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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2005/13/0067Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über den Antrag des Dr. KA in W, vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Auer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 71, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 29. September 2004, GZ. RV/0282/W02, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1992 bis 1994, sowie über die mit diesem Antrag verbundene nachgeholte Beschwerde, den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 29. September 2004 wird damit begründet, dass die rechtzeitig verfasste Verwaltungsgerichtshofbeschwerde versehentlich nicht in die Postausgangsmappe, sondern in die daneben liegende Ablagemappe gelegt worden sei. Die Mappen würden sich nur durch die Aufschrift unterscheiden und seien beide schwarz. Durch dieses Versehen der ansonsten äußerst gewissenhaften Renata B. seien zwar sämtliche für den 17. November 2004 als Fristensachen aufzugebende Schriftstücke zur Post gebracht worden, die verfahrensgegenständliche Beschwerde jedoch in der Kanzlei zurück geblieben. In der Folge habe Mag. Christoph H. die Beschwerdeschriftsätze in der Annahme, dass es sich bei den Exemplaren um jene für den Akt bzw. für den Klienten handelt, am 23. November 2004 in den Ordner betreffend "Verwaltungsgerichtshofbeschwerde - Dr. Klaus A." abgelegt.
Dieser Irrtum sei am 28. April 2005 durch einen Anruf "vom Verwaltungsgerichtshof" aufgedeckt worden. Dem Anruf sei eine Eingabe des vertretungsbefugten Wirtschaftstreuhänders an den Verwaltungsgerichtshof vorausgegangen, mit welcher er die Beilage Nr. 9 "Niederschrift der UFS-Verhandlung vom 21.09.2004" in Ergänzung zur (vermeintlich eingebrachten) Beschwerde übermittelt habe, weil in einer Besprechung mit dem Beschwerdeführer festgestellt worden sei, dass die erwähnte Beilage unvollständig - nämlich nur mit den ungeraden Seiten - in die Beschwerde eingebunden worden sei.
Durch "die hohe Organisation des Unternehmens aufgrund der Organisationshandbücher sowie der ISO-Zertifizierung" werde die Fristenwahrung und die ordnungsgemäße Durchführung des Postausganges samt Stellvertreterregelung zu einer entschuldbaren Fehlleistung mit minderem Grad des Versehens der Mitarbeitern, da
"a) die Abwesenheit des beeideten Wirtschaftsprüfers Mag. Erich S., des ausfertigenden Steuerberaters Mag. Christoph H. am 17. November 2005 sowie
b) die kurzfristige Abwesenheit der mit dem Postausgang betrauten Mitarbeitern Aylin Ö. und der Nichtbekanntgabe des Abfertigungstermins an die mit der Fertigstellung der VwGH-Beschwerde betroffenen Renata B. sowie die Nichtweitergabe des Abfertigungstermins an den Stellvertreter
unvorhersehbar ein Zusammentreffen unglücklichster Umstände darstellt, die organisatorisch nicht mehr regelbar sind."
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein dem Vertreter der Partei widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt hat (siehe die hg. Beschlüsse vom 15. Juni 2005, 2005/13/0043, vom 26. Februar 2004, 2003/15/0145, und vom 27. Februar 2001, 2001/13/0024 und 0025). Fehlleistungen von Mitarbeitern stellen für den Vertreter der Partei dann ein solches unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Parteienvertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Pflicht zur Überwachung seiner Mitarbeiter nachgekommen ist und durch geeignete Kontrollmechanismen dafür vorgesorgt hat, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen voraussichtlich rechtzeitig erkannt und deren Folgen vermieden werden können (siehe neben dem bereits zitierten Beschluss vom 26. Februar 2004, 2003/15/0145, etwa auch den hg. Beschluss vom 30. Oktober 2003, 2003/15/0042, sowie das zur gleich gestalteten Bestimmung des § 308 Abs. 1 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, 2002/15/0109).
Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden eines Kanzleibediensteten stützt, hat somit schon im Antrag darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft.
Zum Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag fällt zunächst auf, dass darin zwar von "einem Zusammentreffen unglücklichster Umstände" durch die kurzfristige Abwesenheit verschiedener in der Kanzlei tätigen Personen und der "Nichtbekanntgabe des Abfertigungstermins" an die mit der Fertigstellung der Beschwerde vertretungsweise befasste Kanzleikraft Renata B. die Rede ist, zugleich als Wiedereinsetzungsgrund aber nicht die fehlende Kenntnis der Renata B. vom Abfertigungstermin, sondern das ihr unterlaufene Versehen, die rechtzeitig fertiggestellte und gebundene Beschwerde in die falsche Mappe gelegt zu haben, geltend gemacht wird.
Davon abgesehen zeigt der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag ungeachtet der ihm beigefügten Ablichtungen aus Organisationshandbüchern in keiner Weise auf, dass in der Kanzlei des Beschwerdevertreters Kontrollen, ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich zur Post gegeben und versendet werden - etwa an Hand der Postaufgabescheine rekommandierter Sendungen - vorgenommen werden. Das weitere Vorbringen, der Beschwerdevertreter habe am 28. April 2005 (somit erst Monate nach Ablauf der Beschwerdefrist) anlässlich einer (vermeintlichen) Beschwerdeergänzung durch einen Anruf eines Bediensteten des Verwaltungsgerichtshofes von der nicht erfolgten Beschwerdeeinbringung Kenntnis erlangt, lässt darauf schließen, dass derartige Kontrollmechanismen nicht bestehen.
Dazu kommt, dass der Hinweis auf die Ähnlichkeit von Postausgangsmappe und "daneben liegender Ablagemappe" wohl geeignet sein mag, die "äußerst gewissenhaft, verlässlich und bisher fehlerfrei arbeitende" Angestellte Renata B. zu entlasten, zugleich jedoch das Fehlen einer Kanzleiorganisation aufzeigt, die sicherstellt, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach ausgeschlossen sind.
Damit lag aber im Ergebnis eine dem Beschwerdevertreter zuzurechnende Verletzung der ihm obliegenden Sorgfalt vor, die über einen minderen Grad des Versehens hinausging. Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher ein Erfolg zu versagen.
Bei diesem Ergebnis war auch die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 28. Juni 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005130066.X00Im RIS seit
23.11.2006Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009