TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/29 2006/01/0001

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Veröffentlicht am 29.06.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
VwGG §33 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des MP, geboren 1960, zuletzt in B, vertreten durch Schatz & Partner Rechtsanwälte OEG in 2340 Mödling, Enzersdorfer Straße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. November 2005, Zl. 233.180/1- V/13/03, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Nachdem ein erster Asylantrag mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der belangten Behörde vom 5. Dezember 2002 rechtskräftig abgewiesen worden war, beantragte der Beschwerdeführer am 31. Mai 2003 neuerlich die Gewährung von Asyl. Dazu brachte er - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor, nach rechtskräftiger Erledigung des Erstverfahrens im Februar 2003 in sein Heimatdorf im Kosovo zurückgekehrt zu sein. Ca. drei Wochen vor seiner neuerlichen Ausreise im Mai 2003 habe er auf einer Baustelle gearbeitet. Dort sei er von drei albanisch-stämmigen Männern gefragt worden, woher er komme und wie er heiße. Auf seine Antworten hin hätten die Männer gesagt, er (Beschwerdeführer) könne auf Grund seines serbischen Vornamens (Marko) kein Albaner sein. Daraufhin habe er zu erklären versucht, dass er "Albaner" sei, allerdings katholischen Glaubens. Ihm sei erwidert worden, dass "die Katholiken mit den Serben zusammenarbeiten" und dass er ebenso mit den Serben zusammengearbeitet hätte. In der Folge habe man auf ihn mit den Fäusten und mit einem Stock eingeschlagen, wobei er mehrere Zähne verloren habe; außerdem habe man ihn mit der Drohung des sonstigen Umbringens dazu aufgefordert, den Kosovo zu verlassen. Er (Beschwerdeführer) habe sich nach diesem Vorfall zur Behandlung ins Krankenhaus begeben und danach zu Verwandten nach Gjakove. Von dort aus sei er geflüchtet, im Fall seiner Rückkehr in den Kosovo befürchte er, von den genannten Männer abermals misshandelt und allenfalls umgebracht zu werden.

Das Bundesasylamt wies den neuerlichen Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß §§ 7, 8 AsylG ab. Sie stellte - wie schon die erstinstanzliche Behörde den Angaben des Beschwerdeführers folgend - fest, dass dieser im Mai 2003 von drei unbekannten Personen misshandelt und begleitet vom Vorwurf, auf Grund seiner Glaubenszugehörigkeit (römischkatholisch) kein richtiger Albaner zu sein, bedroht worden sei, woraufhin er umgehend das Land verlassen habe. Sie führte weiter aus, dass sich aus sämtlichen Länderberichten keine Hinweise darauf ergäben, dass katholische Albaner einem relevanten Risiko ausgesetzt wären. Daraus sei abzuleiten, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer erlittenen Erlebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Einzelereignis ohne Nachhaltigkeit handle. Einerseits sei somit die Wahrscheinlichkeit drohender zukünftiger Verfolgungshandlungen als gering einzustufen, andererseits stehe es dem Beschwerdeführer offen, sich gegebenenfalls an funktionierende staatliche Schutzeinrichtungen zu wenden; der Beschwerdeführer habe selbst eingeräumt, gar nicht erst den Versuch unternommen zu haben, sich mit seinem Problem an die örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden oder an die lokal stationierte UNMIK-Polizei zu wenden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Der Beschwerdeführer ist am 27. Jänner 2006 (damit nach Einbringung der gegenständlichen Beschwerde) unstrittig unter Gewährung von Rückkehrhilfe freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist. Ungeachtet dessen hat sein Vertreter weiterhin ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde zum Ausdruck gebracht - insbesondere durch den Hinweis, es sei für den Beschwerdeführer "für den Fall einer weiteren Bedrohung im Herkunftsland" von rechtlicher Bedeutung, ob eine erneute Einreise nach Österreich zulässig sei -, weshalb das Verfahren über die somit nicht als gegenstandslos geworden anzusehende Beschwerde nicht in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt werden konnte.

In der Sache selbst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde vorbrachte, er sei nach dem geschilderten Vorfall weiterhin "von diesen Personen" gesucht worden und habe - schon in Österreich - telefonisch von seiner Frau erfahren, dass "sie" auch mit der Misshandlung des 18-jährigen Sohnes gedroht hätten. Außerdem antwortete er auf den Vorhalt, warum er sich nicht an die Behörden gewendet habe, damit, dass bei der Polizei "solche Menschen angestellt (seien), die mit solchen Verbrechern zusammenarbeiten. Als ich damals misshandelt wurde, sind Polizisten vorbeigegangen und haben nicht gehandelt".

Es ist nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde diesen ergänzenden Angaben keinen Glauben geschenkt hätte. Davon ausgehend kann aber weder gesagt werden, es habe sich bei dem vom Beschwerdeführer erlittenen Erlebnis um ein Einzelereignis ohne Nachhaltigkeit gehandelt, noch, es wäre dem Beschwerdeführer zumutbar (gewesen), sich an die "funktionierenden staatlichen Schutzeinrichtungen" zu wenden. Die auf diesen Argumenten beruhende Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers kann daher keinen Bestand haben. Dass die von der belangten Behörde herangezogenen - den Verwaltungsakten allerdings nicht angeschlossenen - Berichte keine Gefährdung römisch-katholischer Albaner erkennen lassen, vermag daran nichts zu ändern, zumal der Beschwerdeführer gemäß seinem Vorbringen zunächst wegen seines angeblich serbischen Vornamens belästigt wurde. Der bekämpfte Bescheid, der nach dem Gesagten zu Unrecht über die dargestellten ergänzenden Äußerungen des Beschwerdeführers hinweggeht, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 29. Juni 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006010001.X00

Im RIS seit

10.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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