TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/28 2004/08/0174

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Veröffentlicht am 28.06.2006
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §15 ;
AlVG 1977 §15 Abs5;
AlVG 1977 §23;
AlVG 1977 §37;
B-VG Art7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Andreas Walter, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 9, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 11. Juni 2004, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2004-4164, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte mit einem am 1. April 2004 ausgegebenen Formular beim Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz einen mit 20. April 2004 datierten Antrag auf Gewährung eines Pensionsvorschusses. Er habe am 10. März 2003 bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension gestellt.

Nach der Aktenlage hat die Pensionsversicherungsanstalt den zuletzt genannten Antrag abgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien erhoben hat.

Mit Bescheid vom 20. April 2004 hat das Arbeitsmarktservice Wien den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Pensionsvorschusses mit der Begründung abgewiesen, die Frist zur Antragstellung habe am 31. Dezember 1998 geendet.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers, in der er in erster Linie auf seine finanzielle Situation hinwies, keine Folge gegeben.

In der Begründung ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

"Sie haben am 1.4.2004 einen Antrag auf Notstandshilfe als Vorschuss auf die zu erwartende Pension (Pensionsvorschuss) gestellt.

Sie bezogen zuletzt im Jahr 1995 Notstandshilfe. Ihr letzter Bezugstag war der 31.12.1995.

Vom 1.8.1996 bis 30.4.2000 waren sie als Hausbesorger beschäftigt.

Vom 13.8. bis 25.8.1996 standen sie in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis bei der Firma T. GmbH.

Vom 2.4. bis 15.7.1998 und vom 5.10. bis 31.12.1999 waren sie beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend vorgemerkt.

Mit Bescheiden des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 4.6.1998 und 10.11.1999 wurden bereits jeweils Anträge auf Notstandshilfe ihrerseits abgewiesen. Ihr Antrag vom 2.4.1998 wurde mit der Begründung abgewiesen, Sie hätten bereits einmal für die Dauer von 364 Tagen Notstandshilfe bezogen, der Antrag vom 5.10.1999 war mit der Begründung abgewiesen worden, sie hätten, nachdem ihr letzter Bezugstag der 31.12.1995 gewesen sei, die dreijährige Fortbezugsfrist versäumt.

Beide Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, Notstandshilfe als Vorschuss auf die zu erwartende Pension (Pensionsvorschuss) könne - für den Fall der Unterbrechung des Notstandshilfebezuges - nur innerhalb von drei Jahren ab dem letzten Bezugstag der Notstandshilfe weiter zuerkannt werden. Letztmals habe der Beschwerdeführer Notstandshilfe am 31. Dezember 1995 bezogen. In diese Dreijahresfrist dürften Zeiträume, in denen Arbeitslose durch eine rechts- bzw. verfassungswidrige Gesetzeslage praktisch an der Antragstellung gehindert gewesen seien, nicht eingerechnet werden. Nach bis 31. Juli 1999 in Kraft gewesenen Gesetzeslagen hätten Fremde - wie der Beschwerdeführer - für den Bezug von Notstandshilfe strengere Voraussetzungen zu erfüllen gehabt. Nach der - vom Verfassungsgerichtshof bereinigten - Rechtslage ab 1. August 1999 bestehe der Anspruch auf Notstandshilfe unabhängig von der Staatsangehörigkeit, sofern der Arbeitslose dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe und sich rechtmäßig in Österreich aufhalte. Die Dreijahresfrist, innerhalb der die Notstandshilfe nach Unterbrechung eines Notstandshilfebezuges geltend zu machen sei, habe daher auch für den Beschwerdeführer erst am 1. Juli 1999 (gemeint wohl: 1. August 1999) zu laufen begonnen und daher am 30. Juni 2002 (gemeint wohl: 31. Juli 2002) geendet. Der vorliegende Antrag sei allerdings erst am 1. April 2004 gestellt worden, weshalb er abzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 AlVG kann Arbeitslosen, die die Zuerkennung einer Leistung aus der gesetzlichen Pensions- oder Unfallversicherung beantragt haben, bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf diese Leistungen vorschussweise Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gewährt werden. Für die vorschussweise Gewährung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe ist nach § 23 Abs. 2 Z. 1 AlVG unter anderem erforderlich, dass abgesehen von der Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsbereitschaft gemäß § 7 Abs. 3 Z. 1, die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen vorliegen.

Nach § 37 AlVG kann dem Arbeitslosen, wenn er den Bezug der Notstandshilfe unterbricht, innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tag des letzten Bezuges der Notstandshilfe, der Fortbezug der Notstandshilfe gewährt werden, sofern er die sonstigen Bedingungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung verlängert sich die erwähnte Frist um die im § 15 Abs. 3 AlVG angeführten rahmenfristerstreckenden Zeiträume. Das Erfordernis der Wahrung der Frist des § 37AlVG gehört zu denjenigen Voraussetzungen der Notstandshilfe, auf deren Vorliegen es gemäß § 23 AlVG für die Gewährung von Notstandshilfe als Pensionsvorschuss auch ankommt (vgl. das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, Zl. 99/08/0013, zur vergleichbaren Regelung des § 33 Abs. 4 AlVG).

Die belangte Behörde ging von einer Unterbrechung des Notstandshilfebezuges durch den Beschwerdeführer am 31. Dezember 1995 aus, erstreckte die dreijährige Rahmenfrist zur Geltendmachung des Fortbezuges aus dem oben dargestellten Grund um drei Jahre und sieben Monate und kam so zu einem Beginn der dreijährigen Frist am 1. August 1999. Diese endete nach der Berechung der belangten Behörde - ohne Berücksichtigung weiterer Erstreckungstatbestände - somit am 31. Juli 2002.

Der Beschwerdeführer behauptet in der Beschwerde, die belangte Behörde hätte die Rahmenfrist aus im § 15 Abs. 3 bis 5 AlVG genannten Gründen zusätzlich erstrecken müssen, sodass er den Antrag auf Gewährung eines Pensionsvorschusses am 20. April 2004 noch innerhalb der Rahmenfrist - rechtzeitig - gestellt habe.

Nach § 15 Abs. 3 AlVG i.d.F BGBl. I Nr. 71/2003 verlängert sich die Rahmenfrist unter anderem um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland Krankengeld bzw. Wochengeld bezogen hat oder in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht gewesen ist (Z. 1); nach Erschöpfung des Anspruches auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung nachweislich arbeitsunfähig gewesen ist (Z. 2) oder wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, die nach ihrem Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 8 gleichkommt, eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezogen hat (Z. 3).

Nach Abs. 4 leg. cit. verlängert sich die Rahmenfrist auch um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Ausland eine der in Abs. 3 angeführten vergleichbaren Leistungen wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Krankheit bezogen hat, soweit mit dem betreffenden Staat zwischenstaatliche Regelungen über Arbeitslosenversicherung getroffen wurden oder dies in internationalen Verträgen festgelegt ist.

Gemäß § 15 Abs. 5 AlVG verlängert sich die Rahmenfrist um Zeiträume einer krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG oder BSVG.

Soweit sich der Beschwerdeführer im Hinblick auf die zuletzt zitierte Bestimmung auf eine Erstreckung der Rahmenfrist auf Grund seiner im angefochtenen Bescheid festgestellten arbeitslosenversicherungspflichtigen Tätigkeit beruft, ist auf die insoweit klare Gesetzeslage zu verweisen, die lediglich eine krankenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit nach dem GSVG oder BSVG, nicht aber eine arbeitslosenversicherungspflichtige Tätigkeit, als Erstreckungsgrund vorsieht. Zu den vom Beschwerdeführer geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken ist auszuführen, dass das Abstellen der Rahmenfristerstreckung auf Zeiträume einer krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG oder BSVG im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, sodass die Auslegung nach dem klaren Wortlaut auch unter dem Gesichtspunkt des Sachlichkeitsgebotes keinen Bedenken begegnet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl.2004/08/0030).

Ebenso wenig erlauben es die vom Beschwerdeführer zur Unterstützung seines Vorbringens herangezogenen Bestimmungen des § 15 AlVG über die Erstreckung der Rahmenfrist, die Zeiten "fiktiver" Bezüge von Notstandshilfe oder einer Invaliditätspension in die Rahmenfrist einzurechnen.

Allenfalls auf Grund seiner Tätigkeit als Hausbesorger dem Beschwerdeführer zustehende - neue - Anwartschaften, hat die belangte Behörde zutreffend schon deshalb nicht berücksichtigt, weil sie mit dem vorliegenden Antrag zu spät geltend gemacht worden wären; die Hausbesorgertätigkeit endete am 30. April 2000, sodass in dem vom Zeitpunkt der Antragstellung zurückzurechnenden Rahmenzeitraum des § 14 Abs. 1 und 4 AlVG seine Anwartschaftszeiten liegen.

Die Behauptung der Einrechnung von Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ab März 2003 ist eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstmals vorgebrachte Tatsache, weshalb wegen des Neuerungsverbotes darauf nicht einzugehen war. Im übrigen wäre für den Beschwerdeführer auch bei Zutreffen dieser Behauptung nichts zu gewinnen, weil nach der zutreffenden Berechnung durch die belangte Behörde die Dreijahresfrist bereits im Jahre 2002 geendet hat und eine vom 1. April 2004 zurückgerechnete Rahmenfrist iSd § 14 AlVG nicht bis 2000 erstreckt werden könnte.

Die Beantwortung der Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer Gewährung einer Pensionsleistung (vgl. § 23 Abs. 2 Z. 2 AlVG) ist erst dann von Bedeutung, wenn auch die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Notstandshilfe als Pensionsvorschuss vorliegen. Daher hatte die belangte Behörde - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - in diese Richtung keine Ermittlungen zu führen.

Auch der vom Beschwerdeführer geltend gemachte "Verstoß gegen den Instanzenzug" liegt nicht vor: Der Beschwerdeführer geht entgegen der Aktenlage davon aus, dass er am 1. April 2004 einen Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe und am 20. April 2004 einen Antrag auf Pensionsvorschuss gestellt habe. Tatsächlich handelt es sich um den selben Antrag, bei dem das Formular am 1. April ausgegeben und mit 20. April 2004 datiert wurde.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. Juni 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004080174.X00

Im RIS seit

14.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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