Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des A T (auch J N) in W, geboren 1972 (auch 1960), vertreten durch Mag. Michael Hudec, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. November 2004, Zl. 250.578/0-V/13/04, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, nach eigenen Angaben ein Staatsangehöriger von Liberia, stellte am 31. Jänner 2002 beim Bundesasylamt einen Asylantrag, zu dem er noch an diesem Tag niederschriftlich einvernommen wurde.
Am 16. Juli 2002 langte beim Bundesasylamt eine vom Beschwerdeführer unterfertigte und mit diesem Tag datierte "Vollmacht" ein, mit der dieser an eine namentlich genannte Person (Mag. W.M.) "mit Zustelladresse Asyl in Not, Währingerstraße 59/2/1, 1090 Wien" Zustellvollmacht erteilte.
Mit Bescheid vom 27. März 2003 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Liberia gemäß § 8 AsylG für zulässig. Als Empfänger wurde im Bescheidkopf der Beschwerdeführer mit dem Zusatz "Zustellvollmacht: Asyl in Not" bezeichnet; der Zustellschein war nur an "Asyl in Not, Währingerstraße 59/2/1, 1090 Wien" adressiert. Laut Postrückschein wurde die so übermittelte Sendung am 2. April 2003 von einem Postbevollmächtigten für RSa-Briefe mit dem Namen "C.B" übernommen.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2004 beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt die neuerliche Zustellung des Bescheides an eine gleichzeitig bekannt gegebene neue Adresse und begründete seinen Antrag damit, dass er an diesem Tag zu "Asyl in Not" gekommen sei, um sich nach dem Stand seines Asylverfahrens zu erkundigen. Dabei habe er erfahren, dass sein Bescheid in erster Instanz "rechtskräftig negativ" gewesen sei. Der Bescheid sei laut Auskunft des Bundesasylamtes Wien am 2. April 2003 an Frau Mag. W.M. von "Asyl in Not" zugestellt worden. Frau Mag. W.M. habe zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr bei "Asyl in Not" gearbeitet und es hätte dem Bundesasylamt auffallen müssen, dass es sich bei der Unterschrift auf dem Rückschein nicht um diejenige von Frau Mag. W.M. gehandelt habe. Somit sei der Bescheid nicht rechtswirksam zugestellt worden. "In eventu" beantragte der Beschwerdeführer - mit ausführlicher Begründung - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den erstinstanzlichen Bescheid, stellte weiters den Antrag, seinem Eventualantrag die aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, und erhob gleichzeitig Berufung.
Mit Bescheid vom 2. Juni 2004 wies das Bundesasylamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ab (Spruchpunkt I.), den Antrag des Beschwerdeführers auf neuerliche Zustellung des Asylbescheides vom 27. März 2003 "gemäß § 9 iVm 12 ZustellG" ab (Spruchpunkt II.) und den Antrag, dem "Wiedereinsetzungsverfahren aufschiebende Wirkung beizulegen", gemäß § 71 Abs. 6 AVG zurück (Spruchpunkt III.).
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid "gemäß § 71 Abs. 1 AVG" ab (Spruchpunkt 1.) und sie wies gleichzeitig die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. März 2003 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück (Spruchpunkt 2.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, der erstinstanzliche Bescheid sei am 2. April 2003 unter der vom Beschwerdeführer angegebenen Zustelladresse Währingerstraße 59/2/1, 1090 Wien, von einer bei "Asyl in Not" tätigen, für RSa-Briefe postbevollmächtigten Person entgegengenommen worden. Diese Zustellung sei zulässig und wirksam gewesen. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf neuerliche Zustellung komme deshalb keine Berechtigung zu und es sei auch dem hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag - aus näher dargestellten Gründen - kein Erfolg beschieden. Die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.3.2003 sei im Übrigen verspätet und daher zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 27. März 2003 an eine bei "Asyl in Not" tätige postbevollmächtigte Person (offenbar aber nicht an die vom Beschwerdeführer mit Zustellvollmacht betraute Mag. W.M.) rechtswirksam erfolgt sei. Dabei übersieht sie, dass die Zustellvollmacht des Beschwerdeführers (auch entgegen den Annahmen der Behörde erster Instanz, die Mag. W.M. als Adressatin des Bescheides weder in der Zustellverfügung noch auf dem Postrückschein angeführt hatte) nicht an "Asyl in Not", sondern - wie zuvor erwähnt - an die namentlich genannte Mag. W.M. erteilt worden war. Schon aus diesem Grund konnte die Übernahme der Sendung durch einen Postbevollmächtigten von "Asyl in Not" keine Zustellung an den Beschwerdeführer bewirken (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. September 2005, Zlen. 2004/20/0384 bis 0387). Dass der Bescheid im Folgenden der Zustellbevollmächtigten (im Sinne des § 9 Abs. 1 2. Satz ZustG in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004) tatsächlich zugekommen und der Zustellmangel dadurch geheilt worden wäre, wird von der belangten Behörde nicht angenommen.
Ausgehend davon war der Zustellantrag des Beschwerdeführers betreffend den erstinstanzlichen Bescheid vom 27. März 2003 berechtigt und erweist sich die Bestätigung des diesen Antrag abweisenden Spruchpunktes II. im Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Juni 2004 durch die belangte Behörde als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Aber auch die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers gegen die Spruchpunkte I. und III. der zuletzt genannten erstinstanzlichen Entscheidung (Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages und Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung) kann keinen Bestand haben, weil diese Anträge nur hilfsweise ("in eventu") für den Fall der ordnungsgemäßen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 27. März 2003 gestellt worden waren und dem Bundesasylamt eine Zuständigkeit zur Erledigung dieser Eventualanträge nur für den Fall der Rechtmäßigkeit des primär strittigen Zustellvorganges zugekommen wäre.
Der angefochtene Bescheid war deshalb zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 29. Juni 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005010030.X00Im RIS seit
25.07.2006