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10/10 Auskunftspflicht;Norm
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel, LL.M., über die Beschwerde der E K in W, vertreten durch Petsch, Frosch & Klein, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Eschenbachgasse 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. Februar 2002, Zl. RV/557-16/14/2001, betreffend Festsetzung von Mutwillensstrafen "zu den Anträgen auf Auskunft vom 29. Jänner 2001 zu (§ 17 UStG), vom 12. Feber 2001 (§ 11(14) UStG 1994) und vom 5. März 2001 (Abschn. 121 DE-UStG 1972)", zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin richtete am 29. Jänner 2001 eine Eingabe an das für sie zuständige Finanzamt mit folgendem Wortlaut:
"Ich stelle hiemit den Antrag auf Auskunft, ob die Abgabenbehörde § 17 (1) UStG 1994 anerkennt. Dieser Antrag ist berechtigt, da die Abgabenbehörde in mehreren Bescheiden offensichtlich mutwillig die falsche Rechtsmeinung vertritt, dass die Vorsteuer erst nach erbrachter Leistung geltend gemacht werden darf. Diese Rechtsmeinung steht aber im Widerspruch auch zu § 17 (1) UStG 1994."
Am 2. April 2001 stellte die Beschwerdeführerin zur Eingabe vom 29. Jänner 2001 einen "Antrag auf einen Bescheid", weil sie keine Auskunft erhalten habe.
Die Beschwerdeführerin richtete am 12. Februar 2001 eine weitere Eingabe an das Finanzamt mit folgendem Wortlaut:
"Ich stelle hiemit den Antrag auf Auskunft, ob die Behörde anerkennt § 11 (14) UStG 1994. Diese Auskunft ist deshalb wichtig und nicht mutwillig, da die Abgabenbehörde in mehreren Bescheiden die falsche Rechtsmeinung vertritt, dass die Vorsteuer nur nach erbrachter Leistung geltend gemacht werden kann, was im Widerspruch nicht nur zu § 11 (14) UStG 1994 steht. Wenn einerseits von der Fld. behauptet wird, dass die Behörde selbstverständlich alle Gesetze und Durchführungserlässe befolgen muss, andererseits aber behauptet, Erlässe nicht befolgen zu müssen und noch dazu § 11 (14) in einem Bescheid (GZ. RV/133-16- /14/2000, Seite 16, 10. Zeile von oben) falsch zitiert, dann ist mein Antrag auf Auskunft mehr als berechtigt. Im gegenständlichen Bescheid wird § 11 (14) falsch zitiert: Ein unberechtigter Steuerausweis gem. § 11 (14) liegt u.a. dann vor, wenn jemand in einer Rechnung eine Steuer ausweist, obwohl er keine Leistung erbracht hat. Das Gesetz lautet aber richtig: Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag. Daraus geht hervor, dass die Vorsteuer bei Rechnungslegung auch von (noch) nicht ganz erbrachten Leistungen geltend gemacht werden muss. Im gegenständlichen Bescheid wurde der Kommentar von Kolacny/Mayer ebenfalls falsch zitiert."
Am 13. April 2001 stellte die Beschwerdeführerin zu dieser Eingabe "gemäß § 4 AuskG. den Antrag auf einen Bescheid".
Die Beschwerdeführerin richtete am 5. März 2001 erneut eine Eingabe an das Finanzamt wie folgt:
"Ich stelle hiemit den Antrag auf Auskunft, ob die Abgabenbehörde Absch. 121 DE-UStG 1972 anerkennt. Aus nachfolgenden Gründen ist die gegenständliche Frage nicht mutwillig.
1.) Wenn die Abgabenbehörde immer betont, dass sie selbstverständlich alle Erlässe einhält, so steht diese Behauptung, wie ich jetzt bewiesen bekommen habe, im Widerspruch mit ihrer eigenen Behauptung. In der Gegenschrift gemäß § 36 VwGG, GZ. RG/024-16/09/98 wird von der Fld. auf Seite 3, 8. Zeile von oben nämlich behauptet: 'Dahingestellt kann bleiben, ob Abschnitt 121 DE-USt eine hievon abweichende Regelung trifft, da der weisungsfreie Berufungssenat an Erlässe nicht gebunden ist.'
2.) Um die eigene falsche Rechtsmeinung zu verteidigen, werden also immer wieder Gesetze falsch zitiert oder einfach ignoriert.
3.) Das unverständliche Verhalten der Behörde bewirkt eine mehr und mehr zunehmende Rechtsunsicherheit, die endlich beseitigt gehört, wenn es nicht anders geht, mit Hilfe des Verwaltungsgerichtshofes."
Auch dazu stellte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 8. Mai 2001 "gemäß § 4 AuskG. den Antrag auf einen Bescheid".
Den Anträgen auf Bescheiderlassung gab das Finanzamt mit Bescheiden jeweils vom 23. Mai 2001 keine Folge. Die Auskünfte würden offenbar mutwillig verlangt, sodass nach § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz die Auskunftserteilung zu unterbleiben habe.
Mit Bescheiden vom 25. Mai 2001 setzte das Finanzamt in Bezug auf die Anträge vom 29. Jänner 2001, 12. Februar 2001 und 5. März 2001 Mutwillensstrafen nach § 112a BAO in Höhe von jeweils 4.000 S fest. Die Anträge seien deshalb mutwillig, weil es keiner Auskunft darüber bedürfe, ob die Finanzbehörde geltende Rechtsvorschriften anerkenne.
Den gegen die Verhängung der Mutwillensstrafen erhobenen Berufungen gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge.
Die belangte Behörde hielt in der Begründung fest, dass die Beschwerdeführerin insgesamt acht Anträge auf Auskunft eingebracht habe, ob die Abgabenbehörde verschiedene Rechtsnormen und den Abschnitt 121 des Durchführungserlasses zum UStG 1972 anerkenne. In allen Fällen seien Mutwillensstrafen gemäß § 112a BAO "beginnend mit S 2.000 bis zu S 4.000 festgesetzt" worden. Die gegen die ersten fünf Mutwillensstrafen eingebrachten Berufungen seien mit der Berufungsentscheidung vom 25. Mai 2001, RV/246- 16/14/2001, als unbegründet abgewiesen worden (Anmerkung: Ein von der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof gestellter Antrag, ihr zur Beschwerdeerhebung gegen diesen Bescheid die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wurde mit dem Beschluss vom 27. Juli 2001, VH 2001/13/0020, 0021, abgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos erscheine).
Auskünfte seien nach § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtige. Sie seien nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt würden.
Zur offenbaren Mutwilligkeit der Auskunftsansuchen verwies die belangte Behörde zunächst auf ihre Ausführungen in der Berufungsentscheidung vom 21. Februar 2002, RV/505-16/14/2001, über die Abweisung der Berufungen gegen die Bescheide vom 23. Mai 2001, mit denen die Auskunftserteilung verweigert worden war. In dieser Berufungsentscheidung hatte die belangte Behörde u. a. ausgeführt, in Anbetracht des Art. 18 B-VG müsse es als mutwillig angesehen werden, von einer Abgabenbehörde als Verwaltungsbehörde des Bundes eine Auskunft darüber zu verlangen, ob sie in Österreich geltendes Recht anerkenne. Es sei nicht nachvollziehbar, welches Wissen die Beschwerdeführerin mit den Anträgen auf Auskunft tatsächlich "erlangen wollte oder erlangen hätte können". Die "Grund- und Aussichtslosigkeit, die Nutz- und Zwecklosigkeit der Anträge auf Auskunft ohne Darlegung des Sachverhaltes" sei der Beschwerdeführerin bewusst gewesen. Sowohl die Zahl der Anträge auf Auskunft als auch deren Formulierung ließen eindeutig erkennen, dass diese ausschließlich aus Freude an der Behelligung der Abgabenbehörde eingebracht würden. Es liege an der Beschwerdeführerin, die von ihr in den zahlreichen Auskunftsersuchen aufgeworfenen Rechtsfragen sachverhaltsbezogen im seit einem Jahr laufenden Betriebsprüfungsverfahren zu klären.
Die Beschwerdeführerin - so der angefochtene Bescheid weiter -
habe mit den gegenständlichen Auskunftsansuchen offenbar mutwillig wiederholt die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch genommen. Der Flut von aussichts- und zwecklosen Ansuchen um Auskunft in der vorliegenden Form sei auch durch Verhängung einer Mutwillensstrafe nach § 112a BAO Einhalt zu gebieten. Es liege im Ermessen der Abgabenbehörde, ob und in welcher Höhe eine Mutwillensstrafe verhängt werde. Bei der Ermessensentscheidung sei das öffentliche Interesse an der Abhaltung der Beschwerdeführerin von weiteren die Abgabenbehörde behelligenden Eingaben zu berücksichtigen. Berechtigte Interessen der Partei seien demgegenüber nicht erkennbar. Auch die Höhe der Mutwillensstrafen von je 4.000 S sei nicht zu beanstanden, sei "doch für das erste Auskunftsansuchen eine Mutwillensstrafe von S 2.000,- S festgesetzt und die Höhe der Mutwillensstrafe nur langsam angehoben" worden.
In ihrer Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, dass über sie keine Mutwillensstrafe gemäß § 112a BAO verhängt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 112a wurde mit dem Abgabenänderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 9/1998, in die BAO eingefügt. Als Vorbild diente § 35 AVG (vgl. Ritz, BAO3, § 112a, Tz 1). Nach dieser Bestimmung kann die Abgabenbehörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht der Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe innerhalb der dort angeführten Grenze verhängen.
Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt (vgl. Ritz, aaO, Tz 4, sowie Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO5, § 112a, E 11).
Der Begriff der offenbaren Mutwilligkeit eines Auskunftsbegehrens im Sinne des § 1 Abs. 2 letzter Satz Auskunftspflichtgesetz ist mit jenem der offenbaren Mutwilligkeit der Inanspruchnahme der Tätigkeit der Behörde im Sinne des § 112a BAO ident (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1991, 90/12/0214, SlgNr. 13388/A, und vom 23. März 1999, 97/19/0022, SlgNr. 15104/A, zur vergleichbaren Bestimmung des § 35 AVG). Im Übrigen ist aber die den Verkehr zwischen Abgabenbehörden, Parteien und sonstigen Personen betreffende Vorschrift des § 112a BAO über die Möglichkeit zur Verhängung von Mutwillensstrafen von den in § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz geregelten materiellen Voraussetzungen einer Auskunftserteilung zu unterscheiden. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung hindert demnach § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz nicht als "lex specialis" eine Anwendung des § 112a BAO (zur Verhängung einer Mutwillensstrafe auch in Bezug auf ein offenbar mutwillig gestelltes Auskunftsbegehren vgl. zudem das soeben erwähnte Erkenntnis SlgNr. 15104/A).
Im Bewusstsein der Zwecklosigkeit eines Begehrens, also mutwillig, handelt ein Antragsteller auch dann, wenn er mit den Mitteln des Auskunftspflichtgesetzes ausschließlich Zwecke verfolgt, deren Schutz das Auskunftspflichtgesetz nicht dient. Zu diesen nicht vom Auskunftspflichtgesetz geschützten Zwecken zählt insbesondere auch die Absicht, den Kenntnisstand von Behörden gleichsam "abzuprüfen", sowie Auskünfte über Rechtsansichten zu erlangen, die Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens sind, welches anhängig ist oder jederzeit über Initiative der Partei in Gang gesetzt werden könnte. Nur gesichertes Wissen - sei es im tatsächlichen, sei es im rechtlichen Bereich - kann Gegenstand einer Auskunft sein, nicht jedoch Umstände eines noch nicht abgeschlossenen Willensbildungsprozesses (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 13. September 1991, 90/18/0193, und vom 23. März 1999, SlgNr. 15104/A).
Im Beschwerdefall ist die Beurteilung der Behörde, wonach die Beschwerdeführerin offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch genommen hat, nicht zu beanstanden. Dafür spricht schon die Formulierung der Auskunftsverlangen, ob das Finanzamt gewisse Rechtsvorschriften "anerkenne", womit auch entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht nur eine Fragestellung in Richtung bloßer Befriedigung eines Auskunftsinteresses einer Unternehmerin zur Frage des Zeitpunktes der Vorsteuerabzugsberechtigung indiziert war. Aus den Begründungen der Auskunftsersuchen ist erkennbar, dass Motivation der Auskunftsverlangen offenbar eine in verschiedenen Verfahren von der Behörde vertretene Rechtsansicht war, die von der Beschwerdeführerin nicht geteilt wurde. Zur Durchsetzung von Rechtsansichten, die Gegenstand eines laufenden Verfahrens sind, dient das Auskunftspflichtgesetz aber ebenso wenig, wie es auch kein Mittel ist, um Unbehagen etwa an den Bescheiden der Finanzbehörden "abzureagieren" (vgl. nochmals das bereits zitierte hg. Erkenntnis 90/18/0193). Der Mutwille der Beschwerdeführerin ist auch offenbar, weil für jedermann, d.h. für jede auch nur einigermaßen mit der Sache vertraute Person (vgl. Ellinger u.a., aaO, E 12), leicht erkennbar ist, dass die von der Beschwerdeführerin formulierten Auskunftsbegehren nicht geeignet sind, in den Abgabenverfahren der Beschwerdeführerin andere rechtliche Beurteilungen irgendwelcher Art herbeizuführen. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass die Neigung der Beschwerdeführerin zur Geltendmachung von Erledigungsansprüchen, die die Arbeitskapazität der Abgabenbehörden in einer jede zielgerichtete Sacherledigung erschwerenden Weise absorbieren, auch notorisch ist (vgl. neben dem bereits zitierten Beschluss vom 27. Juli 2001, VH 2001/13/0020, 0021, den hg. Beschluss vom 24. November 2004, 2004/13/0064, 0065, 0066 und 0068, sowie das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 2006, 2005/13/0133).
Die Beschwerde, die zur Höhe der Mutwillensstrafen keine Ausführungen enthält, war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Juni 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2002130133.X00Im RIS seit
14.08.2006Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013