 idF 1997/I/061;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des B in K, vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1A, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 25. Juni 2001, Zl. 107/32-DOK/00, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Nach mehrfachen Rechtsgängen (infolge der wiederholten Behebung erstinstanzlicher Disziplinarerkenntnisse gemäß § 66 Abs. 2 AVG durch die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt) wurde der Beschwerdeführer zuletzt mit dem Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 9. Mai 2000 für schuldig erkannt, nachstehende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:
"1) Am 4.11.1994 die Weisung seines Vorgesetzten, um 14.00 Uhr in M, anlässlich eines Begräbnisses eine Verkehrsregelung durchzuführen, nicht befolgt zu haben.
2) Am 4.11.1994 gegen 14.45 Uhr das Dienstkraftfahrzeug BG 2.180 dem AbtInsp S der Greko P überlassen zu haben, obwohl Dienstkraftfahrzeuge ausschließlich von hiezu berechtigten Kraftfahrern gelenkt werden dürfen und AbtInsp S nicht zum berechtigten Personenkreis gehörte.
3) Am 4.11.1994, nach 15.30 Uhr das Dienstkraftfahrzeug BG ... in einem offensichtlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand auf einer nichtöffentlichen Straße etwa 30 m in die Dienstgarage gelenkt zu haben.
4) Am 4.11.1994 gegen 16.00 Uhr, auf dem GP K seinen Vorgesetzten, den damaligen Postenkommandanten des GP K, KontrInsp A, mit den Worten 'Arschloch' und 'fester Spreitzer' beschimpft zu haben.
5) Vom 27.01.1995 bis 30.05.1995 unberechtigt und auf Kosten der Republik vom Gendarmerieposten K aus insgesamt 53 Privattelefonate in die USA geführt, diese nicht weisungsgemäß vorgemerkt und auch nicht bezahlt zu haben."
Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen die Bestimmungen der §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) sowie gegen § 12 der damals geltenden KFZ-Vorschrift für die österreichische Bundesgendarmerie verstoßen und im Sinne des § 91 BDG 1979 schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt; über ihn wurde gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z 3 leg. cit. die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von ATS 25.000,-- verhängt und ihm der Ersatz von Verfahrenskosten in Höhe von ATS 14.240,60 auferlegt. Hingegen wurde der Beschwerdeführer von der Anschuldigung "zum Punkt 3) des Verhandlungsbeschlusses vom 24.01.1995, ONr 31/13-DK/47/94," freigesprochen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 2001 hat die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das genannte Disziplinarerkenntnis (vom 9. Mai 2000) wie folgt zu Recht erkannt:
"1. Der Berufung des Beschuldigten wird insoferne Folge gegeben, als das angefochtene Disziplinarerkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 105 BDG 1979 mit der Maßgabe abgeändert wird, dass über den Beschuldigten eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (das sind 1.090,09 EURO) verhängt wird.
2. Jener Spruchteil, mit dem die Erstinstanz dem Beschuldigten Verfahrenskosten in der Höhe von S 14.240,60 auferlegt hat, wird aufgehoben. Der Beschuldigte hat keine erstinstanzlichen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Dem Beschuldigten aufzuerlegende Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht erwachsen."
Über die - mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 31. März 2003, B 1163/01-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde, die der Beschwerdeführer mit einem Schriftsatz vom 27. Mai 2003 ergänzte, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde mit Schriftsatz vom 13. August 2003, in dem diese von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer geltend, das gegenständliche Disziplinarverfahren sei seit 1995 anhängig und habe mehr als acht Jahre gedauert. Es hätte die Bestimmung des § 94 BDG in der seit 1. Juli 1997 in Kraft gesetzten Fassung über die Strafbarkeitsverjährung angewendet und das Disziplinarverfahren daher eingestellt werden müssen.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die Bestimmung des § 94 Abs. 1a BDG 1979 in der Fassung der 1. BDG-Novelle 1997 (BGBl. I Nr. 61/1997) - wonach drei Jahre nach der an den beschuldigten Beamten erfolgten Zustellung der Entscheidung, gegen ihn ein Disziplinarverfahren durchzuführen, eine Disziplinarstrafe nicht mehr verhängt werden darf - tritt nach dem § 278 Abs. 25 Z 7 dieser Novelle mit 1. Juli 1997 in Kraft; sie ist nach der für das "Disziplinarrecht" vorgesehenen Regelung des § 243 Abs. 6 BDG 1979 auf das gegenständliche Disziplinarverfahren deshalb nicht anzuwenden, weil "auf die am 30. Juni 1997 anhängigen Disziplinarverfahren das BDG 1979 in der bis zum Ablauf dieses Tages geltenden Fassung weiter anzuwenden ist".
Da das vorliegende, den Beschwerdeführer betreffende Disziplinarverfahren - unbestrittenermaßen - am 30. Juni 1997 ein "anhängiges Disziplinarverfahren" war, ist nicht zweifelhaft, dass im Beschwerdefall das BDG 1979 in der Fassung vor der 1. BDG-Novelle 1997 weiter anzuwenden ist. Eine dem § 94a Abs. 1a BDG 1979 idF der 1. BDG-Novelle 1997 entsprechende Regelung der Strafbarkeitsverjährung enthielt das Gesetz vor dieser Novelle nicht. Die geltend gemachte Strafbarkeitsverjährung ist daher nicht eingetreten. Dass die Übergangsregelung des § 243 Abs. 6 BDG 1979 derart "auszulegen" bzw. die "Auslegung" geboten wäre, dass - wie der Beschwerdeführer dies meint - im offenen Widerspruch zum Wortlaut der Bestimmung auf die am 30. Juni 1997 anhängigen Disziplinarverfahren das BDG 1979 in der vor der Novelle geltenden Fassung nicht weiter anzuwenden wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu finden. Ein Redaktionsversehen beim Zustandekommen der Bestimmung des § 243 Abs. 6 BDG 1979 oder die Erlassung einer insoweit entbehrlichen Regelung ist weder offenkundig noch erkennbar.
Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, im Verlauf des gegenständlichen Disziplinarverfahrens seien (unter anderem auch) unangefochten gebliebene Freisprüche erfolgt. Er dürfe daher wegen der Sachverhalte, die diesen Freisprüchen zugrunde lägen, nicht (mehr) schuldig erkannt werden. In diesem Umfang sei die belangte Behörde nicht zuständig gewesen. Er führt konkret Freisprüche, die mit den erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnissen vom "11. November 1996, 12. Dezember 1997 sowie vom 9. Mai 2000" erfolgt seien, ins Treffen.
Insoweit der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt das (zuletzt ergangene) erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis vom 9. Mai 2000 heranzieht, ist ihm zu erwidern, dass der mit diesem Disziplinarerkenntnis erfolgte Freispruch (nämlich von der Anschuldigung 3) des Verhandlungsbeschlusses vom 24. Jänner 1995) durch den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid nicht im Sinne eines Schuldspruches abgeändert und auch nicht behoben wurde. Es trifft daher nicht zu, dass der Beschwerdeführer in diesem Umfang (und abweichend vom erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis vom 9. Mai 2000) disziplinär schuldig erkannt worden ist.
Das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis vom 12. Dezember 1997 enthält - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keinen Freispruch, sondern ausschließlich Schuldsprüche. Der Einwand des Beschwerdeführers erweist sich daher, soweit er sich auf dieses erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis bezieht, als unzutreffend.
Mit dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis vom 11. November 1996 wurde der Beschwerdeführer unter anderem "zu Anschuldigungspunkt 4) des Verhandlungsbeschlusses" freigesprochen. Der Begründung dieser Entscheidung ist zu entnehmen, dass dieser Freispruch sich auf die Anschuldigung des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses vom 24. Jänner 1995 bezieht, wonach der Beschwerdeführer beschuldigt wurde, er habe das Dienstkraftfahrzeug dem S zum Lenken überlassen, obwohl dieser nicht zum berechtigten Personenkreis gehört habe. Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer wegen dieses Sachverhaltes mit dem (zuletzt ergangenen) erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses vom 9. Mai 2000 einer Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt wurde (Schuldspruch 2 dieses Disziplinarerkenntnisses).
Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des nunmehr angefochtenen Bescheides der belangten Behörde (betreffend die Bestätigung dieses Schuldspruches) liegt aus folgenden Erwägungen nicht vor:
Das ins Treffen geführte erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis vom 11. November 1996 wurde mit dem Bescheid der Berufungsbehörde (Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt) vom 15. April 1997 gemäß § 66 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 105 BDG 1979 behoben und die Disziplinarsache zur Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen. Dieser Kassationsbescheid ist in Rechtskraft erwachsen; er wurde vom Beschwerdeführer vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht angefochten.
Nach Spruch und Begründung des Kassationsbescheides vom 15. April 1997 ging die Berufungsbehörde davon aus, dass das gesamte erstinstanzliche Verfahren wegen nicht erfolgter Beweiswiederholung bzw. wegen unterbliebener Beweisaufnahme mangelhaft gewesen und aus diesem Grund zu wiederholen bzw. ein Beweisverfahren aufzunehmen sei. Die Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG erfasste nicht bloß einen Teil der erstinstanzlichen Entscheidung, sondern das gesamte erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis vom 11. November 1996. Dem nach § 66 Abs. 2 AVG behebenden Berufungsbescheid (vom 15. April 1997) liegt eindeutig (und erkennbar) die Rechtsanschauung zugrunde, dass das gesamte erstinstanzliche Verfahren von dem genannten Verfahrensmangel betroffen war und deshalb neu durchzuführen ist. Demnach war das Beweisverfahren vor dem neu zusammengesetzten Senat aber unter anderem auch hinsichtlich des Sachverhaltes, der dem genannten Freispruch zugrunde lag, neu durchzuführen bzw. darüber ein Beweisverfahren aufzunehmen.
Die Behebung des gesamten erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses vom 11. November 1996 bzw. die mit dem Kassationsbescheid der Behörde erster Instanz überbundene Rechtsanschauung hätte der Beschwerdeführer vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts mit Beschwerde bekämpfen können und (um die Aufhebung auch des erstinstanzlichen Freispruches zu verhindern auch) müssen.
Da das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis vom 11. November 1996 zur Gänze aufgehoben und aus dem Rechtsbestand vollständig beseitigt wurde, war es nicht rechtswidrig, wenn der Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren (u.a. auch) im Umfang des Punktes 2) des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses vom 9. Mai 2000 einer Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt wurde.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. Juni 2006
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003090055.X00Im RIS seit
02.08.2006