TE Vfgh Erkenntnis 2002/3/13 B1409/99 ua

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Veröffentlicht am 13.03.2002
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung von Teilen des §53a ASVG betreffend den pauschalierten Dienstgeberbeitrag für geringfügig Beschäftigte mit E v 07.03.02, G219/01.

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, der zu B1409/99 sowie B1500/00 beschwerdeführenden Partei die mit € 3.924,-- und den zu B1410/99 und B1462/99 beschwerdeführenden Parteien die mit je € 1962,-- bestimmten Prozeßkosten zu Handen ihres Rechtsvertreters binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführenden Parteien haben je geringfügig beschäftigte Dienstnehmer angestellt.

2.1. Mit Bescheid vom 19.5.1999 sprach die Steiermärkische Gebietskrankenkasse aus, daß die in dem hg. zu B1409/99 protokollierten Verfahren beschwerdeführende Partei für die bei ihr im Kalenderjahr 1998 geringfügig beschäftigten Dienstnehmer pauschalierte Dienstgeberbeiträge gem. §53a ASVG in Höhe von S 23.798,60 zu entrichten habe.

2.2. Mit Bescheid vom 26.4.1999 sprach die Steiermärkische Gebietskrankenkasse aus, daß die in dem hg. zu B1410/99 protokollierten Verfahren beschwerdeführende Gesellschaft für die bei ihr geringfügig beschäftigten Dienstnehmer pauschalierte Dienstgeberbeiträge gem. §53a ASVG (im Kalenderjahr 1998: S 123.075,--) abzurechnen und zu entrichten habe.

2.3. Mit Bescheid vom 26.4.1999 sprach die Steiermärkische Gebietskrankenkasse aus, daß die in dem hg. zu B1462/99 protokollierten Verfahren beschwerdeführende Gesellschaft für die bei ihr geringfügig beschäftigten Dienstnehmer pauschalierte Dienstgeberbeiträge gem. §53a ASVG (im Kalenderjahr 1998: S 26.621,15) abzurechnen und zu entrichten habe.

2.4. Mit Bescheid vom 4.5.2000 sprach die Steiermärkische Gebietskrankenkasse aus, daß die in dem hg. zu B1500/00 protokollierten Verfahren beschwerdeführende Partei für die bei ihr im Kalenderjahr 1999 geringfügig beschäftigten Dienstnehmer pauschalierte Dienstgeberbeiträge gem. §53a ASVG in Höhe von S 29.245,40 abzurechnen und zu entrichten habe.

3. Dagegen erhoben die beschwerdeführenden Parteien je Einspruch an den Landeshauptmann von Steiermark, der diese Rechtsmittel jedoch als unbegründet abwies.

4. Gegen diese - letztinstanzlichen - Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden gem. Art144 B-VG, in denen die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide beantragt wird. Begründend wird dazu im wesentlichen ausgeführt, der den Bescheiden zugrunde gelegte §53a ASVG sei verfassungswidrig.

5. Mit Erkenntnis vom 7. März 2002, G219/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Bestimmung des §53a ASVG idF der 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998, zum Teil als verfassungswidrig aufgehoben werde.

II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet wurde, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986, 11.711/1988).

2. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G219/01 begann am 7. März 2002. Die vorliegenden Beschwerden waren zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Nach dem soeben Ausgeführten stehen die Fälle daher einem Anlaßfall gleich.

3. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.

Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 654,-- bzw. je € 327,-- enthalten. Ein Ersatz der entrichteten Eingabengebühr war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (§110 Abs1 Z2 lita ASVG) nicht zuzusprechen.

5. Dies konnte gem. §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1409.1999

Dokumentnummer

JFT_09979687_99B01409_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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