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L10106 Stadtrecht Steiermark;Norm
AltstadterhaltungsG Graz 1980 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der R GmbH in W, vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH in Wien 1, Schubertring 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Jänner 2006, Zl. A9-60 A 3 -06/83, betreffend die Nichtigerklärung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:
1. Dr. MP, 2. Mag. HH, 3. Dipl.-Ing. VK, 4. FG, 5. MB, 6. Dr. US, alle in G, alle vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, Radetzkystraße 8, 7. Mag. MS in G,
8. Mag. Dipl.-Ing. IL in G, 9. Univ.-Prof. Dr. EL in G, 10. RE in G, 11. ED in G, 12. UX in G, 13. GF in G, 14. EV in G und
15. GW in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem undatierten, am 12. März 2004 (Datum der Eingangsstampiglie) bei der Baubehörde eingelangten Gesuch kam die Beschwerdeführerin um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 16 Wohneinheiten und einer Tiefgarage mit 27 Pkw-Stellplätzen auf einem Grundstück in X ein. In und rechtzeitig vor der mündlichen Bauverhandlung vom 3. November 2004 erhoben zahlreiche Personen Einwendungen gegen das Vorhaben.
Nach verschiedenen Verfahrensschritten erteilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz, soweit hier erheblich, mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 29. September 2005 die angestrebte Baubewilligung mit einer Reihe von Vorschreibungen.
Dagegen erhoben die mitbeteiligten Parteien Berufungen.
Bevor noch über die Berufungen entschieden worden war, hat die belangte Behöre mit dem angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid gemäß § 68 Abs. 4 AVG iVm § 7 Abs. 3 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes (GAEG) für nichtig erklärt, was zusammengefasst damit begründet wurde, dass das bewilligte Vorhaben dem Einfügungsgebot des § 6 GAEG widerspreche.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und hat die Übermittlung der gemeindebehördlichen Akten durch die Behörden der Stadt Graz veranlasst. Die erst- bis sechstmitbeteiligten Parteien haben eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Statut der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. Nr. 130, in der Fassung LGBl. Nr. 91/2002, anzuwenden.
Das 9. Hauptstück dieses Gesetzes regelt die Aufsicht des Landes und den Schutz der Selbstverwaltung.
Die §§ 107 und 110 leg. cit. lauten (der bezogene § 106 trifft nähere Bestimmungen zur Verordnungsprüfung und ist im Beschwerdefall nicht relevant):
"§ 107
Behebung von Bescheiden
(1) Ein rechtskräftiger Bescheid eines Organes der Stadt kann von der Aufsichtsbehörde nur aus den Gründen des § 68 Abs. 3 und 4 AVG. 1950 behoben werden.
(2) Nach Ablauf von 3 Jahren nach Erlassung eines Bescheides ist dessen Behebung aus den Gründen des § 68 Abs. 4 lit. a AVG. 1950 nicht mehr zulässig."
"§ 110
Parteistellung der Stadt
(1) Im aufsichtsbehördlichen Verfahren, ausgenommen in jenem nach § 106, kommt jedenfalls der Stadt, im Verfahren nach § 107 auch jenen Personen Parteistellung zu, die als Partei an dem vor der Stadt durchgeführten Verwaltungsverfahren beteiligt waren.
(2) Die Stadt ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132 B.-VG.) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144 B.-VG.) Beschwerde zu führen sowie nach § 106 Abs. 2 erlassene Verordnungen der Aufsichtsbehörde vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 139 Abs. 1 B.-VG.) anzufechten."
Nach § 6 Abs. 1 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1980 (kurz: GAEG), LGBl. Nr. 17 (das Gesetz in der Fassung LGBl. Nr. 71/2001), ist im Schutzgebiet beim Wiederaufbau abgebrochener Bauten sowie bei der Verbauung von Baulücken und sonst unverbauter Grundstücke den Bauten eine solche äußere Gestalt zu geben, dass diese sich dem Erscheinungsbild des betreffenden Stadtteiles einfügen.
Nach § 7 Abs. 3 GAEG sind Bescheide, die unter anderem den Bestimmungen des § 6 leg. cit. widersprechen, mit Nichtigkeit (§ 64 Abs. 4 Z 4 AVG) bedroht.
Nach § 107 Abs. 1 des Statutes der Landeshauptstadt Graz können nur rechtskräftige Bescheide behoben werden. Die Beschwerdeführerin macht unter anderem (unbestritten) geltend, dass der erstinstanzliche, als nichtig aufgehobene Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Diese Beurteilung ist nach der Aktenlage zutreffend. Damit lagen (schon deshalb) die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 des Statutes der Landeshauptstadt Graz nicht vor, weshalb der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war (siehe dazu im Übrigen - Erfordernis der Rechtskraft - das hg. Erkenntnis vom 24. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0214, zur vergleichbaren Rechtslage gemäß § 103 Abs. 1 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1990, mit näheren Hinweisen auf Literatur und hg. Judikatur).
Bei diesem Ergebnis konnte von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. Juni 2006
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006060061.X00Im RIS seit
19.07.2006