TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/27 2005/06/0345

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2006
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/02 Strafvollzug;

Norm

StVG §20;
StVG §24 Abs3 Z3;
StVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des HA in K, vertreten durch Dr. Wolfgang Grohmann, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Gartenaugasse 1, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien vom 13. Mai 2005, Zl. 2 Vk 4/05, betreffend eine Angelegenheit nach dem Strafvollzugsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit in der Justizanstalt X eine Freiheitsstrafe. Am 6. Februar 2005 stellte der Beschwerdeführer ein Ansuchen zum Ankauf eines DVD-Filmes (Extrem Package) von einem bestimmten Unternehmen, zu bezahlen per Nachnahme aus seinem Hausgeld (es handelt sich dabei um einen Film mit pornografischem Inhalt). Diesem Ansuchen wurde mit der dem Anstaltsleiter zuzurechnenden Entscheidung vom 15. Februar 2005 nicht stattgegeben (auf dem Formblatt ist dazu handschriftlich vermerkt "'Porno' - s. Entscheidg. d. Vollzugskammer!"). Die Ablehnung wurde dem Beschwerdeführer am 18. Februar 2005 bekannt gegeben.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21. Februar 2005 Beschwerde an die belangte Behörde, in welcher er zusammengefasst geltend machte, der Inhalt der DVD sei nicht rechtswidrig, der Ankauf dieses Filmes gefährde die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht und stehe auch nicht den in § 20 StVG normierten Vollzugszwecken und Vollzugszielen entgegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Beschwerde nicht Folge gegeben. Zusammengefasst führte sie unter Hinweis auf § 24 Abs. 1 und 3 StVG aus, wenn auch grundsätzlich ein subjektives Recht auf Vergünstigung nach § 24 Abs. 3 Z 3 StVG bestehe, so verkenne aber der Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel, dass mit der Ablehnung des Ansuchens, einen Pornofilm ankaufen zu dürfen, ein subjektiv-öffentliches Recht schon deshalb nicht habe verletzt werden können, weil der in der Benutzung technischer Geräte bestehenden Vergünstigung der Anspruch, einen bestimmten Film (hier: mit pornografischem Inhalt) zu betrachten, nicht entnommen werden könne. Sei jedoch ein subjektives Recht, einen bestimmten Film anzusehen, zu verneinen, liege auch in der Untersagung des Ankaufes eines bestimmten Filmes keine Verletzung subjektiver Rechte vor.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Strafvollzugsgesetz (StVG), BGBl. Nr. 144/1969, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2004 anzuwenden.

Die §§ 20, 24 und 60 StVG lauten:

"Zwecke des Strafvollzuges

§ 20. (1) Der Vollzug der Freiheitsstrafen soll den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug soll außerdem den Unwert des der Verurteilung zu Grunde liegenden Verhaltens aufzeigen.

(2) Zur Erreichung dieser Zwecke und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen sind die Strafgefangenen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der darauf gegründeten Vorschriften von der Außenwelt abzuschließen, sonstigen Beschränkungen ihrer Lebensführung zu unterwerfen und erzieherisch zu beeinflussen.

(3) Wird eine Untersuchungshaft nur deshalb nicht verhängt oder aufrechterhalten, weil sich der Beschuldigte in Strafhaft befindet, so haben die im Vollzug der Freiheitsstrafen gegenüber dem Vollzug der Untersuchungshaft vorgesehenen Lockerungen in der Abschließung des Strafgefangenen von der Außenwelt so lange und in dem Ausmaß zu entfallen, als es der Zweck der Untersuchungshaft im Einzelfall erfordert."

"Vergünstigungen

§ 24. (1) Einem Strafgefangenen, der erkennen lässt, dass er an der Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges mitwirkt, sind auf sein Ansuchen geeignete Vergünstigungen zu gewähren.

(2) Als Vergünstigungen dürfen nur solche Abweichungen von der in diesem Bundesgesetz bestimmten allgemeinen Art des Strafvollzuges gestattet werden, die die Zwecke dieses Vollzuges (§ 20) nicht beeinträchtigen, insbesondere solche, die die Vorbereitung des Strafgefangenen auf ein straffreies Leben in Freiheit fördern.

(3) Über die Gewährung, Beschränkung und Entziehung von Vergünstigungen hat unbeschadet der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes über das Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten und bei Beschwerden der Anstaltsleiter zu entscheiden. Andere als die im Folgenden besonders angeführten Vergünstigungen dürfen nur mit Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz gewährt werden:

1.

Tragen eigener Oberbekleidung;

2.

Benutzung eigener Sportgeräte und -bekleidung;

3.

Benutzung eigener Fernseh- oder Radioapparate sowie sonstiger technischer Geräte;

4.

Musizieren auf eigenen Instrumenten;

5.

längere Beleuchtung des Haftraumes (§ 40 Abs. 3 letzter Satz).

(4) Soweit ein Strafgefangener die ihm gewährten Vergünstigungen missbraucht oder sonst die Voraussetzungen, unter denen sie gewährt worden sind, nachträglich wieder wegfallen, sind die Vergünstigungen zu beschränken oder zu entziehen."

"Eigene Bücher und Zeitschriften

§ 60. (1) Die Strafgefangenen dürfen sich zum Zwecke ihrer Fortbildung oder Unterhaltung auf eigene Kosten Bücher beschaffen und eine Zeitung oder Zeitschrift halten, soweit davon keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder des erzieherischen Zwecks der Strafe zu befürchten ist. Für die Beschaffung von Büchern, die ihrer Fortbildung dienen, dürfen Strafgefangene auch Gelder verwenden, die ihnen sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen.

(2) Zeitungen und Zeitschriften sind ausschließlich durch Vermittlung der Anstalt zu beziehen. Die Anstalt hat Einzelnummern oder Teile derselben, von denen eine Gefährdung der im Abs. 1 bezeichneten Art zu besorgen ist, zurückzuhalten oder in einer dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entsprechenden Weise unkenntlich zu machen. Zeitungen, die Strafgefangenen eingehändigt worden sind, sind ihnen wenigstens eine Woche hindurch zu belassen und sodann wieder abzunehmen; mit der Abnahme gehen sie in das Eigentum des Bundes über."

Im Beschwerdefall geht es um eine Vergünstigung im Sinne des § 24 Abs. 3 Z 3 StVG. Zwar ist eine DVD für sich allein nach allgemeinem Verständnis kein "technisches Gerät", wohl aber das natürliche Zubehör zum entsprechenden (technischen) Abspielgerät (wie etwa eine Schallplatte zu einem Plattenspieler), sodass auch im Beschwerdefall die genannte Bestimmung anwendbar ist.

Die Auffassung der belangten Behörde, einen Rechtsanspruch des Strafgefangenen auf eine der (hier) in § 24 Abs. 3 Z 3 StVG genannten Vergünstigungen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu bejahen (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 18. Februar 1999, Zl. 97/20/0742, und vom 21. Jänner 1999, Zl. 97/20/0076), aber ein subjektiv-öffentliches Recht des Strafgefangenen auf Anschaffung und Betrachten eines bestimmten DVD-Filmes generell zu verneinen, ist unzutreffend. Das würde nämlich zum unausgewogenen Ergebnis führen, dass der Strafgefangene bei Zutreffen der entsprechenden Voraussetzungen zwar einen Anspruch auf Anschaffung entsprechender technischer Geräte zur Betrachtung solcher Filme hätte, aber von vornherein keinerlei Anspruch auf Betrachten von Filmen seiner Wahl (womit die angeschafften Geräte entweder mangels entsprechender Filme nutzlos wären oder er - allenfalls - auf irgendwelche Filme angewiesen wäre, die ihm nach freier Auswahl der Anstaltsleitung zur Verfügung gestellt würden). Bejaht man einen Anspruch des Strafgefangenen auf Benutzung eines technischen Gerätes zum Betrachten von DVD-Filmen, kann vielmehr konsequenterweise ein Anspruch dieses Strafgefangenen auf Betrachten bestimmter Filme nach seiner Auswahl vorweg nicht generell verneint werden. Bei der konkreten Prüfung des Begehrens sind unter Beachten der in § 20 StVG umschriebenen Zwecke des Strafvollzuges sinngemäß insbesondere die in § 60 StVG normierten Grundsätze für die Anschaffung von eigenen Büchern und Zeitschriften anzuwenden (vgl. auch Drexler, Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, zu § 60 StVG).

Da die belangte Behörde dies verkannte und einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Betrachten bzw. Anschaffung einer DVD bestimmten Inhaltes vorweg ablehnte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer enthält (siehe dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 697 wiedergegebene hg. Judikatur).

Wien, am 27. Juni 2006

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005060345.X00

Im RIS seit

28.07.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten