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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AlVG 1977 §46;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Manfred Macher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wohllebengasse 16, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 22. Dezember 2004, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2004-6271, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer stellte mit dem am 27. Oktober 2004 ausgegebenen Formular einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe. Dem Antragsformular beigeschlossen ist eine Arbeitsbescheinigung, nach welcher der Beschwerdeführer vom 19. August bis zum 10. September 2004 arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Vor dem 19. August 2004 stand er im Bezug von Notstandshilfe. Ebenso angeschlossen sind dem Formular ein Ausdruck von EDV-Eintragungen, wobei der Ausdruck nicht erkennen lässt, ob er mit dem Beschwerdeführer im Zusammenhang steht, sowie ein Aktenvermerk, nach dem "Anlässlich der Vorsprache am 25.10.04 ... die Antragsausgabe nötig gewesen (wäre)" und daher "die GM mit 25.10.04 befürwortet werden (kann)".
Mit Bescheid vom 9. November 2004 stellte das Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse fest, dass dem Beschwerdeführer Notstandshilfe ab dem 25. Oktober 2004 gebühre. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seinen "Antrag auf Notstandshilfe erst am 25.10.2004 geltend gemacht" habe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe in der letzten Arbeitswoche im September 2004 mit einem Mitarbeiter der erstinstanzlichen Behörde gesprochen und dieser habe ihm versichert, dass der Bezug der Notstandshilfe ab dem Tag der Abmeldung von seinem Arbeitgeber weiterlaufe, sobald die Arbeitsbescheinigung vorliege. Aus diesem Grund habe er "um den 20.9.2004" die Arbeitsbescheinigung für den Zeitraum 20. August bis 10. September 2004 gebracht. Am 25. Oktober habe sein AMS-Berater dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass der Bezug der Notstandshilfe eingestellt und nicht wieder aktiviert worden sei. Es habe sich herausgestellt, dass die Gespräche des Beschwerdeführers mit dem Mitarbeiter der erstinstanzlichen Behörde "in der EDV nicht erfasst worden sind und (der Mitarbeiter) auch vergessen hatte, die Arbeitsbescheinigung mit einem Eingangsstempel zu versehen." Der Mitarbeiter habe ihm am 25. November 2004 mitgeteilt, dass er sich an die Gespräche mit dem Beschwerdeführer nicht mehr genau erinnern könne und offenbar vergessen habe, die Arbeitsbescheinigung mit einem Stempel zu versehen.
In einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 16. Dezember 2004 ist - offenbar aufgrund einer telefonischen Befragung - festgehalten, dass der für den Beschwerdeführer zuständige Berater angegeben habe, sich nicht mehr daran erinnern zu können, ob der Beschwerdeführer bereits vor dem 25. Oktober 2004 bei der erstinstanzlichen Behörde gewesen sei.
Aufzeichnungen darüber gebe es keine.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der
Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.
In der Begründung gab sie den Gang des Verwaltungsverfahrens
wieder und traf folgende Feststellungen:
"Sie waren vom 19.08.2004 bis zum 10.09.2004 bei der Firma P.
arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt.
Sie meldeten sich am 25.10.2004 persönlich in der Infozone
des Arbeitsmarktservice und gaben die von der Firma ausgestellte originale Arbeitsbescheinigung ab. Am 27.10.2004 wurde Ihnen der Antrag ausgestellt.
Da die Antragsausgabe am 25.10.2004 verabsäumt wurde, wurde Ihnen die Leistung trotz der Antragsausfolgung am 27.10.2004 bereits mit 25.10.2004 zuerkannt.
Eine persönliche Meldung bzw. eine Abgabe der Arbeitsbescheinigung vor diesem Zeitpunkt geht aus den internen Aufzeichnungen des Arbeitsmarktservice nicht hervor."
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die Feststellungen "gründen sich auf den Akteninhalt, die chronologisch geführten Aufzeichnungen des Arbeitsmarktservice und ihre eigenen Angaben." Eine Meldung vor dem 25. Oktober 2004 könne nicht nachvollzogen werden. Dies erscheine "recht unwahrscheinlich", weil einerseits trotz Verpflichtung jedes Mitarbeiters zur Dokumentation des Eingangs eines Schriftstückes keine Aufzeichnungen vorhanden seien und andererseits im Zuge der Vorsprache des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2004 ein Original der Arbeitsbescheinigung abgegeben worden sei. Dieses habe daher nicht vorher abgegeben werden können. Die Leistung könne daher erst ab dem Tag der Antragstellung gewährt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die auf Basis der getroffenen Feststellungen vorgenommene rechtliche Beurteilung der belangten Behörde.
Als Verfahrensmangel macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe jenen Mitarbeiter der erstinstanzlichen Behörde, dem der Beschwerdeführer am 20. September 2004 die Arbeitsbescheinigung übergeben haben soll, nicht einvernommen. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels ergibt sich aus dem Umstand, dass ein solcher Kontakt allenfalls einen Anspruch auf Notstandshilfe vor dem Tag der tatsächlichen Zuerkennung hätte begründen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2002, Zl. 2002/08/0041),
Der Verfahrensmangel liegt aber nicht vor, weil die belangte Behörde diesen Mitarbeiter - dem oben wiedergegebenen Aktenvermerk vom 16. Dezember 2004 folgend - befragt und damit ihrer Ermittlungspflicht Genüge getan hat. Zur "Gegenüberstellung" mit dem Beschwerdeführer bestand im Hinblick auf die nicht widersprüchlichen Aussagen kein Anlass.
Offenbar eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde behauptend bringt der Beschwerdeführer vor, die "äußerst vage Aussage des Mitarbeiters des AMS" sei von der belangten Behörde für glaubwürdiger eingestuft worden, als die konkreten und nachvollziehbaren Behauptungen des Beschwerdeführers.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0071) nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d. h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2003/08/0233, mwN).
Vor diesem Hintergrund ist es nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde eine Meldung des Beschwerdeführers vor dem 25. Oktober 2004 verneint hat. Bei seiner Beweisrüge vernachlässigt der Beschwerdeführer nämlich das Argument der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe erst im Zuge seiner Vorsprache am 25. Oktober 2004 das Original der Arbeitsbescheinigung vorgelegt, weshalb er es davor nicht habe vorlegen können. Zu dieser Einschätzung äußert sich der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht. Die belangte Behörde hatte die maßgeblichen Beweisergebnisse vor Augen und hat zur Begründung ihrer Beurteilung das auch objektivierbare Argument der Vorlage der Arbeitsbescheinigung herangezogen, dem der Beschwerdeführer nichts entgegen gesetzt hat. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist daher schon deshalb nachvollziehbar und schlüssig.
Das Berufungsverfahren erweist sich daher als mängelfrei, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war aber aus folgenden Gründen nicht erforderlich:
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte z. B. darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. zu vergleichbaren Sachverhalten auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0072). Auch im gegenständlichen Fall ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt und es sind die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 28. Juni 2006
Schlagworte
Verhältnis Gericht - VerwaltungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005080028.X00Im RIS seit
10.08.2006